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Politik

Bundestag arbeitet Anschlag von Hanau auf

5. März 2020

Das rassistisch motivierte Verbrechen mit elf Toten nahmen Parlamentspräsident Schäuble und viele Abgeordnete zum Anlass, um einmal mehr einen entschiedenen Kampf gegen Rechtsextremismus zu fordern.

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Berlin | Bundestag: Genken der Opfern des Anschlags von Hanau
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat in scharfen Worten vor der Gefahr durch Terror von Rechts gewarnt. In einer Rede zum Auftakt der Bundestagsdebatte über den rassistisch motivierten Anschlag von Hanau betonte der CDU-Politiker: "Solche Wahnsinnstaten geschehen nicht im luftleeren Raum." Sie entstünden "in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima, in dem das Ressentiment gegenüber dem Fremden und die abwegigsten Verschwörungstheorien geschürt werden". Dies gehe so lange, "bis Minderheiten als Bedrohung empfunden und in sozialen Netzwerken Hetzjagden oder sogar Morde von perversen Beifallskundgebungen begleitet werden".

"Lange Spur mörderischer Übergriffe"

Weiter sagte Schäuble, dass Betroffenheit längst nicht mehr reiche. "Hanau fordert vor allem: Aufrichtigkeit".  Der deutsche Staat müsse sich eingestehen, die rechtsextremistische Gefahr zu lange unterschätzt zu haben. "Die lange Spur mörderischer Übergriffe, die Einzeltäter und Gruppen durch Deutschland ziehen, zeigt: Das ist Terrorismus", so der Bundestagspräsident. Die entschiedene Antwort müsse nun sein, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln radikale Netzwerke aufzudecken und rechtsextremistische Vereinigungen zu zerschlagen. Der Staat müsse "endlich besser werden bei der konsequenten Durchsetzung des Rechts".

Das Thema Islamfeindlichkeit sprach Schäuble indirekt an: "Nichts rechtfertigt, Menschen wegen ihrer Herkunft oder ihres Glaubens herabzusetzen, zu verunglimpfen, zu verfolgen, anzugreifen." Er warnte allerdings auch vor vorschnellen Zuordnungen: "Wer sich angesichts eines als überfordernd empfundenen gesellschaftlichen Wandels auf der Verliererseite wähnt, ist noch kein Rassist." Fremdheitsgefühle müssten auch ernst genommen werden.

"Sie haben den Boden bereitet"

In Hanau in Hessen hatte am 19. Februar ein 43-jähriger Mann aus offensichtlich rassistischen Motiven neun Menschen mit ausländischen Wurzeln getötet. Später wurden er und seine Mutter zu Hause tot aufgefunden. An der Bundestagssitzung nahmen auch Angehörige der Opfer teil, außerdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. In seiner Ansprache nannte Schäuble die Namen der Opfer, das Parlament erhob sich zu einem kurzen Gedenkmoment.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verfolgte von der Besuchertribüne aus die Parlamentsdebatte (Foto: Getty Images/AFP/T. Schwarz)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verfolgte von der Besuchertribüne aus die ParlamentsdebatteBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

In der anschließenden Aussprache betonte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus, die Tat von Hanau sei ein Anschlag auf die Demokratie und den "Kern unseres Staates". Es sei erschütternd, dass Menschen glaubten, der Staat könne sie nicht mehr schützen. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, griff konkret die AfD an. Es handle sich in Hanau vielleicht um einen Einzeltäter, der aber getragen werde von einem System von Hetze. Eine Spur führe auch hinein in den Bundestag, die AfD sei ein Komplize. Den Abgeordneten der rechtspopulistischen Partei rief Mützenich zu: "Sie haben den Boden bereitet, Sie haben sich schuldig gemacht."

Mützenich reagierte damit unter anderem auf einen Debattenbeitrag des AfD-Abgeordneten Roland Hartwig. Dieser hatte für seine Partei jede Schuldzuweisung für rechtsextreme Gewalt scharf zurückgewiesen. Er verwies vielmehr auf eine gesellschaftlich Spaltung im Land, für die die anderen Parteien verantwortlich seien. "Wenn extremistische Tendenzen in einer Gesellschaft erstarken, dann läuft für alle erkennbar etwas grundsätzlich schief. Dann muss sich vor allem die Politik fragen, was sie falsch gemacht hat", so Hartwig. 

"Aufstand der Zuständigen" 

Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour verlangte einen "Aufstand der Zuständigen." Es brauche Institutionen, die gegen Rassismus aufständen. Nouripour begrüßte, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betone, die größte Gefahr drohe derzeit von rechts. "Rassismus tötet, aber vorher grenzt er aus", sagte der Grüne. "Hier sitzen gerade im Raum viele Kolleginnen und Kollegen, die mit dem Tode bedroht werden aufgrund ihrer Herkunft, auch ich."

Der AfD-Abgerodnete Hartwig wies jede Verantwortung seiner Partei für rechtsextremistischen Terror zurück (Foto: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld)
Der AfD-Abgerodnete Hartwig wies jede Verantwortung seiner Partei für rechtsextremistischen Terror zurückBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Im Interview mit der Deutschen Welle lobte die SPD-Abgeordnete Aydan Özoguz, alle Parteien - bis auf die AfD - hätten die Meinung vertreten, die Tat von Hanau sei ein Angriff auf die Demokratie und die gesamte Gesellschaft gewesen, nicht nur auf einzelne Gruppen. Die Sitzung im Bundestag hielt sie für wichtig, um "nicht nur den [betroffenen] Familien zu zeigen, dass wir zusammenstehen und den Rassismus in unserem Land sehen". Laut Özoguz sollten alle Innenpolitiker eingestehen, dass sie sich bisher mehr mit religiösem Extremismus beschäftigt hätten, nicht so sehr mit rechtsgerichtetem Extremismus. Özoguz war bis 2018 die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.

sti/ust/djo (afp, dpa, epd, dw)