Deutschen Firmen drohen Milliardenkosten
9. Oktober 2018Vor dem möglicherweise entscheidenden EU-Gipfel Ende kommender Woche zum Brexit hat die deutsche Industrie die Verhandlungsführer zu mehr Kompromissbereitschaft gedrängt. Für die deutschen Unternehmen sei eine "Übergangsfrist bis Ende 2020 unverzichtbar", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundes der deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, am Dienstag. "Ein harter Brexit wäre ein Desaster", fuhr er fort und bezog sich auf die Möglichkeit eines Austritts von Großbritannien ohne Vereinbarungen zum künftigen Verhältnis zur EU.
Durch einen harten Brexit gerieten in Europa zehntausende Unternehmen und hunderttausende Arbeitnehmer "auf beiden Seiten des Ärmelkanals in größte Schwierigkeiten". Die Wirtschaft benötige stattdessen "ein vernünftiges Verhältnis im Außenhandel mit dem Königreich", forderte Lang. Dazu gehörten "mindestens ein Verzicht auf Zölle und Quoten auf Einfuhren aus dem jeweiligen Partnerraum".
Nötig sei "ein gutes Handelsabkommen". Dafür müsse sich die Politik in den kommenden Wochen einsetzen, forderte der BDI-Hauptgeschäftsführer. Schon jetzt träfen Unternehmen Vorkehrungen für den Fall einer ausbleibenden Einigung und hätten etwa angekündigt, die Produktion in Großbritannien ab April ruhen zu lassen oder ihren Hauptsitz zu verlegen.
Der Brexit ist für März kommenden Jahres geplant und Großbritannien handelt derzeit mit der EU die Rahmenbedingungen dafür aus. Brüssel setzt auf einen Durchbruch beim EU-Gipfel am 18. Oktober - Pläne für einen Sondergipfel zum Brexit im November waren kürzlich zurückgestellt worden.
IW berechnet Kosten für harten Brexit
Sollten die Briten die EU ohne Freihandelsabkommen verlassen, würden auf die hiesigen Firmen Zölle von mehr als drei Milliarden Euro jährlich zukommen, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht.
Besonders die Autoindustrie dürfte leiden: Auf sie würden rund 60 Prozent der deutschen Mehrkosten entfallen. Auf lange Sicht dürfte die Wirtschaft jedoch reagieren, also etwa die Preise anheben und Warenströme verlagern.
GB drittwichtigster Handelspartner deutscher Unternehmen
Deutsche Exporte insVereinigte Königreich würden der Studie zufolge mit durchschnittlich 4,3 Prozent belastet. Die EU ihrerseits könnte Zölle von durchschnittlich 2,8 Prozent auf britische Exporte erheben, die Regierung in London sogar von 3,6 Prozent auf Waren aus der Rest-EU. Der Handel zwischen Großbritannien und der EU könnte dadurch um bis zu 50 Prozent einbrechen. Die deutschen Exporte auf die Insel könnten um bis zu 57 Prozent sinken.
"Dieses Horrorszenario sollte die Politik zum konstruktiven Handeln antreiben", sagt IW-Wissenschaftler Markos Jung. Rund fünf Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes würden direkt und indirekt am Handel mit den Briten hängen. Das Königreich sei damit der drittwichtigste Handelspartner für hiesige Unternehmen.
ul/tko/hb (afp, rtr, iw)