Afrika und der Brexit
18. Juni 2016Was hat der Brexit mit Afrika zu tun? Sehr viel, findet Uzo Madu. Schließlich habe Afrika eine wichtige Rolle für den EU-Beitritt Großbritanniens in den frühen siebziger Jahren gespielt, sagt die britisch-nigerianische Bloggerin im DW-Gespräch. Mit dem Ende des britischen Kolonialreiches sei auch die Wirtschaft auf der Insel eingebrochen - "das hat Großbritannien überhaupt erst dazu bewegt, sich dem europäischen Experiment zuzuwenden", so Madu.
Sie verweist aber auch auf die historische Bedeutung der britischen EU-Mitgliedschaft für die ehemaligen afrikanischen Kolonien des Landes: "Mit dem EU-Beitritt Großbritanniens im Jahr 1973 gehörten die afrikanischen Commonwealth-Staaten endlich auch zum EU-Afrika-Club und konnten von bevorzugten Handelsbedingungen profitieren."
EU ja oder nein? Briten mit afrikanischen Wurzeln sind gespalten
Madu betreibt von Brüssel aus das Blog "What's in it for Africa?", das die Auswirkungen von EU-Politik auf Afrika untersucht. Sie sagt: "Nach allem, was ich über das Thema gelesen habe und weiß, würde der Austritt Großbritanniens aus der EU wenig Gutes für Afrika bedeuten."
Am 23. Juni haben die Briten abgestimmt - und zwar für den Austritt aus der Europäischen Union. Das Ergebnis fiel relativ knapp aus, die britische Gesellschaft ist gespalten, auch britische Staatsbürger mit afrikanischen Wurzeln sind sich uneins. Viele fragen sich: Welche Auswirkungen hat der Brexit auf Afrika?
Was wird aus den Handelsbeziehungen?
Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und Afrika sind im Cotonou-Abkommen von 2000 geregelt. Dazu kommen eine Reihe von sogenannten Wirtschaftspartnerabkommen der EU mit den regionalen Wirtschaftsgemeinschaften - beispielsweise mit der westafrikanischen ECOWAS oder der ostafrikanischen EAC. In den Verträgen sind gegenseitige Vergünstigungen beim Austausch von Waren und Dienstleistungen vereinbart.
Der Brexit würde die vertraglichen Bedingungen der Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika zwar zunächst grundlegend verändern, sagte Afrika-Experte Robert Kappel vom Hamburger GIGA-Institut kurz vor der Abstimmung. "Aber ich gehe davon aus, dass die britische Regierung im Falle eines Austritts ganz pragmatisch vorgehen wird und die Verträge im Rahmen des Cotonou-Abkommen weiter bestehen lassen wird".
Entwicklungszusammenarbeit: Neuausrichtung unvermeidlich
Bei der Entwicklungszusammenarbeit müsste sich hingegen einiges ändern. Die EU ist in diesem Bereich der wichtigste Geldgeber in Afrika, ein großer Anteil davon kommt aus Großbritannien - bedingt durch die koloniale Vergangenheit, die den Inselstaat mit dem afrikanischen Kontinent verbindet..
"Ich glaube, dass der Brexit große Auswirkungen auf die Höhe und die Art der Entwicklungshilfe für Subsahara-Afrika hätte", sagt Bloggerin Uzo Madu. Zudem, warnt GIGA-Experte Robert Kappel, würde die Expertise der Briten in der EU-Entwicklungskooperation wegfallen.
EU-Agrarpolitik zu Lasten der Landwirte in Afrika?
Ein weiteres Reizthema ist die gemeinsame Agrarpolitik der EU. Kritiker monieren seit Jahren, dass die hohen EU-Subventionen für europäische Produzenten afrikanische Landwirte in den Ruin treiben - die könnten mit den billigen Preisen der Europäer schlicht nicht mithalten. Großbritannien ist einer der prominentesten Gegner dieser gemeinsamen Agrarpolitik.
Könnte sich Großbritannien nun stärker militärisch in Afrika engagieren? Dieser Vermutung erteilt Robert Kappel eine Absage. Zwar sei es theoretisch denkbar, dass das Land im Rahmen bilateraler Kooperationen im Krisenfall schneller und pragmatischer eingreifen könnte, als das im Rahmen der EU möglich wäre. "Aber ich glaube nicht, dass sie hier dem Beispiel Frankreichs folgen würden, die überall auf dem afrikanischen Kontinent ihre Stützpunkte haben." Dagegen spreche alleine schon der finanzielle Aspekt eines solchen Engagements, so Kappel.
Großbritannien als Vorbild in Sachen Unabhängigkeit
Auch in Afrika selbst wird das Thema heiß diskutiert. Auf der Facebookseite der DW-Haussa-Redaktion kommentiert etwa Anwar Muhammad aus Nigeria: "Wenn ein so starkes Land wie Großbritannien die Union verlässt, wird sie zweifellos nicht mehr auf ihren eigenen Beinen stehen können." Der Tansanier Muharami Salim sieht im Brexit für Afrika eine Chance: "Vielleicht ist es eine gute Gelegenheit, dass wir Afrikaner darüber nachdenken, wie wir unabhängiger werden", schrieb er auf der Facebookseite von DW-Kisuaheli.
Klar ist, dass der Brexit auch für Afrika Veränderungen bringt. Den Verlauf der Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU werden die Afrikaner daher sehr genau beobachten.