Haushalt 2019: Zu wenig Geld für Entwicklung?
14. September 2018Eigentlich könnte Gerd Müller zufrieden sein. Auch 2019 soll sein Ministerium wieder mehr Geld bekommen, 9,75 Milliarden Euro sind vorgesehen. Doch von Zufriedenheit keine Spur, als Müller bei der Haushaltsdebatte am Mittwochnachmittag vor den spärlich besetzten Bundestag tritt.
Mit ernster Mine erinnert der Minister an die wachsende Zahl humanitärer Krisen in der Welt, von Syrien bis zum Tschad. Reiche Länder hätten eine besondere Verantwortung, mahnt er: "Wie können wir Krisen, Armut und Kriege verhindern? Diese Frage muss sich in der Haushaltsberatung vor allem der Finanzminister stellen, aber auch wir, wenn wir auf den Entwicklungshaushalt des reichsten europäischen Landes blicken", sagt Müller.
Es ist ein ganz anderer Auftritt als in den Vorjahren, als ein zufriedener Minister vor den Abgeordneten stand. "Ich sage allen, die in ihrer Rede Fluchtursachenbekämpfung fordern: Ich kann dringende Programme nicht finanzieren", sagt Müller jetzt. Denn trotz aller Not in der Welt - der Entwicklungshaushalt soll nur moderat um 284 Millionen Euro steigen.
Selbst Kritiker pflichten Müller bei
Nicht nur der Minister findet: Das ist viel zu wenig. Bei der Haushaltsdebatte bekommt er ungewohnten Zuspruch. Selbst Abgeordnete der Linken, sonst eher Müller-Kritiker, stimmen in diesem Punkt zu. Die linke Entwicklungspolitikerin Helin Sommer erinnert an die sogenannte ODA-Quote: Seit rund 40 Jahren verpflichten sich Industrieländer, mindestens 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Eingehalten wird das selten.
In Deutschland könnte die Quote kommendes Jahr von aktuell 0,5 sogar auf 0,48 Prozent absinken. Dagegen würden die Rüstungsausgaben 15 Mal so viel steigen wie die Entwicklungshilfe, sagt Sommer. "15 :1 ist vielleicht ein tolles Ergebnis bei einem Länderspiel, aber in diesem Fall moralisch falsch und wirtschaftlich unvernünftig", sagt sie in der Debatte.
"Wir halten das für einen Verstoß gegen Versprechen, die die Bundesregierung gemacht hat. Im Koalitionsvertrag steht, dass die ODA-Quote nicht unter 0,5 Prozent sinken soll. Das wird mit den Mitteln nicht eingehalten, die für 2019 vorgesehen sind", sagt auch Heike Spielmans, Geschäftsführerin des entwicklungspolitischen Dachverbands VENRO im DW-Interview.
Doch wenn es um den inhaltlichen Kurs des Entwicklungsministeriums geht, ist die Einigkeit schnell wieder vorbei - nicht nur bei der Haushaltsdebatte. 60 Prozent des Etats für das kommenden Jahres werden nach Angaben des FDP-Entwicklungspolitikers Christoph Hoffmann für bilaterale Projekte ausgegeben. Er hält den Ansatz für falsch: Zu viel Geld ginge durch Korruption und schlechte Regierungsführung in den Empfängerländern verloren. "Wir müssen mehr multilaterale Programme auflegen, weil wir uns bilateral nicht gegen Staaten mit schlechter Regierungsführung werden durchsetzen können. Das heißt, in multilaterale Programme der EU oder der Vereinten Nationen sollten mehr Mittel fließen", so Hoffmann zur DW.
Umstrittene Afrika-Konzepte
Umstritten sind auch Pläne Müllers, Privatinvestitionen deutscher Firmen in Afrika stärker fördern zu wollen. Dadurch, so das Kalkül im Ministerium, könnten dringend benötigte Arbeitsplätze entstehen. Positiver Nebeneffekt: Die Migration nach Europa könnte gebremst werden. "Auf das Thema Privatinvestitionen wird derzeit ein großer Akzent gelegt: Mehr private Mittel sollen für Entwicklung mobilisiert werden. Wir finden das im Ansatz richtig, wenn diese Mittel am Ende wirklich der Entwicklung der Länder dienen und den armen Menschen dort zugute kommen", so VENRO-Geschäftsführerin Spielmans. Kritiker fürchten dagegen, dass vor allem Unternehmen profitieren könnten: Mit staatlicher Hilfe könnten sie Zugang zu lukrativen Märkten bekommen, ohne dass die Bevölkerung profitiert.
Der Wirtschaft hingegen geht es nicht schnell genug: Viele Ankündigungen des Ministers und der übrigen Bundesregierung stammen aus dem letzten Jahr, Unternehmensvertreter kritisieren das langsame Umsetzungstempo. Zurzeit gibt es eine Vielzahl von Regierungskonzepten: Den "Marshallplan mit Afrika" aus dem Entwicklungsministerium, den "Compact with Africa" von Finanzministerium und Müller-Ministerium, außerdem "ProAfrika" aus dem Wirtschaftsministerium. Arbeitskreise tüfteln derzeit an einem gemeinsamen Afrika-Konzept, doch konkrete Vorschläge sind noch immer nicht bekannt. Am 30. Oktober will Müller Grundzüge eines Wirtschaftsförderungsprogramms für Afrika vorstellen. Der Zeitpunkt ist gut gewählt: Am gleichen Tag plant die Bundesregierung eine hochrangige besetzte Investoren-Konferenz, an der auch Staats- und Regierungschefs aus Afrika teilnehmen sollen.