Buschfleisch - Delikatesse mit Beigeschmack
23. Februar 2021Geräucherte Affen, Schildkrötenköpfe, ganze Fledermäuse - auf dem Buschfleischmarkt in Mbandaka im Norden der Demokratischen Republik Kongo (DRK) findet man so einiges an exotischen Fleischsorten. Buschfleisch gehört für viele Kongolesen zu den wichtigsten Proteinquellen. Doch es hat einen gefährlichen Beigeschmack.
Ob Vogelgrippe, HIV/AIDS, Ebola oder COVID-19: Viele Krankheiten sind zoonotisch, wurden also von Tieren auf den Menschen übertragen. Zoonotische Krankheiten machen etwa 75 Prozent der neu auftretenden Krankheiten aus, die derzeit Menschen befallen. Auch Gelbfieber, verschiedene Formen der Influenza, Tollwut und Borreliose gehören dazu. Und viele dieser Krankheiten gehen auf den Konsum von Buschfleisch zurück.
Wild, lecker - und reich an Viren?
In West- und Zentralafrika sind Jagd und Handel mit vielen Arten von Wildtieren legal oder halb legal. Und auch im südlichen Afrika erfreut sich Buschfleisch großer Beliebtheit. "Es geht um traditionelle Essgewohnheiten und Kultur", erklärt Luwi Nguluka, Awareness-Programm-Managerin der Nichtregierungsorganisation Wildlife Crime Prevention (WCP) aus Sambia, im DW-Interview. WCP bekämpft illegalen Wildtierhandel in Sambia und seinen Nachbarländern. Außerdem werde Buschfleisch immer begehrter - und somit zu einer Ware, die legal nur noch den reicheren Schichten zur Verfügung steht.
Doch beim Konsum von Buschfleisch gebe es einen gefährlichen Trugschluss, sagt die Aktivistin. "Menschen wollen biologische, natürliche oder traditionelle Lebensmittel konsumieren. Es existiert die Wahrnehmung, dass illegales Buschfleisch gesünder ist als gezüchtetes. Das ist natürlich nicht wahr, wenn man es mit Fleisch zu tun hat, das keine Sicherheitskontrollen durchlaufen hat."
Millionen Tonnen Buschfleisch
Die UN schätzt, dass jedes Jahr bis zu fünf Millionen Tonnen Buschfleisch im Kongobecken gejagt werden. Alleine in der Demokratischen Republik Kongo sollen jährlich eine Million Kilogramm Buschfleisch konsumiert werden. Und das wird inzwischen auch weltweit exportiert - eine ideale Voraussetzung für die Verbreitung von Krankheitserregern.
Erst im Dezember legalisierte die tansanische Regierung den Verkauf von Buschfleisch unter Einhaltung strenger Regeln. Präsident John Magufuli möchte so die illegale Wilderei stoppen. Unter anderem soll nur unter strenger Kontrolle geschlachtet werden und die Herkunft des Fleisches muss nachgewiesen werden. Statistiken zeigen, dass in Tansania zuletzt jährlich etwa 2000 Tonnen Buschfleisch im Wert von 50 Millionen Dollar beschlagnahmt wurden.
Immer mehr Krankheitsherde
Im Kongo ist der Handel von Buschfleisch nicht klar geregelt. In einem Forschungsbericht heißt es, dass der Verzehr von Buschfleisch derzeit legal sei, in einem anderen, dass die Regierung die Jagd von Buschfleisch zumindest im Virunga-Nationalpark verbiete. In Sambia ist der Verzehr von eigens dafür gezüchtetem Buschfleisch erlaubt. Doch die Pandemiegefahr steckt in illegal beschafftem Fleisch.
Die aktuelle Coronapandemie ist nur ein Beispiel: Das Virus sprang aus "Reservoiren" - der Begriff, den Virologen für die natürlichen Wirte der Viren verwenden - auf den Menschen über. Dafür reicht der Konsum von falsch zubereitetem Wildfleisch, ein Biss durch ein Tier oder der Kontakt mit tierischen Körperflüssigkeiten.
"Als Covid-19 kam, war das keine Überraschung", sagt Nguluka. "Es ist nicht die erste Krankheit, die wir auf Wildtiere zurückführen können. Und ich bezweifle, dass es die letzte sein wird." Dem "Global Infectious Disease and Epidemiology Network (GIDEON)" zufolge gab es in den Jahren zwischen 1980 und 1985 knapp 1000 außergewöhnlich starke Ausbrüche zoonotischer Krankheiten. Im Zeitraum 2005 bis 2010 waren es fast dreimal so viele.
Zerstörung von Ökosystemen
Die Gründe für die Zunahme seien vielfältig, erklärt Ulrike Beckmann, die als Wissenschaftlicher Beirat für das Jane Goodall Institut tätig ist. "Wir fassen das zu kurz, wenn wir nur von Buschfleisch sprechen", so die Ärztin. "Es geht darum, dass wir die letzten funktionierenden Ökosysteme zerstören, indem wir in sie eindringen. Durch Wilderei, Jagd, Rodung, Straßen- und Siedlungsbau oder Bodenschatzförderung sind wir in Gefahr, in Kontakt mit Lebewesen und Erregerspektren zu kommen, der unter natürlichen Bedingungen nicht zustande käme."
Die UN warnt, dass der kongolesische Regenwald bis Ende des Jahrhunderts vollständig verschwunden sein könnte. Dann könnten Tiere und die Viren, die sie tragen, auf neue und katastrophale Weise mit den Menschen zusammenstoßen. So freigesetzte Erreger, erklärt Beckmann, verbreiten sich durch die Globalisierung und den Transport von Menschen, Tieren und Waren rasend schnell. "Es ist nicht das Buschfleisch, sondern die generelle Verknüpfung von Faktoren weltweit, die uns dieser Gefahr aussetzen", so Beckmann.
Die nächste Pandemie lauert
Die Verbreitung von Infektionen zoologischen Ursprungs ist ein Problem mit vielen Wurzeln. Nguluka und ihre Organisation setzen hier ganz lokal an. WCP startete 2018 eine Kampagne mit dem Namen "It is not a game", um Sambier auf die Gefahren illegalen Buschfleischs hinzuweisen. "Nur sehr wenige Menschen sind sich darüber bewusst, was sie essen, woher es kommt und welche negativen Auswirkungen illegales Buschfleisch hat", sagt Nguluka.
Es gehe nicht darum, auf Buschfleisch zu verzichten, betont Nguluka. "Wir haben legales sambisches Buschfleisch, das von Farmen kommt. Es ist dieselbe Art von Tier und Fleisch, es kommt nur aus einer legalen Quelle. Und das Schöne an sambischen Wildfarmen ist, dass sie nicht nur die Arten erhalten, sondern auch Arbeitsplätze für Sambier schaffen und uns erlauben, unser Erbe zu bewahren."
Beckmann geht noch weiter. "Die nächste Pandemie wartet schon. Und die werden wir uns nicht leisten können." Sie fordert weltweite politische Maßnahmen, um den Handel mit Wildtieren, den Klimawandel, Umweltzerstörung und Massentierhaltung zu stoppen. Denn die Gefahr liege nicht allein im Konsum illegalen Buschfleischs in Afrika, betont Beckmann. "Der nächste Erreger kann durch die nächste Zecke kommen, die die Alpen überquert. Wir brauchen nicht auf das Buschfleisch aus Afrika zu warten, theoretisch ist das alles schon hier." Und somit sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis die nächste Pandemie ausbricht.