Brecht zum Auftakt: Filmfest München
27. Juni 2018"Und der Haifisch, der hat Zähne": Die 36. Ausgabe des zweitgrößten deutschen Filmfestivals (28.6. - 7.7.) beginnt mit einem Klassiker deutscher Kultur: der Dreigroschenoper. Dabei geht es Regisseur Joachim A. Lang aber nicht um eine Verfilmung des weltbekannten Theaterstücks, sondern um eine komplexe Variation des Themas. Der Film erzählt von Brechts Traum, den Stoff im Anschluss an den Bühnenerfolg Ende der 1920er Jahre auf die Kino-Leinwand zu bringen - eine wahre Geschichte.
Der Streit zwischen Brecht und den Kino-Produzenten als Filmstoff
Brecht scheiterte damals, weil die Produzenten im Laufe der Vorbereitungen für die Filmversion auf seine Mitarbeit verzichteten. Der Dichter konnte sich mit seinen Vorstellungen, wie das Drehbuch gestaltet werden sollte, nicht durchsetzen. Der Konflikt zwischen Brecht und den Produzenten drehte sich letztendlich um den alten Streit zwischen Kunst und Kommerz. Während Brecht auf Botschaft und Avantgarde setzte, hatten die Produzenten eher finanzielle Interessen im Sinn.
Lang hat den Eröffnungsbeitrag des diesjährigen Münchner Filmfests nun als Film im Film inszeniert. Die Zuschauer sehen sowohl "Die Dreigroschenoper" auf der Bühne als auch den Streit zwischen Brecht und seiner Produktionsfirma und können so miterleben, wie Brechts Film-Version möglicherweise ausgesehen hätte. Mit Lars Eidinger als Brecht, Tobias Moretti als "Mackie Messer" und Hannah Herzsprung als "Polly" sowie Robert Stadlober als Kurt Weill ist der Film prominent besetzt - und sicher keine schlechte Wahl, das Festival in der bayrischen Landeshauptstadt zu eröffnen.
Münchner Filmfest soll internationaler werden - und neue Formate zeigen
Das Festival soll auch in Zukunft wachsen, das hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in der vergangenen Woche bekanntgegeben. Ausgerechnet an dem Tag, an dem in Berlin der neue Leiter der Berlinale verkündet wurde, eröffnete Söder Deutschlands zweitgrößtem Filmfestival neue Perspektiven - wohl kein Zufall und Zeichen für den Anspruch der Bayern, der Berlinale künftig noch mehr Konkurrenz zu machen. Drei Millionen Euro extra gibt's in den nächsten Jahren fürs Budget. Geplant sind neue Schwerpunkte wie Virtual Reality und Games, zudem will man noch internationaler werden.
Deutsches Kino (und Fernsehen) steht in München aber nach wie vor im Mittelpunkt des Geschehens - flankiert von einer großen Auswahl internationaler Produktionen, die alle noch nicht in Deutschland zu sehen waren. 16 Spielfilme und Dokumentation werden so in den kommenden Tagen in der Reihe "Neues Deutsches Kino". Dazu zählt unter anderem die eindrucksvolle Doku "Familie Brasch" von Annekatrin Hendel, die ein Stück intellektuelle DDR-Geschichte erzählt.
Retrospektive: Blick nach Argentinien
In internationalen Reihen wie "Wettbewerb Cinemasters" und "Wettbewerb Cinevision" werden zahlreiche Filme gezeigt, die vor kurzem in Cannes und bei anderen Festivals für Aufsehen sorgten, aber auch Neuentdeckungen. Die Retrospektive des Münchner Filmfests ist in diesem Jahr der argentinischen Regisseurin Lucrecia Martel gewidmet, die sich in ihren Arbeiten auf visuell aufregende und immer wieder überraschende Art und Weise mit gesellschaftlichen Phänomenen in ihrer Heimat beschäftigt.
Und dann feiert München 2018 noch zwei Größen des internationalen Filmgeschäfts: die britische Schauspielerin Emma Thompson und den britisch-amerikanischen Regisseur Terry Gilliam. Thompson, seit Ende der 80er Jahre im Geschäft und in vielen Hollywood-Filmen zu sehen, überzeugt in der Ian McEwan-Verfilmung "Kindeswohl" als gewissenhafte Richterin für moralisch besonders verzwickte Fälle.
Legendäres Filmprojekt von Terry Gilliam
Gilliam kommt mit der deutschen Erstaufführung seines neuen Films "The Man who killed Don Quixote" nach München - ein Projekt, an dem Gilliam (unfreiwillig) mehrere Jahren lang arbeitete. Der ursprünglich vorgesehene Film, den der Regisseur schon Anfang der 2000er Jahre inszenieren wollte und dessen Dreharbeiten aus verschiedenen Gründen immer wieder unterbrochen wurden, hat seinen Charakter im Laufe der Jahre vollkommen verändert. Und so ist "The Man who killed Don Quixote" - genau wie der Eröffnungsfilm "Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm" - zu einem Vexierspiel mit verschiedenen Erzählebenen geworden.
185 Filme aus 43 Ländern sind in den kommenden Tagen in München zu sehen - und nicht nur die Kandidaten für die Kinoleinwand: Als einer der filmischen Höhepunkte läuft die erste Folge der lange angekündigten Serie "Das Parfüm", die im Herbst im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird. Und auch hier gilt: Regie und Produktion haben nicht einfach einen Roman verfilmt, sondern das Buch von Patrick Süskind lediglich als Inspirationsquelle genutzt. Die TV-Serie "Das Parfüm" spielt so nicht im Frankreich des 18. Jahrhunderts, sondern in den 1980er Jahren sowie im Jahr 2018.
Ein Thema: Vereinsamung durch soziale Medien
Das Team um Festival-Chefin Diana Iljine hat in diesem Jahr wieder ein attraktives Programm zusammengestellt. Ein Thema, das in vielen Werken zur Sprache komme, so die Festival-Leitung, sei die allgegenwärtige Überwachung und die Vereinsamung durch soziale Medien. Das zur Zeit gesellschaftlich breit diskutierte Problem im Fokus zahlreicher Filme in München: Man darf gespannt sein.