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Labour Party in Reformlaune

4. Mai 2005

Entscheidende Weichen hat Labour in Großbritannien lange nicht mehr gestellt - jetzt kündigt sie Sozialreformen an. Was will die Partei von Premier Tony Blair sonst noch kurz vor den Parlamentswahlen?

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Wahlkampfduo: Tony Blair (l.) und Gordon BrownBild: AP

Tony Blair ist der erste Politiker der "Labour Party", der es geschafft hat, zwei volle Amtszeiten als Premierminister zu regieren. Nach den jüngsten Umfragedaten liegt eine dritte Amtszeit in greifbarer Nähe. Wenig aber ist geblieben von der Aufbruchstimmung der Wahl 1997, die "New Labour" mit überwältigender Mehrheit (419 von 650 Sitzen) gewann, und der Euphorie der ersten Phase der Regierung Blair, die mit einem neuen Kurs in der Europapolitik, der Unabhängigkeit der Zentralbank und einer Reihe weiterer Reformen das Vereinigte Königreich veränderte.

Die zweite Regierungsphase nach dem Wahlsieg 2001 war überschattet von den Debatten und Affären um den Irak-Krieg; weder innenpolitisch noch europapolitisch konnte die Labour-Regierung entscheidende Weichenstellungen vornehmen. So geht es der Labour-Partei vor allem darum, bei den Wählern wieder Vertrauen in den Premier Blair und sein Kabinett aufzubauen.

Gesundheit: Mehr Wettbewerb, mehr Förderung

Zum einen versucht Labour deutlich zu sagen, wofür die Partei eine dritte Amtszeit nutzen will. Im Mittelpunkt steht dabei eine Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen, vor allem in den Bereichen Erziehung und Gesundheit: verstärkte Wahlmöglichkeiten für die Bürger, mehr Wettbewerb zwischen den Anbietern und gezielte staatliche Förderung lauten die Versprechungen. Die Labour Party verweist dabei auf ihre wirtschaftspolitischen Erfolge - geringe Arbeitslosigkeit, geringe Inflation und moderates Wachstum. Sie sollen genutzt werden, um einen modernen, stärker marktliberal geprägten Wohlfahrtsstaat zu finanzieren.

Schützenhilfe vom Finanzminister

Zum anderen setzt Labour sehr stark auf das Tandem Tony Blair und Gordon Brown, die im Wahlkampf nahezu gleichberechtigt auftreten. Damit nutzt Labour die Popularität des Finanzministers, um das Vertrauensproblem des Premiers zu kompensieren. Die Spannungen zwischen den beiden scheinen vorerst vom Tisch. Blair wird 2005 zum letzten Mal bei einer Wahl antreten - es ist aber noch offen, ob er bereits vor Ablauf der dritten Amtszeit seinen Stuhl räumen wird.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob Tony Blair den Gegenwind aus den eigenen Reihen überstehen kann und welche Probleme noch auf ihn warten.

Innerhalb von Fraktion und Partei haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder deutliche Widerstände gegen den Kurs der Führung gezeigt, etwa bei den Themen Irak-Krieg, Sozialreformen oder Studiengebühren.

Dennoch ist momentan von keiner starken innerparteilichen Opposition gegen Blair auszugehen. Nicht nur das britische Regierungssystem, das nach wie vor von einer starken Dominanz der Exekutive geprägt ist, spricht für eine ungefährdete Stellung des amtierenden Premiers. Auch die Strukturen der Labour Party, die seit internen Reformen ab den 1980ern von einem deutlichen Machtzuwachs der parlamentarischen Parteiführung und einer Schwächung der angeschlossenen Gewerkschaften geprägt sind, kommen ihm zugute.

Wahlen in Großbritannien Tony Blair
Premier Tony Blair: Großbritannien dürstet nach ReformenBild: AP

Profi-Wahlkampf

Der Wahlkampf der Labour Party wirkt - gestützt durch die Ressourcen des Regierungsapparates - gegenüber den Kampagnen der Kontrahenten professioneller und geradliniger. Obwohl auf der Insel davon ausgegangen wird, dass die bisherige klare Mehrheit für Labour im Unterhaus schrumpfen wird, wäre ein Machtwechsel am 5. Mai 2005 eine große Überraschung.

Drohende Baustellen in Amtszeit Nr. 3

Die dritte Amtszeit Blairs, sollte sie zustande kommen, wird große Herausforderungen bergen. In der Europapolitik, die in diesem Wahlkampf kaum eine Rolle spielt, könnten mit den möglichen Referenden zur Europäischen Verfassung und zur Einführung des Euro heftige innenpolitische Kontroversen ausbrechen. In der Außenpolitik wird das Verhältnis zu den USA neu zu justieren sein. Die institutionellen Reformen der Dezentralisierung, der Verfassungsgerichtsbarkeit oder des Oberhauses harren ihrer Weiterführung. Es wird spannend sein zu beobachten, was Labour mit der historischen dritten Amtszeit anzufangen weiß.

Klaus Detterbeck

Dr. Klaus Detterbeck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Magdeburg. Er beschäftigt sich vornehmlich mit den Parteien und Parteisystemen in Westeuropa, mit Föderalismus und Regionalismus sowie der Dynamik der europäischen
Integration.