Brisanter Dokumentarfilm: "Der Fall Max Emden"
10. April 2019In den 1920er Jahren machte der Geschäftsmann Max Emden, Spross einer alteingesessenen Hamburger Kaufmannsfamilie, ein Vermögen mit luxuriösen Kaufhäusern. Ihm gehörten Häuser wie das hochmoderne KaDeWe in Berlin und das "Oberpollinger" in München. Seiner Heimatstadt Hamburg schenkte der Kunstmäzen damals zahlreiche Kunstwerke, Grundstücke und Immobilien. Er stiftete der Stadt den ersten Golfplatz und einen Poloclub.
1928 brachte sich der jüdische Kunstsammler in der Schweiz in Sicherheit, seine Besitztümer in ganz Europa wurden nach der Machtergreifung der Nazis beschlagnahmt, "arisiert" oder zu Spottpreisen verscherbelt. Seine wertvolle Kunstsammlung musste Max Emden nach und nach über den Kunsthandel verkaufen. 1940 starb er im Schweizer Exil. Einige seiner Bilder gelangten über Umwege in die Privatsammlung von Hitler, der sich in Linz ein "Führer-Museum" einrichten wollte.
Zusammen mit dem Enkel von Max Emden, Juan Carlos Emden, hat sich ein deutsches Filmteam auf Spurensuche begeben, um herauszufinden, was mit der berühmten Kunstsammlung geschah und wo die Bilder heute sind. Fündig wurden sie ausgerechnet im Sitz des Bundespräsidenten, wo zur Amtszeit von Horst Köhler ein wertvoller Canaletto aus der Sammlung Max Emdens hing.
Regisseur André Schäfer erzählt im DW-Interview, warum die Geschichte von zwei Bildern auch stellvertretend ist für den Umgang mit Raubkunst - und wertvollen Alltagsgegenständen, Bibliotheken und Kunstwerken aus ehemaligem jüdischen Kunstbesitz.
Deutsche Welle: Herr Schäfer, Sie sind Historiker aber in der Hauptsache Filmemacher. Wieviel kunsthistorische Beratung haben Sie gebraucht, um genau diese Gemälde als Beispiel für nicht erfolgte Provenienzforschung für ihren Dokumentarfilm zu finden? Dafür muss man ja detektivischen Spürsinn haben.
André Schäfer: Wir haben natürlich Hilfestellung gehabt durch den Anwalt der Familie Emden, Markus Stötzl, der sich schon 12 Jahre lang vorab um die verschollene Kunstsammlung gekümmert hat. Der hat uns gesagt, wo diese Bilder hängen. Und wir haben dann natürlich versucht, mit der Kamera Zugang zu all den Bildern zu bekommen.
In der Privatsammlung Bührle, (in der sich ein weiteres wertvolles Monet-Gemälde aus dem ehemaligen Max-Emden-Besitz befindet, Anmerk. d. Red.) hat niemand uns Zugang gewährt. Aber immerhin zwei öffentliche Museen: das Museum Kunstpalast in Düsseldorf und das Militärhistorische Museum in Dresden. Deshalb haben wir diese zwei Bilder von Canaletto der Geschichte des Films zugrunde gelegt.
Und dann gibt es noch einen junge Doktoranten, der in München am Institut für Zeitgeschichte über die jüdische Galeristin Anna Caspari gearbeitet hat. Bei der dann auch wieder diese beiden Bilder auftauchten. Und wo dann nachzuweisen war, wie sowas überhaupt funktioniert hat: Dass da ein Museumsmann von Hitler persönlich beauftragt wird, und dann bei der Galeristin Caspari anfragt: Sein Mandant sei an Canaletto interessiert. Ob sie Sammler kennt, die vielleicht verkaufen möchten?
Verkaufen möchten ist ja eine makabre Formulierung. Heute heißt das "NS-verfolgungsbedingter Entzug von Kulturgütern" in der Terminologie der Provenienzforscher…
Allein diese Formulierung impliziert ja was ganz anderes. Das waren Geschäftsleute, denen es ziemlich schlecht ging, denen es wirtschaftlich so schlecht ging, weil der Geldhahn für jüdische Emigranten aus dem Deutschen Reich quasi zu gemacht wurde von den Nazis. Die mussten ja irgendwie an Geld kommen. Und da kann man ja mal nachfragen: Wollt Ihr Eure Bilder nicht für wenig Geld verkaufen, damit ihr wenigstens ein bisschen was habt? Und das ist dann passiert.
Das Thema Raubkunst ist hochkomplex, das hat man schon beim "Fall Gurlitt" gemerkt. Wie haben Sie es geschafft, das im „Fall Max Emden" runter zubrechen und als Geschichte überschaubar zu machen?
Wir haben versucht uns auf ein paar wenig Beispiele zu konzentrieren. Nichts ist besser, als wenn man das, worum es geht, auch richtig zeigen kann. Und der Moment, wo eine wunderbare Provenienzforscherin aus dem Museum Kunstpalast in Düsseldorf dieses Canaletto-Gemälde aus dem Depot holen lässt, und die Museumsmitarbeiterin dieses Bild auf der Staffelei durchs ganze Museum fährt, um es uns zu präsentieren, das war ein toller Moment.
Und anhand dieses einen Bildes und des Geschwisterbildes, nämlich einer Stadtansicht auf Dresden, die im Militärhistorischen Museum in Dresden hängt, anhand dieser beiden Bilder konnten wir den ganzen Fall erklären, weil nachweisbar ist, wo die beiden Bilder gekauft wurden von Max Emden. Wieviel er dafür bezahlt hat. Und wie sie dann letztlich über die gleiche Person - es gibt da eine jüdische Kunsthändlerin, Anna Caspari aus München - wieder rückverkauft wurden.
Hitler hatte sich in Florenz in den Uffizien offenbar in alte italienische Meister verliebt. Und seinen Museumsleuten und Kunsthändlern gesagt hat: Besorgt mir alte italienische Meister. Dafür waren jüdische Kunsthändler auch nach 1933 gut. Die durften nur deshalb weiter arbeiten, weil man sie noch brauchte - jedenfalls vor Beginn der Feldzüge gegen die großen Sammlerländer Frankreich und auch Österreich natürlich.
Wer hat das Bild denn in Bonn in der Villa Hammerschmidt entdeckt?
Der Anwalt der Familie Emden. Markus Stötzl hat im Auftrag der Erben einen Brief an Herrn Köhler geschrieben, mit dem Inhalt: Wissen Sie eigentlich, was bei Ihnen da im Speisezimmer hängt? Das hing dann schon nicht mehr dort.
Und einer meiner Kollegen von Florianfilm hat sich aus dem WDR-Archiv ganz viele Drehkassetten über die Villa Hammerschmidt angeschaut. Iirgendwelche Reportagen, Berichte, weil er irgendwie die Hoffnung hatte, vielleicht filmt ja eine Kamera zufällig mal auf die Wand, wo dieses Bild von Canaletto hängt. Und siehe da beim Papstbesuch wird Ratzinger von Horst Köhler begrüsst und hinter den beiden hängt genau dieses Bild.
Das war schon sensationell. Und ein absoluter Freudentag für uns alle, die an dem Film gearbeitet haben. Und deshalb: „Der Fall Max Emden", wie wir den Film im Untertitel genannt haben, steht natürlich für ganz, ganz viele Fälle, in denen Bilder lange nicht an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben wurden.
Info: Der Dokumentarfilm „Auch Leben ist eine Kunst - Der Fall Max Emden" von den Regisseuren André Schäfer und Eva Gerberding wird auf der Premiere am 10.4. 2019 im Hamburger Abaton-Kino präsentiert. Kinostart: 25.4.2019