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Blutverdünner erhöhen Überlebenschancen bei COVID-19

28. August 2020

Bei COVID-19-Patienten kommt es häufiger zu Thrombosen als bei anderen Intensivpatienten. Blutverdünner können laut einer US-Studie vor allem bei künstlich beatmeten Patienten das Sterberisiko deutlich senken.

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Blutzellen
Bild: Colourbox

Das neue Coronavirus SARS CoV-2 attackiert nicht nur die Lunge, sondern verändert auch die Blutgerinnung. Vor allem bei schwer erkrankten COVID-19-Patienten kann es zu lebensgefährlichen Thrombosen kommen.

Bei COVID-19-Patienten kommt es offenbar häufiger zu Thrombosen in den feinen Kapillaren als bei anderen Intensivpatienten. Vermutlich liegt das daran, dass SARS CoV-2 nicht nur in den Lungenzellen, sondern auch an den Endothelzellen in den Gefäßwänden andocken können.

Das Thromboserisiko steigt auch, wenn COVID-19-Patienten übergewichtig sind, einen zu hohen Blutdruck oder Diabetes haben. Die vermehrte Bildung von Blutgerinnseln wird auch mit einer erhöhten Schlaganfallrate, einer sinkenden Nierenleistung und mit den eigentümlichen Hautverfärbungen bei COVID-19-Patienten in Zusammenhang gebracht.

Coronavirus Brasilien Porto Alegre Intensivstation für Covid-19 Patienten
Entzündungen, das lange Liegen und Sauerstoffmangel sind bekannte Risiken für Thrombosen bei Intensiv-PatientenBild: AFP/S. Avila

Ganz unabhängig von COVID-19 ist die Blutgerinnung ein bekanntes Problem bei Patienten auf der Intensivstation. Entzündungen, das lange Liegen und Sauerstoffmangel sind bekannte Risiken für Thrombosen. Und je länger ein Patient beatmet werden muss, desto höher ist das Thrombose-Risiko.

Um solche Gerinnsel zu verhindern, werden gerinnungshemmende Medikamente wie Antikoagulanzien, Plättchenhemmer wie zum Beispiel ASS oder Heparine also "Blutverdünner" eingesetzt, die dafür sorgen, dass bestimmte Bestandteile des Blutes nicht so leicht aneinander haften. Eigentlich ist die umgangssprachliche Bezeichnung ungenau, weil diese Gerinnungshemmer das Blut nicht wirklich flüssiger machen. 

Was besagt die neue US-Studie?

Bei künstlich beatmeten COVID-19-Patienten kann sich eine medikamentöse Blutverdünnung positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken und das Sterberisiko deutlich senken. Das berichten US-Mediziner nach einer Studie mit knapp 4400 Teilnehmern im "Journal of the American College of Cardiology". Demnach sank die Todesrate nach einer Behandlung mit Blutverdünnern um etwa die Hälfte.

Werden die Blutverdünner vorab vorsorglich verabreicht, reduziere sich das Risiko für eine künstliche Beatmung um etwa 30 Prozent, schreibt die Gruppe um Valentin Fuster vom Mount Sinai Hospital in New York. 

Deutschland Thrombosespritze | Heparin
Gerinnungshemmer wie Heparin können Thrombosen verhindernBild: picture alliance/chromorange/R. Roeder

"Als Ärztin, die Covid-19-Patienten an vorderster Front behandelt hat, weiß ich, wie wichtig es ist, Antworten darauf zu haben, was die beste Behandlung für diese Patienten bedeutet», sagt Ko-Autorin Anuradha Lala. Sie und ihre Kollegen hatten Patientendaten von März und April aus fünf Krankenhäusern der Mount Sinai-Gruppe in New York analysiert.

Dabei teilten sie die insgesamt 4389 Patienten in drei Gruppen ein: Eine Gruppe erhielt keine Blutverdünner, die zweite bekam solche Präparate zur Behandlung. Der dritten Gruppe wurde eine geringere Dosis Blutverdünner zur Vorsorge verabreicht.

Verringertes Sterberisiko

Zwar starben knapp 29 Prozent jener Patienten, die therapeutisch mit Blutverdünnern behandelt worden waren. In jener Gruppe, die keine Blutverdünner bekamen, waren es knapp 26 Prozent. Werden aber die Vorerkrankungen und andere Gesundheitsfaktoren der Studien-Teilnehmer berücksichtigt, war das Sterberisiko der therapeutisch mit Blutverdünnern behandelten Patienten um 47 Prozent geringer. Bei der Patientengruppe, die die Medikamente vorsorglich erhalten hatte, war das Risiko um 50 Prozent reduziert.

Das Risiko, künstlich beatmet werden zu müssen, sank bei bei den Gruppen, die therapeutisch Blutverdünner bekamen, um 31 Prozent und bei den vorsorglich behandelten Patienten um 28 Prozent.

Flash-Galerie Blutzellen - Flexible Spediteure
Die Blutzellen des Menschen: Erythrozyten (rot), Leukozyten (gelb) und Thrombozyten (grün)Bild: picture-alliance / dpa

Ernsthafte Komplikationen durch Blutungen, wie sie die Einnahme von Blutverdünnern begünstigen kann, gab es bei drei Prozent der therapeutisch Behandelten und bei unter zwei Prozent bei den vorsorglich behandelten.

Wie reagieren Fachkollegen auf die Ergebnisse? 

In den vergangenen Monaten hatten die Medizinerinnen und Mediziner der Krankenhäuser der Mount-Sinai-Gruppe in New York intensiv Patientenakten retrospektiv untersucht und immer wieder Studien über positive Effekte von Blutverdünnern bei COVID-19-Patienten veröffentlicht.

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Bei COVID-19-Patienten kommt es häufiger zu Thrombosen als bei anderen Intensivpatienten.Bild: DW

Die Aussagekraft dieser  ersten Beobachtungsstudien war begrenzt, weil wichtige Informationen wie die Indikation für die Antikoagulation und Charakteristika, die eine weitere Unterteilung der Gruppe der beatmeten Patienten nach Schweregrad der COVID-19-Erkrankung erlauben, nicht erfasst wurden. Die neue Studie ist in der Hinsicht schon wesentlich aussagekräftiger.

Die Erkenntnisse der Studie sind allerdings nicht wirklich neu: Schon vor Monaten forderte die Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), dass blutverdünnende Medikamente bei der Behandlung von COVID-19 eine stärkere Rolle müssen.

Auch für DIVI-Präsident Uwe Janssens ist das Ergebnis der Studie keine Überraschung: "In den Kliniken ist schon lange bekannt, dass thromboembolische Ereignisse eine häufige Komplikation bei COVID-19 sind."

Behandlungsempfehlungen dazu seien bereits im Juni in einer Leitlinie zahlreicher Fachgesellschaften zur intensivmedizinischen Therapie von Covid-19-Patienten veröffentlicht worden. Dennoch lobt Janssens die großen Datenmengen der aktuellen Studie. Es sei bei der Einlieferung von COVID-19-Patienten ins Krankenhaus sehr wichtig, sich viele Aspekte ihres Zustands genau anzusehen, so Janssens.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund