Nkurunziza lässt wählen
20. Juli 2015Der Ort ist nicht zufällig gewählt. Noch eine Woche zuvor hatte es hier Kämpfe der Armee mit einer neuen Rebellengruppe gegeben. Jetzt hat Präsident Pierre Nkurunziza seine Anhänger auf den Hügel von Ndora im Norden Burundis kommen lassen, um den Endspurt im Präsidentschaftswahlkampf einzuläuten.
"Wer den Frieden will, wählt uns", ruft der Präsident, der sein Land mit seiner Kandidatur in die tiefste Krise seit dem Bürgerkrieg gestürzt hat. Siebzig Menschen sind seit Beginn der Proteste gegen Nkurunzizas dritte Amtszeit umgekommen. Der Präsident steht auf einem Lastwagen, von schwerbewaffneten Polizisten und Soldaten umstellt. Ein gut geschützter Volkstribun.
Die Veranstaltung ist genau choreografiert. "Seid mutig", ruft der Präsident seinen Anhängern zu und reckt die Faust in die Luft. "Wir sind mutig", rufen die Anhänger zurück. Musik und Trommeln heizen die Stimmung an. Die Besucher halten Luftballons in den Nationalfarben in die Höhe oder tragen Plakate in den Händen, auf denen Nkurunziza eine Friedenstaube in die Luft hält. Ein Anführer der Parteijugend Imbonerakure erklärt selbstbewusst, man werde "auch die Wahlen 2020, 2025 und 2030 gewinnen".
Gewalt im Land reißt nicht ab
Burundi hat seit seiner Unabhängigkeit in den sechziger Jahren immer wieder Gewalt erlebt. Bereits der erste Ministerpräsident Prinz Louis Rwagasore fiel einem Attentat zum Opfer. Ein Dutzend Staatsstreiche erlebte das Land in den folgenden Jahrzehnten, häufig begleitet von Gewalt und Massakern der Volksgruppen der Hutu und Tutsi aneinander.
1993 versank das Land in einem zwölf Jahre dauernden Bürgerkrieg mit geschätzten 200.000 Toten. Erst seit 2005 hat ein Versöhnungsprozess beide Gruppen einander näher gebracht und einen demokratischen Prozess eingeläutet - ein Prozess, der nun auf der Kippe steht.
Angst in den Hochburgen der Opposition
Nachts schallen Schüsse durch Bujumbura. Sie kommen aus den oppositionellen Vierteln, wo die Bewohner von Racheaktionen der Regierung berichten. Seit im Mai eine Gruppe hoher Generäle versuchte, Nkurunziza aus dem Amt zu putschen, hat die Regierung die Zügel angezogen. Unabhängige, kritische Radiosender wurden geschlossen. Die Proteste sind inzwischen abgeflaut. Angst hat in den Hochburgen der Opposition die Wut verdrängt.
In Musaga, wo die Proteste besonders heftig waren, ist die Hauptstraße noch geschwärzt von den brennenden Autoreifen. Am Eingang der Seitenstraßen haben die Bewohner Barrikaden aus Steinen und Sandsäcken aufgebaut. Die Straßensperren sollen Fahrzeuge daran hindern, zu nächtlichen Razzien vorzufahren. "Wir haben Angst vor der Polizei", sagt ein Bewohner, "aber noch mehr fürchten wir, dass die Imbonerakure hier auftauchen."
Imbonerakure, die Jugendliga der Regierungspartei, gelten Oppositionellen als Schlägertruppe der Partei. Seit Monaten gibt es Warnungen, sie würden als Miliz bewaffnet. Eine indirekte Bestätigung für die Vorwürfe kam zuletzt ausgerechnet vom ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni. Kurz vor den Wahlen unternahm er noch einmal einen mäßig erfolgreichen Versuch, die beiden Lager zusammenzubringen, und erklärte, die Regierung habe zugesagt, die Imbonerakure zu entwaffnen. Dabei hat die Regierung stets bestritten, dass die Imbonerakure überhaupt Waffen besitzen.
Überraschende Allianzen
Unter diesen Umständen haben die wichtigsten Oppositionskandidaten beschlossen, die Wahlen zu boykottieren. "Wir steuern auf die Katastrophe zu", warnt Agathon Rwasa, Anführer der größten Oppositionspartei Forces Nationales de Libération (FNL). "Die Regierung riskiert, dass das Land unregierbar wird."
Rwasa ist selbst ein ehemaliger Hutu-Rebellenführer. Seine FNL stand in Konkurrenz zu Nkurunzizas CNDD-FDD, war aber keineswegs weniger radikal. In den Friedensprozess willigte Rwasa erst spät ein. Doch Nkurunzizas Festhalten an der Macht hat bei seinen Gegnern erstaunliche Allianzen hervorgebracht. Enger Bündnispartner Rwasas ist nun ausgerechnet Charles Nditije, der Chef der ehemaligen Staatspartei Uprona, die jahrzehntelang für die Herrschaft der Tutsi-Minderheit stand.
Den engsten Machtzirkel um Nkurunziza ficht all das nicht an. Seit dem Putschversuch, der aus den eigenen Reihen kam, ist dieser Kreis zwar kleiner geworden, aber nicht weniger entschlossen. Erfolglos haben internationale Geldgeber, Vermittler und auch der UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon mehrmals versucht, die Regierung von ihren Plänen abzubringen. "Ich habe mein Land befreit", sagt ein hoher Militär in einem leutseligen Moment. "Da hat kein Ban Ki-Moon das Recht, mir zu sagen, was ich in diesem Land tun und lassen soll."