BVB: Es war einmal ... ein Tabellenführer
9. Dezember 2017"Wir haben heute wirklich ... die erste Halbzeit, das habe ich noch nicht erlebt ... das war wirklich sehr schlecht", sagte der Mann, der in Dortmund seit Wochen im Fokus steht. Gerade hatte seine Mannschaft verloren, einmal mehr verloren, im eigenen Stadion, gegen den 16. der Tabelle. Trainer Peter Bosz sprach ruhig, wie immer. Er wirkte wie ein Abteilungsleiter, der sicher am nächsten Tag noch ins Büro geht. Doch viele Anrufe wird er dort nicht mehr bekommen. Der Mann hat fertig. Gut drei Stunden nach dem Abpfiff meldet die "Sport Bild" via Twitter, das Trainer-Aus sei beschlossen.
"Dieser Auftritt war eine absolute Frechheit, der Wahnsinn", zeterte ... nicht etwa Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, sondern Mannschaftskapitän Marcel Schmelzer nach der 1:2-Niederlage gegen Werder Bremen. "Seit Wochen sage ich, wir wollen nicht mehr nur reden, sondern endlich auch Taten folgen lassen", sagte Schmelzer vor der Kamera des TV-Senders Sky, "und dann treten wir hier so auf! Wahnsinn. Ich verstehe nicht, wie solch eine Leistung in so einem Spiel passieren kann. Das war richtig Kacke."
Angeblich alles Quatsch
Manche der Fans, die das Dortmunder Stadion noch vor dem Abpfiff verließen, werden sich wehmütig an den früheren Trainer mit der "Pöhler"-Mütze erinnert haben. Oder auch an den dünnen Mann, der sicher etwas exzentrisch war. Aber weder Jürgen Klopp noch Thomas Tuchel hätten sich eine solche Leistung eines BVB-Teams über eine längere Zeit bieten lassen. Die gebrüllten Anweisungen Klopps hätte man noch auf dem Parkplatz verstanden.
Der Niederländer Bosz musste hingegen schon vor der Partie Gerüchte dementieren, das Team habe ihm in die Aufstellung hineingeredet. "Dazu werde ich nichts sagen. Das ist so ein Quatsch, den ich kommentieren muss. Das ist alles Quatsch. Ich bin der Trainer, ich entscheide."
Nicht mehr lange. Watzke und Sportdirektor Michael Zorc begaben sich direkt nach dem Spiel in die Kabine. Laute, kraftvolle Ansagen? "Ein paar Spieler haben vor sich hin geflucht, sonst wurde nicht viel geredet", gab der Mannschaftskapitän zu Protokoll.
Die gut bezahlten Dortmunder Profis, die ja nominell zu den Könnern ihres Geschäfts gehören, hatten zuvor eine Leistung gezeigt, die man nicht nachvollziehen konnte. Keine Zuordnung, wenig Zusammenspiel, eine Abwehr, die den Namen kaum verdient. Und vorne? Pierre-Emerick Aubameyang jubelte zwar über den Dortmunder Treffer in der 57. Minute, doch wer genau hinsah, erkannte auf Eigentor durch Philipp Bargfrede. Außerdem trafen auf Bremer Seite Maximilian Eggestein (26.) und Theodor Gebre Selassie (65.).
Die Bremer hatten längst klar erkannt, wie angezählt die Dortmunder inzwischen sind, die so fulminant in die Saison gestartet waren. Das Ziel der Vereinsspitze, die Qualifikation für die nächste Champions League-Saison zu schaffen, ist in dieser Verfassung, nun ja, abwegig. Wahrscheinlicher ist, dass der BVB in den zweiten Abschnitt der Tabelle durchgereicht wird.
Das wird Vereinsboss Watzke nicht wollen, so wie er auch in der vergangenen Spielzeit die Zusammenarbeit mit Coach Tuchel nicht mehr wollte, nachdem das Vertrauen weg war. Überhaupt scheint Dortmund kein Ort mehr zu sein, in dem man übermäßig viel Vertrauen in die eigenen Kräfte und den Zusammenhalt setzt. Wie in einem Unternehmen, in dem der Abteilungsleiter noch ins Büro geht. Aber sein Telefon nicht mehr klingelt.
Vorsicht: Die Saison ist noch nicht zu Ende
Und nun? Peter Stöger, der über die Grenzen Kölns beliebte, dort gerade entlassene Trainer, wird immer wieder als Alternative genannt. Aber kann ein Trainer, der seine Mannschaft (allerdings in einer anderen Güteklasse) in kaum gekannter Weise in die Abstiegszone begleitet hat, eine gute Wahl sein für einen Klub, der vor Wochen noch die Liga anführte? Die Vereinsspitze will sich am Sonntag zur zukünftigen Besetzung der Trainerposition äußern. "Einen derartigen Saisonverlauf habe ich noch nie erlebt", sagte der Geschäftsführer Watzke jüngst auf der aufgebrachten Mitgliederversammlung.
Und die Saison ist noch nicht zu Ende.