Burundi-Krise: Zwei Jahre und kein Ende
27. April 2017Die Zahlen sprechen für sich: 3000 Tote, 1000 Entführungen und 8000 politische Gefangene - diese Bilanz zieht die burundische Opposition nach zwei Jahren Krise in Burundi. Jugendmilizen schüren weiter Angst. Besonders berüchtigt sind die Mitglieder der Bewegung Imbonerakure, bei der es sich offiziell um die Jugendliga der Regierungspartei CNDD/FDD handelt. Sie organisieren Märsche, rufen öffentlich zur Vergewaltigung auf. Als Präsident Pierre Nkurunziza vor zwei Jahren verkündete, sich für ein drittes Mandat zur Wahl zu stellen, brach der Protest los. Doch die Zeiten haben sich geändert.
"Die Leute gehen nicht mehr auf die Straße", sagt James Kanani, Bewohner des Stadtviertels Nyakabiga, einer Oppositionshochburg in der Hauptstadt Bujumbura. Ständig gebe es Polizeikontrollen - und das sei nicht alles. "Es vergeht kein Tag im Land, ohne dass Entführungen gemeldet werden. Immer wieder gibt es Tote." Der einzige Ausweg ist oft die Flucht: Mehr als 400.000 Menschen leben laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk im Exil in anderen Ländern der Region.
Am Rande des Bürgerkriegs
Besonders Jugendliche leben gefährlich: "In Bujumbura und auch in anderen Provinzen hat man versucht, sie auszumerzen", sagt Jean-Claude Karegeya, Kunsthandwerker aus Nyakabiga. Einige hätten es geschafft, zu fliehen. Von anderen fehle jede Spur. Eine tickende Zeitbombe: "Vielleicht haben sie sich Rebellengruppen angeschlossen. Irgendwann endet das vielleicht im Krieg."
Auch der Fotograf und Aktivist Teddy Mazina ist in Sorge: "Die Milizen, die Präsident Nkurunziza gebildet hat, verbreiten die gleichen Reden wie damals beim Völkermord in Ruanda. Die Situation ist explosiv." Er will, dass Deutschland kein Geld mehr in das Land schickt, denn es fülle lediglich die Taschen der Generäle, während die Bevölkerung Not leide. "Wir sind praktisch ein von Regierung, Polizei und Militär besetztes Land - der nationale Terror hat erreicht, dass niemand mehr reden will. Niemand kann sich frei bewegen, Menschen werden gefoltert und verschwinden", so Mazina im DW-Gespräch. Präsident Nkurunziza habe einen Kreis von Vertrauten um sich, die vehement abstritten, Menschen zu töten - und sie wiesen internationalen Vermittlern mit Beleidigungen die Tür.
Letzte Chance: Gipfeltreffen
Die nächste Gelegenheit, Lösungen für die verfahrene Situation in Burundi zu diskutieren, besteht am 10. Mai in der tansanischen Hauptstadt Dar es Salaam: Dort treffen sich die Länder der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) zum Gipfeltreffen. Thierry Vircoulon vom Französischen Institut für Internationale Beziehungen (ifri) sieht hierin eine letzte Chance des Dialogs: "Falls dann die Krise in Burundi nicht auf der Tagesordnung steht, würde das bedeuten: die Ostafrikanische Gemeinschaft hat es versäumt, etwas Sinnvolles gegen die sich zuspitzende Lage im Nachbarland zu tun."
"In den vergangenen zwei Jahren gab es keinerlei Dialog, nicht einmal den Ansatz eines Gesprächs zwischen beiden Gruppen", sagt Vircoulon im DW-Interview. Die diplomatischen Bemühungen laufen nach Ansicht des Ostafrika-Experten auch deshalb ins Leere, weil sich die verschiedenen Instanzen wie der UN-Sicherheitsrat, die Afrikanische Union und die afrikanischen Regionalbündnisse seit zwei Jahren gegenseitig die Verantwortung zuschieben. "Eine gespaltene internationale Organisation wie der Weltsicherheitsrat verlässt sich auf eine andere internationale Organisation wie die Ostafrikanische Gemeinschaft, um die Krise zu lösen. Das kann nicht funktionieren."
Vergessene Krise
Wenn die Ostafrikaner es nicht schafften, eine Entspannung der Situation herbeizuführen, gebe es keinen diplomatischen Prozess mehr, prophezeit Vircoulon. "Es ist eine vergessene Krise, mit der sich niemand wirklich beschäftigen will." Seine Prognose bis zum Jahresende: "Die Flüchtlingskrise wird schlimmer und die wirtschaftliche Notlage verschärft sich. Es gibt jetzt schon eine Malaria-Krise und Mangelernährung - es kann nur schlimmer werden, wenn die Ostafrikaner die Burundi-Krise nicht ernst nehmen", sagt Vircoulon. Er hält es für wahrscheinlich, dass Präsident Nkurunziza eine geplante Verfassungsänderung durchsetzt. Dann könnte er bis 2020 regieren.
Mitarbeit: Antéditeste Niragira, Daniel Pelz