Mit Verspätung nach Mogadischu
20. März 2014Etwas mehr als 2100 Kilometer sind es von Bihanga in Uganda bis Mogadischu. An der Distanz lag es nicht, dass die Bundeswehr im Dezember 2013 nicht in die somalische Hauptstadt umzog. Zum Jahreswechsel endete das deutsche Engagement im Rahmen der EU-Ausbildungsmission somalischer Streitkräfte (EUTM Somalia). Zu unsicher sei die Sicherheitslage in Somalia, hieß es damals.
Nun sollen die deutschen Soldaten doch an der Mission teilnehmen. Die Bundesregierung gab am Mittwoch (19.03.2014) grünes Licht für den Einsatz deutscher Soldaten in dem von jahrzehntelangem Bürgerkrieg zerstörten Land. Bis zu 20 Bundeswehrsoldaten sollen künftig das bis zu 125-köpfige EU-Aufgebot in Mogadischu bei der Ausbildung und Beratung der somalischen Streitkräfte unterstützen. Diese sollen dann in Zukunft die Sicherheit im Land alleine gewährleisten.
"Der Aufbau der somalischen Streitkräfte fördert die nachhaltige Befriedung und Stabilisierung Somalias und damit der weiteren Region", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert nach der Kabinettssitzung.
Fragile Sicherheitslage
Von Stabilität und Frieden sei Somalia aber noch weit entfernt, sagt der Politologe und Somalia-Kenner Mathias Weber: "Die somalische Armee ist noch keine schlagkräftige Truppe, die jetzt das ganze Land befrieden könnte. Immer noch bekriegen sich verschiedene Kräfte im Land. In der Regierung gibt es Streitigkeiten."
Auch die Sicherheitslage in der Hauptstadt ist weiterhin prekär. Anschläge stehen in Somalia nach wie vor auf der Tagesordnung: "Die Lage in Mogadischu ist zwar deutlich besser als in den Vorjahren", sagt Mathias Weber, "man muss aber dennoch tagtäglich mit Anschlägen rechnen. Vor allem in Hotels oder in den Bereichen, wo sich Ausländer aufhalten."
Mehr Armee, mehr Sicherheit?
Dennoch könnten bereits in wenigen Wochen die ersten deutschen Militärberater in Richtung Somalia aufbrechen. Da die Planungen der EU-Truppen Ende 2013 nicht von einer deutschen Beteiligung ausgingen, wird die Obergrenze von 20 Bundeswehrsoldaten in den nächsten Monaten wohl nicht erreicht.
Vor allem in einem streng geschützten Bereich am Rand des Hauptstadtflughafens sollen sich die Bundeswehrsoldaten aufhalten. Zum Trainingsgelände am südlichen Stadtrand fahren die Ausbilder in gepanzerten Fahrzeugen, geschützt von Truppen der Afrikanischen Union (AU).
Zwischen 12.000 und 15.000 Soldaten umfasst die somalische Armee inzwischen insgesamt, so eine grobe Schätzung aus dem Bundesverteidigungsministerium. Nachdem seit 2010 mehr als 3600 somalische Soldaten im Rahmen der EU-Mission geschult wurden, liegt der Fokus des Einsatzes in Mogadischu nun vor allem auf dem Training somalischer Militärausbilder.
Zum Auftrag der Bundeswehr gehöre neben der Ausbildung somalischer Führungskräfte aber auch die Beratung des somalischen Generalstabs und des Verteidigungsministeriums in organisatorischen Fragen, sagte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums.
Clanstruktur und Sold
Denn besonders die Organisation der somalischen Armee bereitet noch Probleme. Eines dieser Probleme bestehe durch die Clanstruktur des Landes, sagt Mathias Weber. Sie stehe einer nationalen Armee im Wege: "Die Somalis sehen Somalia nicht als gemeinsames Land und die Streitkräfte daher nicht als gemeinsame Armee. In erster Linie werden sie immer ihrem Clan dienen, dem sie sich verpflichtet fühlen." Im Augenblick rekrutiere sich die somalische Armee vorwiegend aus einem Clan, ergänzt Annette Weber, langjährige Somalia-Beobachterin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP). Sollte die Armee nicht alle Regionen des Landes repräsentieren, fehle es an Rückhalt innerhalb der Bevölkerung.
Ein weiteres Problem ist die Bindungskraft der Armee und damit verbunden die Zahlung von Sold. Die EU-Mission hatte daher zunächst eine Bestandsaufnahme der somalischen Armee durchgeführt. Inzwischen ist jeder Soldat namentlich registriert, mit dem Ziel, dass jeder Soldat auch Sold erhält. In der Vergangenheit wurden die Armeeangehörigen über die direkten Vorgesetzten entlohnt, die teilweise nach eigenem Ermessen verteilten. Nun soll garantiert werden, dass das Geld auch bei jedem Soldaten ankommt. Der regelmäßige Lohn soll wiederum verhindern, dass die Soldaten zu besser bezahlenden Gruppierungen überlaufen.
Kampf gegen Al-Shabaab
Dazu gehörte in der Vergangenheit auch die Terrorgruppe Al-Shabaab (arabisch für "die Jungen"), die über Jahre weite Teile Somalias kontrollierte. Die Shabaab gilt als regionaler Zweig von Al-Kaida und erfreute sich lange über massiven Zulauf aus einer vom Bürgerkrieg gebeutelten Bevölkerung.
Die AU ist inzwischen mit einer rund 22.000 Mann starken Eingreiftruppe (AMISOM) im Land, um das somalische Militär in diesem Kampf zu unterstützen. Gemeinsam mit AMISOM drängte das somalische Militär die islamistischen Kämpfer zuletzt aus Mogadischu und anderen größeren Städten zurück. Derzeit läuft eine große Offensive im Zentrum und Süden des Landes.
Still und leise will die Al-Shaabab sich aber nicht geschlagen geben. Die Terrororganisation habe deutlich an Truppenstärke eingebüßt, sagt Annette Weber von der SWP. Von einst etwa 3000 schätzt sie die Zahl der islamistischen Kämpfer im Land derzeit auf etwa 1000. Damit verbunden sei ein Wechsel in der Vorgehensweise der Miliz: "Regionen Somalias zu kontrollieren ist nicht mehr das Ziel", so Annette Weber. "Die Taktik ist ganz klar: Mehr asymmetrische Kriegsführung, mehr Selbstmordattentate, mehr Terror."
Grund zur Sorge bestehe daher auch für die deutschen Truppen, sagt Mathias Weber: "Deutsche Soldaten sind ein lohnendes Ziel für die Al-Shabaab." Vor allem aus Propagandagründen: "Wenn Al-Shabaab einen Bombenanschlag auf deutsche Soldaten verübt, kann sie sicher sein, dass das durch die ganze Weltpresse geht."
Im Februar sorgte ein Anschlag der Al-Shabaab auf den Präsidentenpalast in Mogadischu, die sogenannte Villa Somalia, für Schlagzeilen. Bei dem Angriff kamen mindestens elf Menschen ums Leben - unter ihnen ein Minister und ein ehemaliger Geheimdienstchef. Der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud kam mit dem Schrecken davon.