"Wir sind nicht auf Flüchtlinge vorbereitet"
3. April 2016Kurz vor der geplanten Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei sind lokale Behörden nach eigenen Angaben nicht auf die Ankunft der Migranten vorbereitet. Der Bürgermeister des westtürkischen Küstenbezirks Dikili, Mustafa Tosun, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Selbst ich als Bürgermeister habe bezüglich der Flüchtlinge leider keinerlei Informationen von den Verantwortlichen in Ankara erhalten." Er wisse weder, ob und wie viele Flüchtlinge von Montag an aus Griechenland in Dikili ankommen noch wo diese untergebracht werden sollen. Es sei bedauerlich, dass die Regierung in Ankara die lokalen Behörden und Zivilorganisationen nicht über ihre Pläne informiert habe.
Bürgermeister: Flüchtlinge können nicht bleiben
Tosun, Mitglied der größten Oppositionspartei CHP, sagte, er habe auch nur durch die Medien von den Planungen für eine Flüchtlingsunterkunft erfahren. Er sei jedoch generell dagegen, dass die Schutzsuchenden dauerhaft in Dikili bleiben. "Wir sind dafür nicht ausgestattet", sagte er. Die Region sei nicht in der Lage, die Migranten zu versorgen oder den Kindern ausreichend Schulplätze zur Verfügung zu stellen. Dikili liegt gegenüber der griechischen Insel Lesbos.
Türkische Medien hatten über ein geplantes Aufnahmezentrum in Dikili für die aus Griechenland zurückgeschickten Migranten berichtet. TV-Bilder von Samstag zeigten auf dem Areal der türkischen Küstenstadt jedoch nur eine öde Brache. Der Tageszeitung "Milliyet" zufolge sollen die ersten Flüchtlinge nun provisorisch in einer Turnhalle untergebracht werden. Eine offizielle Stellungnahme der türkischen Regierung zur geplanten Rückführung der Flüchtlinge gab es zunächst nicht.
Wenig Vorbereitungen auf Lesbos
In Cesme gegenüber der griechischen Insel Chios legten Arbeiter Wasserleitungen und Kabel in einer 500 Quadratmeter großen Anlage, wie Bürgermeister Muhittin Dalgic mitteilte. Vorgesehen sind dort Zelte für die Abnahme von Fingerabdrücken sowie sanitäre Anlagen.
Auf der griechischen Insel Lesbos waren auch am Sonntag kaum Vorbereitungen für die ab Montag geplante Abschiebung erster Migranten in die Türkei erkennbar gewesen. Seit dem Stichtag am 20. März, ab dem der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei gilt, wurden 5600 Neuankömmlinge auf den griechischen Inseln registriert. Wie viele Menschen in die Türkei zurückgebracht werden sollen und von wo aus dies geschehen soll, blieb zunächst allerdings unklar. "Die Planungen laufen", sagte George Kyritsis, der Sprecher der griechischen Regierung für die Flüchtlingskrise.
Warten auf Anweisungen
Laut Informationen aus Athener Regierungskreisen planen die europäische Grenzschutzagentur Frontex und die griechische Küstenwache, am Montag, Dienstag und Mittwoch zunächst insgesamt 750 Menschen an Bord von zwei Touristenschiffen in die Türkei zu bringen - unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen: Für jeden Migranten soll ein Polizist als Begleitung abgestellt werden. Die griechischen Behörden wollten diese Angaben weder bestätigen noch dementieren. Ein Polizeisprecher auf Lesbos sagte, die Beamten warteten noch auf Anweisungen.
Die EU hat mit der Türkei vereinbart, alle seit dem 20. März in Griechenland gestrandeten Migranten, die dort kein Asyl beantragen, in die Türkei zurückzuschicken. Im Gegenzug will die EU für jeden abgeschobenen Syrer einen syrischen Flüchtling aus der Türkei aufnehmen.
Ankara dementiert Amnesty-Vorwürfe
Vorwürfe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die Türkei schiebe in großer Zahl Flüchtlinge nach Syrien ab, wies die Regierung in Ankara zurück. "Dass Syrer dazu ermutigt werden, freiwillig in ihr Land zurückzukehren, oder dazu gezwungen werden, ist nicht der Fall", heißt es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung des türkischen Außenministeriums. Die Türkei sei weiter entschlossen, syrischen Flüchtlingen Schutz zu gewähren. Amnesty International hatte der Türkei am Donnerstag vorgeworfen, in den vergangenen Wochen massenhaft Flüchtlinge aus Syrien, auch Frauen und Kinder, in das Bürgerkriegsland abgeschoben zu haben. Auch die Einstufung der Türkei als "sicheren Drittstaat" im Rahmen des Flüchtlingspakts mit der EU hatte die Organisation kritisiert.
cw/qu (dpa, afp, rtr)