Burundi: UN-Experten warnen vor Völkermord
21. September 201614 Monate waren die Experten der Vereinten Nationen vor Ort, um sich ein Bild von der Krise in Burundi zu machen. 227 Interviews haben sie geführt - mit Vertretern von Regierung und Zivilgesellschaft, mit Binnenvertriebenen und Flüchtlingen in den Nachbarländern. Das Ergebnis kommt wenig überraschend, doch es ist ernüchternd: Staatliche Akteure hätten schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen, die von Verschleppungen und Folter bis hin zu Mord reichten. Die Krise sei noch nicht vorbei, sagt Christof Heyns, der UN-Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen zu außergerichtlichen Tötungen, im DW-Interview. Die Menschenrechtsverletzungen setzten sich fort - "und nichts passiert", so der federführender Verfasser des UN-Berichts.
Frieden unter vorgehaltener Waffe
Der Konflikt in Burundi begann als politische Krise. Im April 2015 kündigte Präsident Pierre Nkurunziza an, ein drittes Mal für den Job an der Staatsspitze zu kandidieren. Zu Tausenden gingen Menschen auf die Straßen. Polizei und Militär reagierten mit Gewalt, viele Demonstranten wurden getötet. Die offenen Konfrontationen seien zurückgegangen, attestiert der UN-Bericht. Dafür nehme die Repression zu, es sei "ein Frieden unter vorgehaltener Waffe". Die Expertengruppe beobachtete auch eine Zunahme ethnischer Spaltungen - und warnte gar vor einem Völkermord.
In vieler Hinsicht wiederhole der Bericht, was schon zuvor festgestellt worden sei, sagt Phil Clark, Experte für die Länder der Großen Seen an der renommierten Londoner Universität SOAS. Es gebe jedoch einen entscheidenden Unterschied: "Die UN benutzt diesmal den Begriff des Völkermords, um die internationale Gemeinschaft wachzurütteln und für eine externe Intervention zu werben."
Doch die auf den Weg zu bringen, sei ein langwieriger Prozess - vor allem, so lange sich Nkurunziza weigere, fremde Truppen ins Land zu lassen. Die Afrikanische Union kündigte bereits an, eine Friedensmission nach Burundi zu entsenden. Dieser Plan stoße in Burundi auf etwas weniger Ablehnung als UN-Truppen, sagt Phil Clark. Dennoch rechnet er damit, dass es Monate dauern wird, bis eine militärische Mission Wirklichkeit werden kann.
Die Täter sind bekannt
Doch neben militärischen Mitteln müsse es auch diplomatische Bemühungen geben, sagt Clark. Für den UN-Sonderbeauftragten Heyns geht es auch darum, Schuldige in die Verantwortung zu nehmen - die oft namentlich bekannt sind. "Wir haben zwölf Namen von Regierungsbeamten, die mit dem Verschwinden von Oppositionellen in Verbindung gebracht werden", sagte er. "Andere Regierungsbeamte stehen unter dem Vorwurf der Folter. Oft werden die gleichen Namen genannt." Die Expertengruppe spricht sich für weitere unabhängige Untersuchungen aus. So, hofft Heyns, könne die Krise in Burundi weitere Aufmerksamkeit erhalten.
Auch deutsche Parlamentarier zeigen sich besorgt. Anita Schäfer (CDU), die Vorsitzende der Parlamentariergruppe Östliches Afrika im Deutschen Bundestag, leitete Ende 2015 eine Delegationsreise nach Burundi. Der jetzige Bericht bestätige die "Tendenz zum Schlechteren", die sich schon damals abgezeichnet habe, schreibt Schäfer in einer Stellungnahme auf Anfrage der DW. Sie appelliert an die burundischen Akteure, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Regierungspartei müsse "sofort jede Form der Menschenrechtsverletzung einstellen, auf Hassreden und Drohungen verzichten und mit internationaler Unterstützung zu einem nationalen Verständigungsprozess zurückkehren".
Den Druck aufrechterhalten
Im Gespräch mit dem burundischen Botschafter habe sie auch auf mögliche Konsequenzen verwiesen, schreibt Schäfer. Dazu gehöre, dass man die Entwicklungszusammenarbeit regelmäßig überprüfen müsse - genau wie die Wahl der Gesprächspartner: "Das muss nicht die Regierung sein, wenn sie in dieser Weise Menschenrechte verletzt." Bereits Ende 2015 stellte die Bundesregierung alle regierungsnahen Aktivitäten in der Entwicklungszusammenarbeit ein, die EU legte Budgethilfen auf Eis.
Winfried Nachtwei, der für die Grünen bis 2009 im Bundestag war, plädierte vor Kurzem bei einer Podiumsdiskussion dafür, den Druck aufrechtzuerhalten - und zu erhöhen. Gleichzeitig müssten Deutschland und die Internationale Gemeinschaft auch Chancen erkennen, indem sie Akteure und Prozesse in Burundi, die zu einer Entspannung führen könnten, gezielt unterstützten. Auf lokaler Ebene gebe es durchaus Entwicklungen, sagt auch SOAS-Experte Phil Clark. "In Fällen wie in Burundi reden wir nicht genug über diese Ebene. Lokale burundische Autoritäten versuchen, die Krise von unten anzugehen. Sie wollen die lokale Bevölkerung mobilisieren und ihren Ängsten begegnen."
Die burundische Regierung war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Regierungssprecher Willy Nyamitwe sprach auf Twitter von einem "voreingenommenen Bericht", der sich "auf Gerüchte und Geschwätz" stütze.
Mitarbeit: Ines Gakiza, Eunice Wanjiru