1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Blaue Karte für Asylanwärter

Jan D. Walter20. Juli 2015

Die Arbeitsagentur hat gefordert, hochqualifizierten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Arbeitsmarktexperten halten das für sinnvoll. Dagegen spricht wenig, eigentlich nur ein CDU-Abgeordneter.

https://p.dw.com/p/1G1r4
Zwei Besitzerinnen einer Blue Card

Hugo Sanchez, dank "Blue Card" in Deutschland

Asylbewerbern erlauben, ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften - das führe nur zu noch mehr Asylanträgen. Mit dieser Logik hat der CDU-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Günter Krings, der "Rheinischen Post" gegenüber abgelehnt, die "Blaue Karte" auch Asylbewerbern zu gewähren.

Die Blaue Karte, oder "Blue Card", ist ein Aufenthaltstitel, der es hochqualifizierten Nicht-EU-Bürgern erlaubt, in EU-Ländern Geld zu verdienen. Bisher ist die Grundvoraussetzung für einen Antrag in Deutschland ein Arbeitsvertrag mit einer Firma mit deutschem Sitz. Das dafür nötige Visum haben politisch Verfolgte und Kriegsflüchtlinge in aller Regel nicht. Deshalb hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) eine andere Regelung für Asylbewerber gefordert.

Günter Krings CDU (Foto: Picture-alliance/dpa)
Der CDU-Abgeordnete Günter Krings lehnt den Vorstoß der BA abBild: picture-alliance/dpa

Dadurch, so CDU-Mann Krings in der Düsseldorfer Tageszeitung, würden Asylbewerberzahlen deutlich in die Höhe schnellen: "Wenn wir Zuwanderungswilligen sagen: Kommt erst mal her, dann sehen wir, ob ihr über den Asylantrag oder die Blue Card bleiben könnt, würde das enorme zusätzliche Anreize für den Missbrauch des Asylverfahrens schaffen."

Aufenthaltstitel für Hochqualifizierte

Die Blue Card ein Anreiz zur illegalen Einreise? Wido Geis, Zuwanderungs- und Arbeitsmarktexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln, glaubt das nicht: "Die weitaus meisten Flüchtlinge kommen überhaupt nicht für die Blue Card in Frage."

Grundvoraussetzungen für eine Blaue Karte sind nämlich ein anerkannter akademischer Abschluss und ein überdurchschnittlich dotierter Arbeitsvertrag. Der Jahresverdienst muss in Deutschland derzeit mindestens 46.400 Euro betragen. Nur in Berufen, in denen der Fachkräfte-Bedarf als besonders hoch angesehen wird, liegt die Untergrenze bei 37.752 Euro. Darunter fallen insbesondere Ingenieure, Naturwissenschaftler, Informatiker und Ärzte.

Zwei Drittel der derzeit 240.000 erfassten Asylbewerber in Deutschland, schätzt Geis, haben jedoch keinerlei Ausbildung.

Keine Schlepperbanden für Akademiker

Sinn der Blue Card ist es, den Mangel an Fachkräften in EU-Ländern auszugleichen. Asylbewerber in dieses Projekt einzuspannen, wäre also ganz im Sinne des Gesetzes. Doch vielen von ihnen ist das normale Prozedere ja nur deshalb versperrt, weil sie politisch verfolgt werden oder weil in ihrem Land Krieg herrscht und sie somit das Arbeitsvisum für Deutschland in ihrer Heimat nicht beantragen können.

Infografik Asylbewerber in Deutschland 2015 Deutsch (Grafik: DW)

Für Menschen hingegen, die diese Anträge stellen können, wäre es viel einfacher, die Arbeitserlaubnis direkt zu beantragen und es nicht über ein Asylverfahren zu versuchen. "Auch wenn die [Genehmigungs-]Verfahren je nach Land und Behörde schon einmal drei Monate oder noch länger dauern können, käme wohl niemand auf die Idee, eine Schlepperbande für Akademiker zu organisieren."

Kein Anreiz für Chancenlose

Auch an einen irrationalen psychologischen Effekt glaubt Geis nicht. Theoretisch sei zwar denkbar, dass die Nachricht über Blue-Cards für Asylbewerber auch Menschen anlockt, die keine reelle Chance auf diesen Aufenthaltstitel haben. Doch für wahrscheinlich hält Geis das nicht: "In Asien machen Gerüchte von üppigen Begrüßungsgeldern die Runde, in Afrika heißt es, jeder dürfe in Deutschland bleiben und arbeiten. In dieser Gerüchteküche dürfte die Blue Card keinen Ausschlag geben."

Blaue Karte eher unattraktiv

Auch Romin Khan, Referent für Migrationspolitik der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, teilt die Befürchtungen des CDU-Abgeordneten Krings nicht: "Die Blaue Karte ist für die meisten Zuwanderer unattraktiv, da sie in anderen Ländern eher willkommen geheißen werden." Hier habe Deutschland Nachholbedarf: "Aufenthaltstitel mit Erwerbserlaubnis sollten nicht nur Hochqualifizierten, sondern auch Bewerbern für Ausbildungs-Berufe offenstehen."

Deutschland Fachkräfte Fachkräftemangel Deutsch-indisches Joint-Venture in Dresden (Foto: Picture-alliance/dpa)
Mehr als jeder fünfte Blue-Card-Inhaber in Deutschland kommt wie Jindam Shrikant aus IndienBild: picture-alliance/dpa

Auch Wido Geis vom IW Köln hält das deutsche Einwanderungsgesetz allgemein für überarbeitungswürdig: "Es ist dermaßen kompliziert, dass selbst Beratungsstellen nicht immer alle Regelungen kennen." Andere Länder wie Australien und Neuseeland seien da viel weiter: "Es wäre sinnvoll, nicht so sehr auf Universitäts-Abschlüsse zu achten, sondern mehr Wert auf die allgemeinen Chancen zur Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt zu legen."

Humanitäre und ökonomische Einwanderung

Bei der Bewertung von Asylanträgen sollten diese Aspekte dagegen keine Rolle spielen. Das findet auch Verdi-Mann Khan: "Humanitäre Einwanderung sollte unabhängig von ökonomischen Interessen gewährt werden."

Dennoch dürfe nicht erst anerkannten Flüchtlingen, sondern auch schon Asylbewerbern der Weg in den Arbeitsmarkt eröffnet werden: "Ausschlüsse und Barrieren zu Beschäftigung treiben die gesellschaftlichen Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen unnötig in die Höhe", sagt Khan. Statt in die Abhängigkeit von Transferleistungen getrieben zu werden, eröffne sich so die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Leben. Gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, stimmt IW-Ökonom Geis zu, sei das sehr wünschenswert.