Der nächste Brexit-Streit kommt sicher
29. Januar 2018Die neue Verhandlungsrunde zwischen der EU und der britischen Regierung hat noch nicht richtig begonnen, und schon gibt es wieder Streit. Die Minister, die in der EU für das Brexit-Tauziehen zuständig sind, verabschiedeten an diesem Montag ein Verhandlungsmandat, in dem die Bedingungen für die sogenannte Übergangsperiode festgelegt werden. Die britische Premierministerin hatte um eine zwei Jahre währende Übergangsphase nach dem Austritt gebeten, um mehr Zeit für die eigentlichen Handelsgespräche zu gewinnen. Die Bedingungen, die die EU dafür jetzt festlegt, passen den Briten allerdings nicht.
Rechte und Pflichten, aber kein Stimmrecht
Im Prinzip verlangt der Ministerrat, dass Großbritannien in der Übergangsphase seine Rechte und Pflichten wie jeder andere EU-Staat wahrnimmt, allerdings ohne noch ein Mitspracherecht zu haben. Der Chefunterhändler Michel Barnier begründete das in Brüssel so: "Die Briten haben die vollen Vorzüge, als wären sie noch Mitglied; dann müssen sie auch den gleichen Regeln folgen." Freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen sowie die Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger sollen erhalten bleiben. Konservative Brexit-Vorkämpfer in Großbritannien werfen der EU nun vor, sie wolle das Land in eine Abhängigkeit von der EU bringen, obwohl man doch eigentlich austreten wolle.
Der britische Chefunterhändler und Brexit-Minister David Davis hat im Parlament in London am Montag erkennen lassen, dass er der verlängerten Quasi-Mitgliedschaft ohne Stimmrecht in der Übergangsphase zustimmen könnte. Allerdings fordert er im Gegenzug, dass nicht alle Gesetze, die die Europäische Union im Übergangszeitraum erlässt, auch in Großbritannien angewendet werden müssen. Davis will einen "Überprüfungs-Mechanismus" und eine Art Streitschlichtung einbauen, um unliebsame EU-Gesetze eventuell ablehnen zu können.
EU lehnt Vetorecht für Briten ab
Dies wiederum lehnte die Europäische Union schon im Vorfeld der Verhandlungen ab. Ein EU-Diplomat sagte, es sei "reine Zeitverschwendung", über einen solchen Mechanismus zu sprechen. Den könne es aus EU-Sicht nicht geben, weil er Großbritannien Sonderrechte im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten einräumen würde. Den Briten schwebe offenbar eine Art paralleles Rechtssystem vor, das die EU-Regeln spiegelt, aber doch nur britisches Recht wäre.
Die Diskussion dient nach Meinung einiger EU-Diplomaten in Brüssel hauptsächlich dazu, die verschiedenen Brexit-Fraktionen innerhalb der regierenden konservativen Partei in Großbritannien zufrieden zu stellen. Der konservative deutsche EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) meinte in Brüssel: "Weder während der Übergangsphase noch im künftigen Verhältnis zwischen EU und Vereinigtem Königreich darf es Rosinenpickerei geben." EU-Recht müsse weiter gelten und die Briten müssten weiter ihre Beiträge zahlen, dürften aber nicht mehr an Entscheidungen mitwirken, so Ferber.
Die EU würde Großbritannien gestatten, während der Übergangsperiode eigenständig Handelsverträge mit anderen Staaten auszuhandeln. In Kraft treten könnten diese Verträge aber erst am Ende des Übergangs. Auch die Verhandlungen Großbritanniens mit der EU selbst über das künftige Handelsverhältnis könnten in der Transit-Phase fortgesetzt werden.
Viele offene Streitfragen
Umstritten sind noch Details bei der Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger. Großbritannien will EU-Bürger, die Arbeit und Wohnung in Großbritannien finden, bereits nach dem Brexit, also nach dem 29.03.2019, registrieren und ihnen einen besonderen rechtlichen Status verpassen. Die Europäische Kommission und ihr Unterhändler Michel Barnier bestehen aber darauf, dass die Freizügigkeit für EU-Bürger in Großbritannien und umgekehrt auch für Briten in der EU bis zum letzten Tag der Übergangsperiode gilt. "Bis zum letzten Tag des Übergangs genießen EU-Bürger die gleichen Rechte", sagte Barnier.
Wie lange der Übergang dauern soll, bleibt eine der vielen Fragen rund um den Brexit. Theresa May, die britische Premierministerin, wollte ursprünglich 24 Monate Übergang, also bis zum 01. April 2021, herausschlagen. EU-Verhandler Michel Barnier will aber nur 20 Monate zugestehen, bis zum 31. Dezember 2020. Denn mit dem Jahr 2021, so Barniers Argument, beginnt der neue, sieben Jahre währende Haushaltsrahmen der EU, an dem Großbritannien nicht mehr teilnehmen soll und den es auch nicht mehr mit aushandelt.
Die Zeit drängt - wie immer
Der Europaminister von Italien, Sandro Gozi, forderte die britische Regierung auf, nun Klarheit über die eigenen Positionen und Verhandlungsziele für ein Leben nach dem Brexit zu schaffen. "Je eher die Briten das tun, desto besser. Wir sollten unsere Zeit nicht darauf verwenden, Übergangsphasen auszuhandeln, sondern das, was danach kommt: das künftige Verhältnis", sagte Gozi nach der Entscheidung in Brüssel. Die kam ohne Aussprache nach nur zwei Minuten zustande. Die übrigen 27 EU-Staaten seien sich vollkommen einig, hob Unterhändler Michel Barnier hervor.
Wie bei den Brexit-Gesprächen üblich, drängt die Zeit. Die Vereinbarung für eine Transit-Periode soll bis zum EU-Gipfel am 23. März stehen. Das wären noch sechs Wochen, in denen die vielen komplexen und strittigen Fragen geklärt werden müssen. "Ehrgeizig, aber möglich", meinte dazu ein EU-Diplomat in Brüssel.
Erst danach würden dann die Verhandlungen über das künftige Verhältnis mit Großbritannien, also den eigentlichen Brexit-Vertrag, beginnen. Um diesen Vertrag zu zimmern, hätten die beiden Seiten dann noch knapp ein Jahr.