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Brexit: Triumph und Jammer der Kulturschaffenden

Stefan Dege, Mitarbeit: Miriam Karout24. Juni 2016

Bis zuletzt hatten zahlreiche Künstler und Intellektuelle nicht an einen Brexit geglaubt. Doch nach dem Votum der Briten macht sich Ernüchterung breit. Viele Kulturleute reagieren geschockt, andere jubeln.

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Brexit-Bild von Axel Scheffler, dem Schöpfer des Grüffelo. (c) Axel Scheffler.
Der Bilderbuchkünstler Axel Scheffler hat ein Bild zum Brexit gemacht: The morning after!"Bild: Axel Scheffler

Vor dem Haus des ehemaligen Londoner Bürgermeisters und Brexit-Unterstützers Boris Johnson spielte am Freitagmorgen (24.06.2016) ein Mann im Schottenrock Dudelsack. Ein Bild mit Symbolkraft, denn das EU-freundliche Schottland – ebenso wie Nordirland - könnte sich mittelfristig vom Vereinigten Königreich lossagen. EU-Feinde in ganz Europa könnten sich ermutigt fühlen, es den Briten gleichzutun. Dabei übersieht kaum jemand die Folgen des Brexit-Votums. Auch die Kulturschaffenden nicht, hegten sie doch die größten Befürchtungen – wie Martin Roth, der deutsche Direktor des ehrwürdigen Victoria & Albert-Museums in London: "Ich bin geschockt", sagt er im DW-Interview, "für mich ist das eine persönliche Niederlage."

Welche Folgen der Brexit für die Kultur haben wird? Roth, der 2017 die Präsidentschaft am deutschen Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) übernimmt und in öffentlichen Stellungnahmen für einen Verbleib in der EU geworben hat, ist ratlos: "Auf nationaler Ebene werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass keine Europa-Gelder mehr kommen." Vor allem die britische Wissenschaft werde das hart treffen. Jetzt stehe die Scheidungsphase von der EU bevor. "Das wird scheußlich", befürchtet Roth im DW-Gespräch.

Porträt des Kulturmanagers Martin Roth. Foto: Victoria & Albert Museum.
Martin RothBild: Peter Kelleher

Bilderbuchkünster Axel Scheffler geschockt

Geschockt zeigt sich auch der in London lebende Bilderbuchkünstler Axel Scheffler. "Ich habe das so nicht erwartet", bringt er auf den Punkt, was viele Künstler und Intellektuelle europaweit denken. "Die politische Klasse hat versagt, das Volk davon zu überzeugen, was in seinem eigenen Interesse liegt." Er, der nie in seinem Leben außerhalb der EU habe leben wollen, könne die Konsequenzen derzeit nicht überschauen. "Wir müssen abwarten", so der Schöpfer der weltweit populären Bilderbuchfigur "Grüffelo".

Schon am Morgen nach dem Brexit-Votum der Briten schlugen die Wellen in den sozialen Netzwerken hoch. Ausstiegswillige und "Bremainers" schenkten sich nichts: "Wie schön dieser Tag doch ist", twitterte die Schauspielerin Elizabeth Hurly, "sogar die Vögel zwitschern." Im Minutentakt gab Lizzie Cundy, in Großbritannien eine populäre Moderatorin und Brexit-Befürworterin, ihre Gefühlszustände bekannt. Tenor: "Was für ein ereignisreicher Tag!" Triumphgeheul nicht zuletzt bei dem Fernsehsternchen Katie Hopkins: "Es ist ein Neuanfang für das mutige Vereinigte Königreich!"

Porträt der Harry-Potter-Autorin Joanne K Rowling. Foto: AP Photo/Louis M. Lanzano
Joanne K RowlingBild: AP

Nachdenklichere Töne schlugen die Brexit-Gegner an. Harry Potter-Autorin Joanne K. Rowling prophezeite: "Schottland wird sich abspalten. Camerons Vermächtnis endet hier. Das hätte nicht passieren müssen!" Per Twitter richtete die Schriftstellerin aus: "Auf Wiedersehen, UK!" Oliver Phelps, Schauspieler in der Harry-Potter-Verfilmung, ließ ebenfalls per Kurznachricht wissen, er hoffe, dass der Brexit nur ein schlimmer Traum sei. "Vielleicht", so Phelps, "wird alles vorübergehen, wenn ich im Bett bleibe." Der britische Autor Julian E Barnes fragte: "Ist es schon so weit, dass die USA Wales, Nordirland und England als eigene Staaten anerkennen?"

Carolin Emcke: Europa verteidigen!

Analytisch und emotional zugleich formulierte der Film- und Theaterschauspieler James Corden seinen Unmut über den Referendumsausgang: "Es tut mir so leid für die britische Jugend", twitterte er, "ich fürchte, Euch hat man heute vergessen." Auch Museumsmann Martin Roth treiben die Folgen des Brexit für die nachwachsende Generation um. Vor allem die Älteren hätten für den Brexit gestimmt, die Jüngeren für den Verbleib in der EU", erinnert er. "Das heißt doch: Die Älteren haben den Jungen die Zukunft geraubt."

Porträt der Autorin Carolin Emcke. Foto: picture-alliance/dpa/A. Burgi
Carolin EmckeBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Am Tag eins nach dem Brexit-Votum gab am Freitag der Börsenverein den diesjährigen Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels bekannt: Die Journalistin und Publizistin Carolin Emcke bekommt ihn für ihr Engagement um Frieden und Dialog, begründete die Jury ihre Entscheidung. "Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass diese Nachricht nicht auf einen Tag fällt, der so traurig für Europa ist", sagte Emcke in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Ich habe mir das Privileg, in Europa leben zu dürfen, durch nichts verdient. Nun ist es an der Zeit, Europa auch zu verteidigen gegen diejenigen, die es mit ihrem Nationalismus und ihren Ressentiments unterwandern."