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Regie-Altmeister Ridley Scott wird 85

Jochen Kürten
30. November 2022

Der Brite Ridley Scott ist einer der erfolgreichsten Regisseure der vergangenen Jahrzehnte. Er schuf Kultfilme - und sitzt noch immer auf dem Regiestuhl. Gerade hat er einen monumentalen "Napoleon"-Film abgedreht.

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Ridley Scott in weißem Hemd und dunklem Jacket blickt in die Kamera
Ridley Scott im September 2021 in Paris Bild: Berzane Nasser/ABACA/picture alliance

"Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet." Vielleicht ist das der berühmteste Satz aus all den berühmten Filmen des Regisseurs Ridley Scott. Ein Satz aus dem Munde eines künstlichen Menschen im Angesicht des Todes. Gesagt hat ihn der charismatische Replikant Roy Batty gegenüber einem Roboter-Jäger, der vielleicht selbst ein künstlicher Mensch ist: Rutger Hauer versus Harrison Ford. Das Finale von Ridley Scotts drittem Spielfilm"Blade Runner" ist heute noch, 40 Jahre nach seiner Uraufführung, sehr präsent in den Augen und Ohren eines jeden Cineasten.

Sein jüngstes Projekt: "Napoleon"

"Blade Runner" zählt zweifellos zu den Meisterwerken dieses Regisseurs, der beim Fernsehen und in der Werbung sein Handwerk lernte und sich erstmals mit 40 Jahren auf den Regiestuhl setzte. 40 Jahre Kindheit, Jugend, erste Arbeitserfahrungen und viele Erfolge in der Werbung. Plus 45 Jahre Spielfilm-Regie in Großbritannien und Hollywood - macht zusammen 85. So alt wird Scott am 30. November 2022. Man mag es eigentlich nicht glauben, so präsent ist er mit seinen Filmen nach wie vor. Mehrere Projekte sind noch in der Mache: etwa das vom Streaming-Dienst Apple+ koproduzierte Historiendrama "Napoleon".

Dass ein Mann in diesem Alter noch Heerscharen von Menschen am Filmset zu dirigieren vermag, ist schon eine Leistung an sich. Seine jüngeren Filme, "Alien: Covenant", "Der Marsianer", "Exodus: Götter und Könige" und "House of Gucci" waren alles andere als ruhige Alterswerke. Sie boten das, wofür Scott berühmt ist: große Ausstattung und exquisite Tricktechnik, Stars in Hülle und Fülle, Filme eben, die zu überwältigen wissen, allein durch ihre optische Brillanz und Fülle.

Scott beim Dreh von "Exodus: Götter und Könige"
Erklärt den Kinozuschauer immer visuell opulent die Welt: Scott beim Dreh von "Exodus: Götter und Könige" Bild: picture alliance/AP Photo/K. Brown

Ein Brite in Hollywood

Scott ist Brite, geboren in South Shields, einer kleinen Hafenstadt im Nordosten Englands. Inzwischen darf er sich Sir nennen, 2003 wurde er von der Queen zum Ritter geschlagen. Da gehörte er in Hollywood längst zum Regieadel, seine Filme waren Kassenschlager. Ein paar kommerzielle Tiefschläge hatte er auch zu verkraften, langfristig geschadet aber hat dies seiner Regiekarriere nicht. Eingeprägt in das Gedächtnis der Kinogänger haben sich die Arbeiten, die inzwischen und verdientermaßen das Attribut "Kult" innehaben.

"Blade Runner" gehört dazu, "Alien" natürlich auch. Aber auch Werke wie "Thelma & Louise" und "Gladiator" haben dem Regisseur Einträge in die Geschichtsbücher des Kinos eingebracht. Es gibt auch Kritik: So wird ihm Scott vorgeworfen, er setze in seinen Filmen zu sehr auf Überwältigung durch Ausstattung und Filmbauten, ausgedehnte Kamerafahrten und Statistenheere. Dadurch hätten seine Werke eine allzu perfekte Hülle, in denen sich nichts Menschliches mehr regen könne.

"Scott ist ein visueller Hypnotiseur"

"Als kalt und post-human gelten Scotts Filme wohl auch, weil sie oft Figuren in den Mittelpunkt rücken, die menschliche Gefühle kaum verstehen", schrieb ein deutscher Kritiker anlässlich von Ridley Scotts 80. Geburtstag. Der Begriff des "Post-Humanen" stammt von der 2019 verstorbenen Grande Dame der US-amerikanischen Filmkritik, Pauline Kael, die den Regisseur einmal auch als "visuellen Hypnotiseur" bezeichnete.

Da ist natürlich etwas dran. Bei manchen von Scotts Werken hat der Zuschauer nach Ende des Films das Gefühl, zwei Stunden hypnotisiert gewesen zu sein - ohne sich recht erinnern zu können, um was es denn nun alles gegangen ist. Das betrifft aber nur die weniger geglückten Arbeiten des Briten. In seinen besten Filmen hat Scott sein handwerkliches Können traumwandlerisch zu verbinden gewusst mit einer erzählerischen Dichte und visionären Kraft.

Ridley Scotts Film "Ein gutes Jahr" mit Marion Cotillard und Russel Crowe
Seltener Ausflug in die leichte Unterhaltung: Scotts Film "Ein gutes Jahr" mit Marion Cotillard und Russel CroweBild: picture alliance/kpa

Scott ist bekannt dafür, dass er seine oft bildgewaltigen Filme ungewöhnlich schnell abdreht. Für den Spielfilm "Alles Geld der Welt" habe er nur 43 Tage gebraucht, erzählte Scott im Oktober 2017 dem US-Magazin "Vanity Fair". "Ich bin super schnell", setzte der Regisseur noch drauf. Wenig später reagierte Scott blitzschnell auf einen Skandal um den Darsteller Kevin Spacey, der in dem Entführungsdrama den Ölmilliardär Jean Paul Getty spielte. Nach massiven Vorwürfen sexueller Belästigung schnitt Scott kurzerhand alle Szenen mit Spacey raus und ließ sie mit Christopher Plummer nachdrehen. Der Film kam planmäßig im Dezember des Jahres in die Kinos.

Wo ist der Oscar für Ridley Scott?

Trotz der vielen Filme und und Auszeichnungen ging Ridley Scott selbst bei den Oscars bislang leer aus. Drei Mal war Scott in der Regie-Sparte schon nominiert: 1992 (für sein Roadmovie "Thelma & Louise"),  2001 (für "Gladiator") und 2002 (für den Kriegsthriller "Black Hawk Down"). Im Moment steckt Ridley Scott mitten in der Postproduktion - und die Filmbranche rätselt, ob Geldgeber Apple TV+ das mit Spannung erwartete Prestigeprojekt noch vor Jahresende in die  Kinos bringen wird. Das wäre eine Voraussetzung für "Napoleon", um im Oscar-Rennen 2023  mitzumischen.

Dies ist die aktualisierte Fassung eines Porträts von 2017.