Gauck kritisiert "Exzesse" bei Banken
9. April 2014Knapp sechs Jahre nach dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise hat Bundespräsident Joachim Gauck auf einem Kongress in Berlin den Bankern ins Gewissen geredet. "Die Abkehr von Tugenden der Sozialen Marktwirtschaft hat das Vertrauen der Bürger in die Banken erschüttert", sagte Gauck auf dem 20. Deutschen Bankentag in Berlin. "Und, ehrlich gesagt: Angesichts mancher Exzesse verstehe ich das."
Gauck, der sich als Bundespräsident bislang kaum zur Finanzbranche geäußert hat, kritisierte vor allem falsche Anreize im Bonussystem, übersteigerte Gewinnansprüche und verantwortungsloses Verhalten zulasten Dritter. "Auch wo nicht gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde, war manches Geschäft ethisch fragwürdig, manches Risiko unvertretbar hoch", betonte der Bundespräsident. Weltweit müssen sich Institute und Spitzenbanker juristisch wegen diverser Skandale verantworten, darunter auch die Deutsche Bank.
"Gemischte" Zwischenbilanz
Sein Zwischenfazit sieben Jahre nach Beginn der Finanzkrise falle "gemischt" aus, betonte das deutsche Staatsoberhaupt. "Fehler sind erkannt, politische und unternehmerische Reformen auf dem Weg." Dieser Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen. Banken müssten sich im Umgang mit den Kunden um Transparenz bemühen: "Sie müssen ihr Handeln erklären können, Chancen und Risiken offenlegen - und zwar nicht nur im Kleingedruckten, sondern im Klartext."
Gauck ermunterte allerdings auch die Bürger, sich intensiver mit den Grundlagen des Finanz- und Wirtschaftssystems auseinanderzusetzen. "Wer die Quellen unseres Wohlstands verstehen, persönliche Chancen nutzen und Risiken einschätzen will, der muss sich informieren und in Finanzfragen kompetenter werden", forderte der Präsident. "Er darf sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass man über Geld nicht spricht." Zum informierten Bürger gehöre "eine ökonomische Grundbildung", sagte Gauck. Studien belegten, "dass viele Deutsche hier Nachholbedarf haben".
Fitschen gibt Fehler zu
Nach der Standpauke Gaucks räumte Bankenverbands-Präsident Jürgen Fitschen Fehler der Branche ein. "Wir Banker wissen auch, dass wir in der Vergangenheit von den Freiheiten, die man uns eingeräumt hat, nicht immer verantwortungsvollen und weitsichtigen Gebrauch gemacht haben." Sechs Jahre nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers rechnet Fitschen, der auch Chef der Deutschen Bank ist, mit weiteren Pleiten in der Branche. "Längst nicht alle europäischen Banken werden über ein nachhaltig tragfähiges Geschäftsmodell verfügen", sagte Fitschen.
Der angelaufene Bilanz-Check und der Stresstest durch die Europäische Zentralbank (EZB) schafften die Voraussetzungen, schwächelnde Institute - wenn sinnvoll - mit neuem Kapital auszustatten. Umgekehrt müssten Banken, die sich als nicht überlebensfähig erweisen, aber auch abgewickelt oder von Konkurrenten geschluckt werden können. Nur ein konsolidierter Bankenmarkt könne sicherstellen, dass die Kreditvergabe wieder anziehe und Europa seine Krise überwinde.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble appellierte an die Branche, gemeinsam mit der Regierung nach Lösungen zu suchen. Er versprach den Bankmanagern, alle weiteren Regulierungsschritte "im Dialog mit ihnen zu tun". Dabei sollten die Banken ihre Energie und Kompetenz aber "nicht zu sehr nur in der Vertretung ihrer kurzfristigen Interessen und die Abwehr neuer Regulierung stecken". Vielmehr sollten "wir uns gemeinsam darum bemühen, eine optimale Finanzmarktordnung zustande zu bringen", so der CDU-Politiker.
kle/sti (rtr, afp, dpa)