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Boateng setzt Zeichen gegen Rassismus

Andreas Sten-Ziemons4. Januar 2013

Beim Testspiel gegen einen Viertligisten ist Kevin-Prince Boateng von Fans rassistisch beleidigt worden. Der afrikanisch-stämmige Spieler denkt nun über einen Abschied aus Italien nach.

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Kevin-Prince Boateng zeigt den Fans von Pro Patria den Vogel
Bild: picture-alliance/CITYPRESS 24

Eigentlich sollte die Partie zwischen dem AC Mailand und dem Viertligisten Pro Patria ein Freundschaftsspiel werden, doch das Spiel endete schon nach kurzer Zeit mit einem Eklat: Von einer Gruppe von etwa 40 gegnerischen Fans wurden die dunkelhäutigen Fußballer des AC Mailand über die gesamte Spieldauer rassistisch beleidigt. Als Kevin-Prince Boateng in der 25. Minute den Ball hatte und erneut Affenlaute von der Tribüne erschallten, feuerte er das Leder zunächst in Richtung der Pro-Patria-Fans, zog sich das Trikot aus und verließ anschließend entnervt den Platz. Das gesamte Milan-Team folgte dem Beispiel des gebürtigen Berliners mit ghanaischen Wurzeln. Während der folgenden Unterbrechung versuchten die Spieler des Amateur-Clubs Pro Patria noch, mit ihren Anhängern zu sprechen, um eine Fortsetzung des Spiels zu ermöglichen. Doch da die Milan-Spieler sich weigerten, auf den Rasen zurückzukehren, blieb dem Schiedsrichter nichts anderes übrig, als die Partie abzubrechen.

"Es ist eine Schande, dass so etwas immer noch passiert. Es ist inakzeptabel - ich hoffe, dass das Zeichen bei solchen Unbelehrbaren endlich ankommt: Schwarz und weiß ist eins - es gibt keine Menschen zweiter Klasse", sagte Boateng dem Internetportal "Sport Bild online". "Ich bin enttäuscht und betrübt, aber ich denke, dass es die richtige Entscheidung war, nicht auf das Feld zurückzukehren - aus Respekt vor unseren Spielern und allen anderen dunkelhäutigen Spielern in jeder Liga", sagte Mailands Trainer Massimiliano Allegri. "Wir müssen dieses unzivilisierte Verhalten stoppen. Italien muss ein bisschen zivilisierter und intelligenter werden." Unter den fremdenfeindlichen Fans von Pro Patria soll auch ein Lokalpolitiker sein, der als Stadtrat im lombardischen Busto Arsizio für Sportfragen und Jugendpolitik zuständig ist.

Novum im italienischen Fußball

Laut der Zeitung "Gazzetta dello Sport" war es das erste Mal, dass ein Spiel in Italien wegen rassistischer Rufe abgebrochen wurde. Das verwundert insofern, als es im italienischen Fußball immer wieder zu rassistischen Beleidigungen von dunkelhäutigen Spielern kommt. "In Italiens erster Liga, der Serie A, gibt es mehrfach pro Spielzeit solche Zwischenfälle", sagt Tom Mustroph, Sportkorrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) für Italien im DW-Interview. "Der dunkelhäutige Nationalspieler Mario Balotelli ist einst sogar deswegen aus Italien weggegangen und spielt seitdem bei Manchester City in England."

Marco Andre Zoro wird von Inter-Spielern bedrängt, nicht vom Feld zu gehen (Foto: EPA/Rotella/Cufari)
Im Jahr 2005 hatte Marco Andre Zoro (r.) keine Lust mehr, sich weiter von den Fans beleidigen zu lassenBild: picture-alliance/dpa

Erst einmal ist in der Serie A etwas vergleichbares passiert, wie der Abgang einer gesamten Mannschaft aus Protest: Im Jahr 2005 war Marco Andre Zoro, dunkelhäutiger Spieler von Messina, beim Heimspiel gegen Inter Mailand bei jedem Ballkontakt von den Inter-Fans mit Affenlauten und Beschimpfungen wie "dreckiger Neger" begleitet worden. Zoro nahm daraufhin Mitte der 2. Halbzeit den Ball in die Hand, verließ den Platz und kontaktierte den vierten Offiziellen. Allerdings konnte Zoro von seinen Teamkollegen zum Weiterspielen überredet werden und es kam nicht zum Spielabbruch.

Die Verantwortung für die Situation in den italienischen Stadien sieht Mustroph, der sich seit Jahren mit der italienischen Fanszene befasst, aber nicht nur bei den Fans. "Die Club-Verantwortlichen spielen die Äußerungen ihrer Fans herunter, das ist die typische Reaktion", sagt er. "Dabei gehört die rechte Einstellung der Anhänger bei einigen Vereinen fast schon zur Folklore. Und auch für manchen Club-Verantwortlichen gehört das zur Kultur. Beispielsweise sind Lazio-Fans sogar stolz darauf, rechts zu sein."

Fans von Lazio Rom mit Faschistengruß und Neonazi-Flagge auf der Tribüne (Foto: imago/Kolvenbach)
Der faschistische Gruß und Neonazi-Symbole gehören bei einigen Fans von Lazio Rom dazuBild: imago

In der Tat fällt der Anhang von Lazio Rom, dem aktuellen Club von Nationalspieler Miroslav Klose, seit Jahren immer wieder negativ auf. Immer wieder sind im Fanblock Transparente mit Nazi-Symbolen zu sehen. Und Lazios langjähriger Kapitän Paolo di Canio pflegte nach eigenen Toren den rechten Arm in Richtung der Fankurve auszustrecken und das Erfolgserlebnis mit dem Hitlergruß zu feiern.

Mehr Konsequenz

Lazio Rom ist aber nur ein Beispiel von vielen. Als Reaktion auf zahlreiche weitere rassistische Zwischenfälle hat die Regierung die Befugnisse der Polizeichefs in den Stadien vor einiger Zeit ausgeweitet. Neben den Schiedsrichtern können auch die Polizeichefs Spiele im Falle von Ausschreitungen oder Gesetzesverstößen abbrechen. Passiert ist das bislang aber nicht. Und auch der geschlossene Abgang der Mannschaft des AC Mailand, kann nur bedingt als Beispiel dienen. Schließlich stand nichts auf dem Spiel, als die Spieler das Feld verließen und damit im Grunde selbst einen Regelverstoß begingen. Es war eben nur ein Testspiel und kein Meisterschafts- oder Pokalspiel, in dem es um Geld, Punkte oder das Erreichen der nächsten Runde ging.

"Um die Situation in italienischen Stadien wirklich zu ändern, müsste man wahrscheinlich immer so reagieren, wie Boateng und die Milan-Spieler", sagt Tom Mustroph. "Und auch die Schiedsrichter müssten viel früher reagieren. Bei Pro Patria hat der Schiedsrichter es ja bis zuletzt nicht für nötig gehalten, das Spiel wegen der Beleidigungen zu unterbrechen. Die Unparteiischen sollten konsequent mit Spielunterbrechung oder sogar -abbruch drohen und das dann im Zweifelsfall auch durchziehen - dann könnte sich etwas ändern." Verändern könnte sich demnächst Kevin Prince Boateng: Den gebürtigen Berliner zieht es offenbar weg aus der Serie A. Er wolle "schauen, ob es weiter Sinn macht, in Italien zu spielen".