Britanniens Konservative kämpfen mit sich selbst
4. Mai 2005Die Konservativen regierten im 20. Jahrhundert zu mehr als zwei Drittel der Zeit; die letzte lange Phase konservativer Dominanz unter Margaret Thatcher und John Major dauerte von 1979 bis 1997. Die Krise, die der Partei dann eine verheerende Wahlniederlage und den Verlust der Macht einbrachte, scheint auch unter der Ägide von Parteiführer Michael Howard nicht überwunden zu sein.
Abgrenzung nicht geschafft
Zum ersten fällt es den Konservativen schwer, sich gegenüber der regierenden Labour Party zu profilieren. In der Domäne der Tories, der Wirtschaftspolitik, hat Labour weitgehend den marktliberalen Kurs ihrer Vorgängerregierungen erfolgreich fortgeführt, jedoch mit sozialdemokratischem Anstrich: Der Staat hat unter Tony Blair eine aktive Rolle eingenommen und möglichst vielen Bürgern den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht, etwa durch verstärkte Ausgaben im Bildungs- und Fortbildungsbereich. Die Konservativen möchten den Staat gerne noch stärker aus diesen Politikfeldern zurückdrängen. In der Öffentlichkeit wird dies mehrheitlich mit Skepsis aufgenommen.
In der Europapolitik fällt es der Partei weiterhin schwer, ihre tiefe Zerstrittenheit hinter sich zu lassen. Die Parteiführung hat sich zwar seit einigen Jahren auf einen europaskeptischen Kurs festgelegt. Eine starke Minderheit in der Partei hält diese Richtung jedoch für falsch. Zudem bemühen sich die Konservativen um einen moderaten Euroskeptizismus - diese Position wird in der Öffentlichkeit von immer radikaleren Europagegnern unterminiert.
Zu viele Splittergruppen
Zum zweiten sind die Konservativen seit den frühen 1990ern gespalten in eine Vielzahl von Gruppen. Alle haben ihre eigenen Führungskader, ihre eigenen Publikationen und Treffen sowie ihre spezifischen Positionen zu Fragen der Wirtschafts-, Sozial- oder Europapolitik. Auch wenn dieses Phänomen in anderen britischen Parteien nicht unbekannt ist, besitzt es doch bei den Konservativen eine andere Brisanz . Der Parteiführer und sein Schattenkabinett besitzen derzeit nur eine sehr bedingte Loyalität in der Gesamtpartei.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Schwierigkeiten die Conservative Party im Wahlkampf hat und welche Hoffnungen sie sich macht.
Es fehlt nicht nur das gemeinsame politische Ziel, das die Partei einen könnte. Die Konservativen haben auch ein Führungsproblem. Ihr parlamentarischer Parteiführer besitzt eine Machtfülle, die bei kaum einer anderen Partei in Westeuropa gegeben ist. Er hat nahezu unbeschränkte Kompetenzen, das Personal, die Strategie und die Programmatik zu bestimmen.
Seit 1997 ist Michael Howard, der frühere Innenminister unter John Major, bereits der dritte Lenker seiner Partei. Wie seine beiden Vorgänger ist Howard jedoch blass geblieben, selbst in den schlimmsten Krisen der Regierung Blair.
Das 0:2 soll ein Sieg werden
Der Wahlkampf der Tories 2005 scheint all diese Probleme zu bestätigen. Michael Howard steht stark im Vordergrund der Kampagne, ohne jedoch an Popularität zugelegt zu haben. Der Wahlkampf war ursprünglich auf fünf Themen angelegt: Begrenzung der Immigration, niedrige Steuern, bessere Krankenhäuser, bessere Schulen und mehr Polizei. Jedoch wurde er in aggressiver Form auf das Thema der Einwanderung zugeschnitten. Sobald sich in Umfragen zeigte, dass diese Strategie Wähler aus der Mittelschicht eher abschreckte, begannen parteiinterne Gegner Howards, die Ausrichtung des Wahlkampfes und damit ihren eigenen Spitzenmann zu kritisieren.
Noch hofft die Partei, aus dem "0:2 zur Pause" (so Howard kürzlich) noch einen Sieg zu machen. Hinter den Kulissen scheint man jedoch bereits froh zu sein, wenn man einige Sitze hinzugewinnen und den Abstand zu Labour verkleinern sowie die Liberal Democrates auf Abstand halten kann. Die Zeichen stehen auf eine personelle wie programmatische Neuorientierung im Hinblick auf 2009.
Klaus Detterbeck
Dr. Klaus Detterbeck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg. Er beschäftigt sich vornehmlich mit den Parteien und Parteisystemen in Westeuropa, mit Föderalismus und Regionalismus sowie der Dynamik der europäischen
Integration.