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Bullmann: "Das dauert zu lange"

Bernd Riegert23. Mai 2013

Nach dem EU-Gipfel gegen Steuerbetrug ist der Finanzexperte der SPD im Europäischen Parlament, Udo Bullmann, nicht zufrieden. Im DW-Interview fordert er mehr Steuergerechtigkeit in Europa.

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Udo Bullmann, Abgeordneter im Europäischen Parlament, SPD, Vorsitzender der SPD-Gruppe, Aufgenommen in seinem Büro in Brüssel 18.10.2012. Bild: Bernd Riegert, Deutsche Welle
Bild: DW/Bernd Riegert

Deutsche Welle: Die Staats- und Regierungschefs der EU haben beschlossen, von 2015 an europaweit die Daten über Zinseinkünfte an die Steuerbehörden zu übermitteln. So soll Steuerbetrug bekämpft werden. Eine entsprechende EU-Richtlinie gibt es schon seit 2005. Österreich und Luxemburg haben ihren Widerstand jetzt aufgegeben. Nach zehn Jahren soll die Richtlinie nun umgesetzt werden. Das ist doch eigentlich eine gute Nachricht. Herr Bullmann, sind Sie zufrieden mit den Gipfelbeschlüssen?

Udo Bullmann: Es tut mir Leid, aber ich bin nicht zufrieden. Mir sind da viel zu viele Fragezeichen und aufschiebende Wirkungen in den Vereinbarungen. Mein Grundproblem ist: Die Staats- und Regierungschefs haben immer noch nicht begriffen, dass die Menschen in Europa nicht länger akzeptieren, dass Steuern nur von denen gezahlt werden, die nicht weglaufen können oder die zu anständig sind zum Weglaufen. Wir warten schon lange auf eine gemeinsame europäische Steuerpraxis. Bei der Zinssteuer-Richtlinie sagen Luxemburg und Österreich weiterhin, wir brauchen noch Zeit um eine gemeinsame Praxis zu finden. Sie knüpfen es an Bedingungen. Erst wenn Drittstaaten, also die Schweiz und Liechtenstein, ähnlich agieren wie die Europäische Union, sind Österreich und Luxemburg bereit, Informationen an die Parnterländer zu geben. All das ist nicht akzeptabel.

Die Staats- und Regierungschefs haben sich geeinigt, die Zinssteuer-Richtlinie und den automatischen Datenaustausch nicht nur auf Personen, sondern auch auf Kapitalgesellschaften und Wirtschaftsunternehmen auszuweiten. Ist das denn wenigstens ein Erfolg?

Das ist dringend erforderlich, weil es kann ja nicht sein, dass nur die "Dummen" gefasst werden, also jemand, der ein Sparbuch anlegt. Jemand, der eine Lebensversicherung oder Kapitalerträge im Ausland realisiert, soll nicht ungeschoren davonkommen. Die bisherige Praxis ist voller Löcher. Die muss abgestellt werden. Das Problem, das wir immer noch haben, ist, dass die EU von Drittstaaten nur das verlangen kann, was sie intern selbst anwendet. Wenn die Luxemburger sagen, sie sind nur dann bereit, Informationen herauszugeben, wenn das auch in Abkommen mit Drittstaaten geregelt ist, dann kehren sie den Spieß um. Das führt wieder zu Verzögerungen. Man muss da endlich einmal klare Kante machen: Die EU hat eine Praxis. Dann wächst auch das Gewicht der EU, das wir gegenüber Drittstaaten geltend machen können.

Ist die eine Praxis in Steuerfragen nicht Illusion? Bei der Steuerpolitik sind die 27 Mitgliedsstaaten alleine zuständig, das heißt jeder kann machen, was er will, wenn es um Steuersätze und die Besteuerungsgrundlage geht. Glauben Sie, dass man sich da auf den Weg zu einheitlichen Regeln machen wird?

Also bei der Zinsbesteuerung geht es erst einmal darum, den Steuerbetrug abstellen. Wenn das geschafft ist, ist das ein Fortschritt. Daneben muss auch Schluss sein mit der Praxis, dass große Unternehmen oder transnationale Unternehmen sich immer den Ort aussuchen, wo sie keine oder nur geringe Steuern zahlen und ihre Gewinne dorthin transferieren. Auf diese Weise zahlt der ehrliche Mittelständler und der ehrliche Arbeitnehmer Steuern, aber die großen Konzerne zahlen keine mehr. Und das geht nicht. Deshalb brauchen wir natürlich auch eine Praxis, wo Land für Land auch einmal veröffentlicht wird, wer wo welche Gewinne macht und wer wo welche Steuern zahlt. Dazu eine Liste, wo man gegebenenfalls sogar noch Subventionen nachreicht. Erst dann können wir von Steuergerechtigkeit sprechen.

Die Staaten der Europäischen Union konkurrieren untereinander mit ihren Steuermodellen, mit ihren Steuersätzen. Wird man das abschaffen können? Dann müsste man ja einen einheitlichen Steuersatz in allen Mitgliedsländern haben?

Es wäre ein Fortschritt, wenn wir die gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Steuern endlich einführen könnten. Dann wüssten wir wenigstens, wie hoch die Steuersätze wirklich sind. Das wissen wir im Moment ja gar nicht durch die vielen Ausnahmeregelungen. Das wäre der erste Schritt. Und warum nicht im zweiten Schritt Korridore für die Besteuerung einführen, so wie wir das bei der Mehrwertsteuer auch haben? In diesen Korridoren können sich die Mitgliedsstaaten dann bewegen, je nach Tradition, Vorliebe oder wirtschaftlicher Entwicklung. Das wäre ein großer Fortschritt, weil dann große Unternehmen, die große Gewinne machen, ihre Steuern nicht weiter am Gemeinwesen vorbei schieben könnten. Denn es kann nicht sein, dass am Ende die Arbeitnehmer die Veranstaltung alleine bezahlen.

Udo Bullmann (56 ) ist seit 2012 Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament. Der hessische Sozialdemokrat sieht seinen Schwerpunkt bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Seit 1999 gehört der studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaflter dem Europäischen Parlament an.