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Politik

Rakhine: gefangen in der Blackbox

Verena Hölzl
26. Juni 2019

Am vergangenen Wochenende stellte Myanmar das Internet ab. Fast eine Million Menschen sind seitdem im Krisenstaat Rakhine in einer Informations-Blackbox gefangen. Verena Hölzl aus dem benachbarten Bangladesch.

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Myanmar, Buthidaung -  Ein Grenzschutzpolizist
Bild: picture-alliance/E. Htusan

"Ich fürchte um alle Zivilisten in Rakhine", sagte Yanghee Lee, die Menschenrechtsbeauftragte der UN für Myanmar. Sie will erfahren haben, dass Myanmars Militär eine sogenannte Sicherheitsoperation durchführt. "Wir alle wissen inzwischen, was das bedeuten kann", sagte sie.

Die Regierung von Myanmar sagt, das Kappen der Internetverbindung diene dazu, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Das Kommunikationsministerium ließ offen, wie lange die Blockade dauern soll. Ein Sprecher sagte, das Internet werde wieder zugänglich sein, "wenn Friede und Ordnung in der Region wieder hergestellt sind". Das Telefonieren und das Versenden von Sprachnachrichten sind weiterhin möglich.

2017 floh fast eine Million muslimische Rohingya in einem spektakulären Exodus vor dem Militär aus dem Krisenstaat Rakhine ins benachbarte Bangladesch. Zuvor steckten Soldaten nach einem Angriff aufständischer Rohingya auf Sicherheitskräfte unter dem Vorwand einer "Sicherheitsoperation" mehrere hundert Dörfer der Minderheit in Brand. Es kam zu Vergewaltigungen und Massenmorden. Die UN spricht von ethnischer Säuberung und Völkermord.

Man in Phone Shop
(Archiv) Telefonshop in RangunBild: DWA/K. James

Buddhisten im Visier

Inzwischen zielen die Operationen des Militärs nicht mehr nur auf die muslimische, sondern auch auf die buddhistische Bevölkerung ab. Die buddhistischen Rakhine stellen im Westen des Landes die Mehrheit, sind in Myanmar selbst aber eine seit Jahrzehnten unterdrückte Minderheit.

Nach einer Attacke von Aufständischen Arakan Army (AA) auf Polizeiposten im Januar, die ihre Rekruten in der buddhistischen Bevölkerung Rakhines findet, eskalierte der Konflikt mit dem Militär. Der UN zufolge wurden mindestens 30.000 Menschen vertrieben. Amnesty International bezichtigt das Militär erneut, Kriegsverbrechen in Rakhine zu begehen. Amnesty und anderen Menschenrechtsgruppen zufolge werden Zivilisten willkürlich verhaftet, gefoltert und umgebracht. 

Teilweise gingen Menschenrechtsverletzungen auch auf das Konto der Arakan Army, die mehr Selbstbestimmung für die Rakhine fordert. Die Rakhine fühlen sich vom Zentralstaat unterdrückt. Der Teilstaat zählt zu den ärmsten des Landes. 

Zusammenstoß Buddhisten Muslime Myanmar Lashio 29.05.2013
(Archiv) Bewaffnete Buddhisten in MyanmarBild: Reuters

Internet als Kommunikationsbrücke

Da Journalisten und unabhängige Beobachter sich seit mindestens zwei Jahren nicht frei in der Krisenregion bewegen dürfen, war das Internet ein wichtiges Instrument, um zu erfahren, was in Rakhine vor sich geht. Viele Informationen gelangten nur über Facebook oder Whatsapp an die Außenwelt. Diese Kommunikationsbrücke ist nun gekappt.

Auf einer Pressekonferenz behauptete das Militär, man habe keine Informationen über den Shutdown. Das verantwortliche Ministerium untersteht der Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die zu Vorwürfen der Menschenrechtsverletzungen durch das Militär stoisch schweigt, seit ihre Partei sich auf einen Machtdeal mit den Generälen eingelassen hat.

Myanmar Facebook
(Archiv) Facebook-Werbung in MyanmarBild: Getty Images/AFP/Y. A. Thu

Der norwegische Telekommunikationsanbieter Telenor berichtet, das myanmarische Transport- und Kommunikationsministerium habe alle Anbieter angewiesen, ihre Internetdienste in neun Bezirken im Konfliktgebiet zeitweise einzustellen. Das Ministerium habe auf "Störungen des Friedens in der Region" und Internetaktivitäten verwiesen, die dazu benützt würden, "illegale Aktivitäten" in der Region zu "koordinieren", hieß es weiter. Telenor zufolge wurden die Internetdienste am vergangenen Freitag eingestellt. 

Vier-Schritte-Strategie des Militärs

Rakhine ähnelt inzwischen seit Jahren einer Blackbox, in der das Militär auf Kosten der Zivilbevölkerung scheinbar unbeobachtet tun kann, was es möchte. Hilfsorganisationen müssen um Zugang zum Konfliktgebiet mit den Behörden kämpfen. Journalisten werden nur selektiv und im Rahmen geführter Pressetouren in die Region gelassen. 

Seit Jahrzehnten wendet das burmesische Militär die "Strategie der vier Schnitte" an: Die Rebellen sollen in die Knie gezwungen werden, indem sie von Information, Rekruten, Verpflegung und Kommunikation abgeschnitten werden.

"Ich mache mir solche Sorgen, ich falle hier auf die Knie vor Angst um meine Liebsten in Rakhine", sagt Yasmin Ullah, eine Rohingya, die im bangladeschischen Exil lebt, auf Facebook. "Jetzt nimmt man ihnen auch noch ihre Stimmen weg, den letzten Schutz, den sie haben."