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Politik

Höcke will seine Macht ausweiten

Kay-Alexander Scholz
17. September 2019

Der Rechtsaußen-Mann der AfD - Björn Höcke - will die AfD verändern. Wie weit nach rechts es sein wird, klärt sich bis Ende des Jahres. Der Abbruch eines ZDF-Interviews scheint ihm jedenfalls nicht geschadet zu haben.

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Björn Höcke von der AfD
Bild: DW/K.-A. Scholz

"Höcke ist da, Höcke ist da!" raunten die AfD-Mitglieder samt Presse im Saal. Eigentlich war es die Wahlparty der Brandenburger AfD. Mit Höcke als Gast hatten sie nicht gerechnet. Schließlich ist er Landesvorsitzender in Thüringen und nicht einmal im Bundesvorstand der Partei. "Höcke! Höcke!"-Rufe in Richtung Bühne gab es dann trotzdem. Und die Journalisten wollten unbedingt wissen, welche Pläne Höcke hat.

Ende Oktober wird in Höckes Bundesland Thüringen ein neues Parlament gewählt. Bislang steht die AfD dort auf Platz zwei mit zuletzt 25 Prozent. Sollte die AfD hier stärker abschneiden als bei der Wahl in Sachsen vor einigen Wochen mit 27,5 Prozent, bekäme Höcke - noch mehr - Rückenwind. Den hat er sowieso schon, weil in Ostdeutschland, wo Höcke viele Parteifreunde hat, besonders viele AfD wählen.

Wichtige Wahlen Ende November

Höcke hat 2015 den "Flügel" als Interessenvertretung der AfD-Hardliner ins Leben gerufen. Inzwischen werden ihm 40 Prozent der Partei zugeordnet. Doch das sind Schätzwerte, denn eine offizielle Parteigruppierung ist der "Flügel" nicht. Weit über Thüringen hinaus nimmt der "Flügel" Einfluss auf Personal und Richtung anderer Landesverbände. Das geschieht nach und nach. Der Erfolg zeigt sich auch darin, dass Gegenversuche Gemäßigter, sich zu organisieren oder ihre Stimmen zu bündeln, regelmäßig im Sande verlaufen.

Strategische Tipps holt sich Höcke beim "Institut für Staatspolitik" von Götz Kubitschek. Der neu-rechte Thinktank wurde um die Jahrtausendwende gegründet. Solche Berater haben die meisten anderen AfD-Chefs nicht. Zuletzt aber war es um Höcke ruhiger geworden.

Dass die Ruhe vorbei ist, machte Höcke vor einigen Wochen deutlich. Er kündigte an, bei den kommenden Wahlen zum neuen AfD-Bundesvorstand Ende November seinen Einfluss vergrößern zu wollen. Das interpretieren viele als Kampfansage. Bislang ist der "Flügel" im Vorstand unterrepräsentiert. Wie genau das aussehen könnte und ob Höcke selber kandidieren wird, soll nicht vor der Thüringen-Wahl diskutiert werden, heißt es, sondern erst danach. Seine Kandidatur aber ist so wahrscheinlich wie schon lange nicht mehr.

Eklat bei TV-Interview

Es gibt wohl niemanden in der AfD, der so stark polarisiert wie Höcke. "Hach, bloß nicht wieder der", sagen seine Gegner kopfschüttelnd. Für Liberalere in der AfD ist er ein rotes Tuch. Weil er eher gemäßigte Wähler verschrecke, sagen sie. Für alle anderen ist er derjenige, der sich nicht einschüchtern lasse, ist oft zu hören, und "Klartext" rede. Stil und Rhetorik kommen an, selbst wenn diese an den Nationalsozialismus erinnern.

Prominent wurde Höcke durch seine bewusst inszenierten Tabubrüche und Grenzverletzungen. So forderte er eine Wende in der Erinnerungskultur - weg von der Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus. Das Prinzip solcher Angriffe ähnelt sich. Weil sich Öffentlichkeit und Medien empören, gibt es Schlagzeilen. So wird die eigene Klientel bedient, die sich - angegriffen - zusammenrauft.

Screenshot Björn Höcke im ZDF Interview Berlin direkt
Der Moment in dem Björn Höcke das Interview-Set verlässtBild: ZDF/Berlin direkt

Vor einigen Tagen passiert es wieder, dieses Mal bei einem öffentlich-rechtlichen TV-Interview. Zur Erinnerung: In Thüringen ist Wahlkampf. Höcke wollte das Interview nochmal neu beginnen. Seinem Pressesprecher hatte der Verlauf des Interviews nicht gepasst, in dem es um - unbequeme - Vergleiche zwischen Höcke und Hitler ging. Das Team vom ZDF aber lehnte einen zweiten Anlauf ab. Letztendlich wurde das Gespräch abgebrochen, nachdem Höcke mit "Konsequenzen" gedroht hatte.

Wer allerdings glaubt, Höcke ging als Verlierer von der Bühne, wird auf seinem Facebook-Account eines Besseren belehrt. Die Kommentare unter dem Interview-Posting zeigen, wie seine Fans umso enger zusammenrückten. Die "Neue Züricher Zeitung" fasste das Dilemma gut zusammen: "Für die Höcke-Gegner ist das Interview Bestätigungs-Fernsehen, die Höcke-Fans werden es als einen Beleg für die Benachteiligung ihres Idols im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehen."

Eine Sprache wie zu Zeiten des Nationalsozialismus

Das Thema des Interviews, die Sprache Höckes, wurde in den deutschen Medien nach dem Eklat kaum thematisiert. Stattdessen ging es um die Modalitäten des Interviews und das Verhältnis zwischen Medien und AfD.

Der Soziologe und Rechtsextremismus-Experte Andreas Kemper forscht seit Jahren zur Rhetorik von Höcke. Ausführlich und wissenschaftlich vergleicht er die Worte von Höcke mit deren des Nationalsozialismus. Vor allem in vier Punkten lasse sich eine systematische Ähnlichkeit erkennen, beschreibt Kemper. Die "Rede vom organischen Volk, die Verfalls-Topographie, die Krankheit und Ungeziefer-Metaphorik sowie die Selbststilisierung als nationale Bewegung" seien laut Kemper Anlehnungen an das Standardvokabular der Nationalsozialisten. Kemper sieht auch konkrete Worte oder Redewendungen, die an die Sprache von damals erinnern: "entartet, Tat-Elite, Bewegungspartei, Volksverderber, dass, Deutschland erwache, tausendjährige Zukunft". Höcke, der Geschichtslehrer ist, könne man unterstellen, dass er nicht zufällig dasselbe Vokabular benutze, so Kemper.

Strategisch geht es dabei zunächst um Anschlussfähigkeit ins rechtsextreme Milieu. Dass dies schon Erfolg hat, zeigt die Marginalisierung der NPD, einer Partei noch rechts von der AfD. Die jüngsten Wahlergebnisse im Osten dokumentieren das. Aber es geht auch darum, den Mainstream zu beeinflussen. Ideen und Vokabular unter die Leute zu bringen, die sich dann wie Meme verbreiten. Denn die AfD hat bislang keine direkte politische Gestaltungsmacht. Die Sprache ist ihr schärfestes Schwert. Doch Sprache zeigt auch immer, wessen Geistes Kind man ist.