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Nazis im Verein

Dirk Kaufmann3. Januar 2013

"Sport ist im Verein am schönsten." So werben viele Sportvereine. Doch immer mehr Rechtsextreme nutzen die vermeintlich unpolitische Umgebung für ihre Zwecke.

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NPD-Aufmarsch (Foto:dapd)
Bild: dapd

Winfriede Schreiber, Chefin des Verfassungsschutzes im ostdeutschen Bundesland Brandenburg, hat die Sportvereine aufgefordert, dieses Problem nicht zu ignorieren. "Der Sport hat sich lange Zeit sehr schwergetan, weil er sich für unpolitisch gehalten hat." Schreiber warnt, dass Neonazis "versuchen, das Vereinsleben zu beeinflussen". Sie wollten einen scheinbar unpolitischen Raum dazu nutzen, "für ihre Bewegung zu werben. Sie ziehen junge Leute an und machen sie der Demokratie abspenstig".

Gerade in Ostdeutschland gibt es viele Projekte, die sich im Kampf gegen rechtes Gedankengut engagieren. Dazu gehören auch die "Mobilen Beratungsteams" (MBT). Solche MBT gibt es in mehreren Städten, unter anderem auch in Cottbus. Dort arbeitet seit fünf Jahren die Sozialpädagogin Anett Müller. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die Rechtsextremen nicht mehr so leicht zu erkennen sind wie früher: "Sie treten anders auf als in den neunziger Jahren. Es wird immer schwieriger, sie am äußeren Erscheinungsbild zu erkennen."

Verführung durch die Vorbilder

Auch die Verfassungsschützerin Schreiber sieht, dass sich die Rechtsextremen äußerlich gewandelt haben. Sie seien nicht mehr durchweg "Wendeverlierer" und zuverlässig daran zu erkennen, dass sie zum unteren Rand der Gesellschaft gehören. Im Gegenteil: "Viele Neo-Nazis sind heutzutage auch beruflich erfolgreich." Sie seien oft Unternehmer und gehörten zu den Sponsoren von Vereinen und Veranstaltungen. Besonders bedenklich findet es Schreiber, dass viele Neonazis enge Verbindungen zu Security-Unternehmen unterhielten: "Diese Verzahnung ist gefährlich, weil sie einschüchtert."

Winfriede Schreiber, Verfassungsschutzchefin Brandenburg (Foto: dpa)
Winfriede Schreiber warnt vor Neonazis in SportvereinenBild: picture alliance/ZB

Auch in ihrem Verhalten gehen Rechtsextreme heute weit weniger plump zu Werke: "Sie gehen nicht in Vereine und fangen dann an, Leute zu rekrutieren. Dort sind sie in erster Linie Sportler", sagt Anett Müller. Die Gefahr, die im inzwischen subtileren Vorgehen der Rechtsextremisten liegt, erkennt auch Winfriede Schreiber vom brandenburgischen Verfassungsschutz: "Viele Rechtsextreme sind in ihren Vereinen Erfolgsträger und werden deshalb bewundert." Und in einer solchen Position sei es für einen Neonazi eben einfacher, seine Ansichten zu transportieren. Wer ihn ohnehin schon bewundert, ist - vor allem, wenn es sich um Kinder und Jugendliche handelt - viel eher bereit, auch rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Positionen seines Vorbildes zu akzeptieren.

Antijüdisches Transparent im Fanblock eines Fußballstadions (Foto: dpa)
Nicht nur beim Profi-Fußball treten Neonazis in Erscheinung, an der Basis infiltrieren sie kleine SportvereineBild: picture-alliance/dpa

"Ein netter Typ, der sich da engagiert"

In ihrer täglichen Arbeit beobachtet Anett Müller vom MBT, dass viele Vereine völlig überrascht sind, wenn in ihren Reihen ein Rechtsextremist ist. Oft hätten die Funktionäre den Nazi fälschlicherweise als "einen netten Typ, der sich da bei uns engagiert" wahrgenommen. Dann kämen die Vereinsvertreter ins Büro der Initiative und schilderten ihre Erfahrungen mit einem Sportler, dessen politischen Ansichten sie misstrauen: "Sie fragen dann: Ist das jemand aus der rechten Szene oder täuschen wir uns da und wie können wir damit umgehen?"

Ein Patentrezept kann auch Anett Müller nicht anbieten. Sie empfiehlt den Rat suchenden Vereinsfunktionären, erst einmal für sich selbst herauszufinden, wo ihr Verein politisch steht. Der Verein müsse für sich und seine Mitglieder "eine Haltung entwickeln", so Müller.

Verbindliches Leitbild ist nötig

Wenn ein Verein das getan hat, kann er auch abweichenden Meinungen besser gegenübertreten. Ist in seiner Satzung oder einem verbindlichen Leitbild etwa festgehalten, dass der Verein für Demokratie eintritt und gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass ist, kann er seine Vereinsmitglieder darauf verpflichten. Verstößt ein politischer Extremist innerhalb des Vereins oder in dessen Namen dagegen, kann er schnell und unproblematisch ausgeschlossen werden.

Wenn es um Gefahr "von Rechts" geht, wenn über Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus in Deutschland berichtet wird, kommen die schlechten Nachrichten oft aus dem Osten Deutschlands. Das ist auch bei diesem Thema nicht anders. Anett Müller bemerkt das auch, ist aber davon überzeugt, dass es nicht daran liegen kann, dass alle Neonazis im Osten und im Westen nur Demokraten leben würden.

Mehr Zivilcourage gefragt

Ihrer Überzeugung nach ist das jahrzehntelang eingeübte Sozialverhalten in beiden Teilen Deutschlands einfach verschieden - im Westen seien die Bürger daran gewöhnt, auch mal zu widersprechen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Dieser Widerspruchsgeist sei im Osten nicht so ausgeprägt, dort würde "die Zivilbevölkerung auf manche Sachen nicht so aktiv reagieren, wie sie das im Westen tut."

Protestzug gegen Neonazis (Foto: picture-alliance/dpa)
Auch Sportvereine müssen ihr Verhältnis zum Rechtsextremismus klärenBild: picture-alliance/dpa

Winfriede Schreiber vom Verfassungsschutz Brandenburg sieht beim Widerstand gegen die Infiltration von Rechts eher die Sportfunktionäre in der Verantwortung. Da setze inzwischen langsam ein Umdenken ein, denn "mehr und mehr Vereine erkennen, dass sie sich zur Demokratie bekennen müssen".

Dabei würden die Vereine ja auch tatkräftig unterstützt, zum Beispiel von den Mobilen Beratungsteams, deren Arbeit Verfassungsschützerin Schreiber ausdrücklich lobt. Anett Müller vom MBT Cottbus wünscht sich für ihre Arbeit noch etwas anderes: mehr Öffentlichkeit. Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte sie, das Thema werde "hier in Brandenburg öffentlich thematisiert, auch von der Politik. Das wünsche ich mir in anderen Bundesländern ebenso."