Personalsuche bei der Bundeswehr
1. Juli 2011Die Bundeswehr setzt auf Spaß beim Kennenlernen. Ein 18-jähriger Schüler bekommt das schwere Marschgepäck des Heeres auf den Rücken geschnallt und soll zur Freude der umstehenden Jugendlichen ausprobieren, wie viele Liegestütze er damit schafft. 14 sind es. Er bekommt Beifall, dann will es der nächste versuchen. Dem Sieger winkt ein kleiner Preis. Nur wenige Meter weiter messen sich Jungen und Mädchen in einem Wissensquiz zur Bundeswehr. Nebenan lassen sich Interessierte vor einer grünen Wand fotografieren. Über einen digitalen technischen Trick erscheinen sie dann auf den Tragflächen eines Eurofighters, auf dem Deck des Segelschulschiffes "Gorch Fock" oder vor einem Panzer. Das Ganze gibt es zum Andenken als Foto.
Der Ort dieses bunten Treibens ist der Marktplatz von Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen. Es ist eine von über 20 Stationen einer Werbe- und Informationstour der Bundeswehr quer durch Deutschland. "Karrieretreff" heißt die Veranstaltung, auf der Wehrberater versuchen, das Interesse von jungen Leuten an der Bundeswehr zu wecken. Geworben wird nicht nur für die sechsmonatige Grundausbildung, sondern auch für eine längerfristige Bindung. Dazu parkt auf dem Marktplatz neben schweren Einsatzfahrzeugen ein Informationsbus. In kleinen Sitzecken werden darin Broschüren verteilt und einige erste Gespräche geführt. Fragen kommen vor allem zu Verdienst- und Karrieremöglichkeiten. Da erntet die Bundeswehr einiges Erstaunen. Der Sold für den freiwilligen Wehrdienst liegt inzwischen bei rund 700 Euro im Monat und bei längerem Engagement lockt die Ausbildung zu 60 Berufen, die im zivilen Leben alle voll anerkannt sind. Selbst 20 Studiengänge sind bei der Bundeswehr möglich.
Kooperation mit Schulen und Sportvereinen
Zur Informationsveranstaltung über den freiwilligen Wehrdienst wären allerdings die wenigsten Besucher tatsächlich freiwillig erschienen. Die meisten jungen Leute sind im Rahmen eines Schulausfluges mit Bussen gebracht worden. Viele Schulleitungen kooperieren mit der Bundeswehr im Rahmen von allgemeinen Berufsberatungswochen. Dasselbe gilt für Sportvereine, für die die Sportförderung der Bundeswehr attraktiv ist.
"Wir versuchen auf möglichst breiter Front präsent zu sein", erklärt Dennis Burkert, Wehrberater und Oberstleutnant der Luftwaffe. Er und seine Kollegen sind darum bemüht, den richtigen Mix an Bildungsniveau zu erreichen, das die Bundeswehr für die unterschiedlichen Anforderungen benötigt. "Die Bundeswehr als Ansammlung von kampfwütigen Einzelgängern aus sozialen Unterschichten ist ein Horrorszenario, das es so nicht gibt", betont Oberstleutnant Burkert. Interessenten an einem Dienst in der Bundeswehr gebe es in allen Schulformen in ähnlich hoher Anzahl.
"Kein Wunschkonzert"
Schon seit vielen Jahren gehört der Besuch von Wehrberatern direkt in den Schulen zur Standard-Personalgewinnung. Markus Baier hat sich diesmal in eine Realschule in den Eifelort Mechernich begeben und legt vor einer neunten Klasse mit seinen Informationen los. Zum Erstaunen der Schüler erzählt Baier sehr offen, dass er selbst ursprünglich nie Interesse an einer Laufbahn als Soldat hatte. Geändert habe sich das erst mit den Ausbildungsangeboten der Bundeswehr. Er sei eben auf den Geschmack gekommen. Darauf spekuliert Baier auch, wenn er in diesen Tagen über den Freiwilligendienst informiert, aus dem sich häufig ein längerfristiges Engagement ergebe. "Ich verzichte aber auf Werbesprüche. Das bringt gar nichts. Es zählen nur reine Informationen und viel Ehrlichkeit", erzählt Baier.
Auf ein flott geschnittenes Image-Video der Bundeswehr möchte Baier dann aber doch nicht verzichten. Es macht bei den Schülern einfach viel Eindruck. Nur einer fragt, ob die Wirklichkeit bei der Bundeswehr tatsächlich so schön sei wie in dem Film. Das sei Geschmackssache, entgegnet Baier dem Schüler. "Der Dienst bei der Bundeswehr ist aber kein Wunschkonzert", fährt Baier fort. Es gehe auch um mehr als "mit Kriegsbemalung durch Wälder zu schleichen". Immer wieder betont Baier, dass Teamarbeit wichtig sei. "Wir suchen nicht den Einzelgänger oder draufgängerischen Rambo-Typen." Neben guten Noten seien die körperliche Fitness und die richtige Disziplin wichtig. "Bei uns gibt es kein Partymachen. Um 22 Uhr ist Ruhe, weil um fünf Uhr Aufstehen angesagt ist." Da sehen sich eher die Mädchen in der Klasse ein bisschen betroffen an.
Zufriedenheit mit der Anzahl der Freiwilligen
Während Wehrberater Baier vor der Klasse spricht, hören trotz der klaren, nicht verlockend klingenden Ansagen die meisten der 25 Schüler und Schülerinnen aufmerksam zu. Am Ende der Informationsstunde gibt es eine Überraschung. Nicht die Gefahren eines möglichen Auslandseinsatzes, sondern der wahrscheinlich häufige Wechsel des Dienstortes innerhalb Deutschlands schreckt die meisten Schüler von einem weiteren Interesse ab. "Da bleib ich lieber bei meiner Familie in meinem Umfeld", heißt es bei vielen Schülern. Nur zwei Schüler können sich spontan vorstellen, den Freiwilligendienst einmal auszuprobieren. Sie sprechen ganz offen davon, dass es doch ein schönes Gefühl sein könnte, mit der Bundeswehr Menschen im Ausland zu helfen.
Wehrberater Baier ist zufrieden. Mehr hatte er nicht erwartet. Wie auch sein Kollege aus Mönchengladbach feststellt, gibt es offensichtlich ausreichend Bewerber trotz Freiwilligkeit. Für 1600 Offiziersstellen bewarben sich nach Bundeswehr-Angaben 9000 Interessierte.
"Immer mehr Frauen"
Alleine für den neuen Freiwilligendienst habe man im Umkreis von Mönchengladbach rund 15.000 junge Menschen angeschrieben. Darunter auch Mädchen, die bereits seit 2002 freiwillig in die Bundeswehr eintreten dürfen. Von den 15.000 hätten sich rund 1000 zurückgemeldet. 600 hätten den körperlichen und psychologischen Eignungstest durchlaufen. 125 würden den Freiwilligendienst zum 1. Juli 2011 antreten. Vor 20 Jahren umfasste die Bundeswehr noch knapp 500.000 Mann. Künftig soll die Truppe auf 185.000 schrumpfen. Die Leiterin des Kreiswehrersatzamtes Köln, Ingrid Herden, schwärmt: "Die Atmosphäre im Haus hat sich deutlich verbessert." Es kommen jetzt nur noch die, die wirklich wollen." Darunter sind auch immer mehr Frauen.
Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Klaudia Prevezanos