1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
GlobalisierungUganda

Bitterer Kaffee: Ugander warten weiter auf Entschädigung

Simone Schlindwein in Mubende, Uganda
1. August 2024

Vor 22 Jahren wurden in Uganda mehr als 2000 Menschen vertrieben, um einer Kaffeeplantage für den deutschen Konzern Neumann Platz zu machen. Seitdem kämpfen sie vor Gericht für Gerechtigkeit.

https://p.dw.com/p/4iyQU
Hände ernten reife Kaffeekirschen
So sehen die reifen Kaffeekirschen aus, die den Exporteuren gutes Geld einbringen - und den früheren Bewohnern des Areals bis heute nichtsBild: Simone Schlindwein

Als der Verhandlungstermin wieder einmal vertagt wird, zeigt sich Scola Namuyanja enttäuscht. Gemeinsam mit rund einem Dutzend ihrer Mitstreiter und Mitstreiterinnen steht die 67-jährige Frau im Hof des Hohen Gerichts in Ugandas Kleinstadt Mubende, rund 140 Kilometer von der Hauptstadt Kampala entfernt. Sie alle haben sich an diesem Dienstag aus ihren Dörfern auf den umliegenden Hügeln nach Mubende aufgemacht und ihre schwarzen T-Shirts übergestreift, die sie jüngst haben drucken lassen: "22 Jahre Kampf für Gerechtigkeit - umsonst!", steht darauf geschrieben.

Klägerinnen und Kläger stehen in lockerer Runde zusammen
"22 Jahre Kampf für Gerechtigkeit - umsonst!" - die Träger dieser T-Shirts sind erkennbar frustriert, weil sie immer noch nicht entschädigt wurdenBild: Simone Schlindwein

Bäuerinnen und Bauern wie Namuyanja haben bereits im Jahr 2002 die ugandische Regierung verklagt - und außerdem den deutschen Kaffeekonzern Neumann Kaffee Gruppe (NKG), beziehungsweise dessen ugandischen Ableger, die Kaweri-Kaffeeplantage. Nach Angaben der Kläger wurden die 400 Familien, die damals auf den Hügeln rund um Mubende lebten, im Jahr zuvor gewaltsam vertrieben, um der rund 2500 Hektar großen Plantage Platz zu machen. Bis heute sei ihnen keine Entschädigung bezahlt worden.

Vertrieben von Soldaten

Die 67-jährige Namuyanja erinnert sich noch genau an die Zeit im Jahr 2001: "Wir hörten Präsident Yoweri Museveni sagen, dass er unser Land an Investoren vergeben habe und wir für all unseren Besitz entschädigt würden: für unser Land, unser Haus, unsere Nutzpflanzen", so die alte Frau. Die Regierung habe ein neues Stück Land versprochen, wo auch eine Schule und ein Gesundheitszentrum errichtet werden sollten. Doch stattdessen gab es dort nur Wald, so Namuyanja. "Es gab keine Schule, kein Krankenhaus - nicht einmal eine Wasserquelle." Deswegen sei sie nicht umgezogen. "Als dann die Frist ablief, kamen Soldaten der Armee und haben uns mit Gewalt vertrieben", berichtet sie. Heute lebt sie mit ihren Söhnen und Enkelkindern in einer armseligen Lehmhütte am Rande der Plantage.

Die Sache mit den Landrechten in Uganda ist verzwickt. Laut Verfassung dürfen ausländische Firmen gar kein Land kaufen, sondern nur auf bestimmte Zeit pachten. Im Fall der Kaffeeplantage hat Ugandas Investmentbehörde im April 2001 die 2500 Hektar in Mubende erworben, um sie dann an Neumann zu verpachten. Die DW konnte den Kaufvertrag vom April 2001 über 350.000 US-Dollar einsehen. Darin verpflichtet sich der vormalige Eigentümer des Grundstücks, der Großgrundbesitzer Emmanuel Kayiwa, Ausgleichsflächen für die Bewohner zu erwerben. Neumann zahlte dafür vorab 12.000 Euro.

Neumann sieht sich nicht in der Schuld 

Neumann legt Wert auf ein gutes Image: Das Hamburger Traditionsunternehmen gilt mit 60 Tochtergesellschaften in 27 Ländern als führender Konzern im Bereich Rohkaffee und betreibt Plantagen in Mexiko, Brasilien und in Uganda. Im eigenen Code of Conduct versichert Firmenchef David Neumann: Die Verantwortung "füreinander, sowie gegenüber den Lieferanten, lokalen Gemeinschaften und Kunden" werde "ernst" genommen.

Mehrere Aktivisten mit Corona-Schutzmasken stehen vor einer überdimensionalen Kaffeebohne und halten Plakate in die Höhe
Ende 2020 demonstrierten Aktivisten vor der Konzernzentrale der Neumann Kaffee Gruppe für die Rechte der lokalen Bevölkerung in Uganda - und für ein Lieferkettengesetz, das deutsche Unternehmen in ähnlich gelagerten Fällen zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichten würde. Das Gesetz ist seitdem Realität geworden - die Entschädigungen im Fall der Kaweri-Plantage lassen weiter auf sich warten.Bild: frank bründel/rtn/picture alliance

Die Plantage zieht sich über zahlreiche Hügel. Kaffeesträucher in Reih und Glied, so weit das Auge reicht. Neumann hat der DW erlaubt, die Gewächshäuser zu besichtigen, wo 70.000 Setzlinge gezogen werden. Die hochmoderne Waschstation kann 5000 Tonnen grüne Bohnen pro Stunde verarbeiten. Anschließend werden sie in der Sonne getrocknet, in Säcke verpackt und in alle Welt exportiert. Mit einem Umsatz von über 14 Millionen Säcken jährlich beherrscht Neumann fast zehn Prozent des weltweiten Kaffeeverbrauchs. 

Zum Rechtsstreit in Uganda will Neumann kein Interview geben. Fragen werden nur per Email beantwortet oder es wird auf die Webseite verwiesen: Man habe sich von Beginn an mit der ugandischen Regierung darauf verständigt, dass "nur sogenanntes 'clean title land' für eine spätere Pacht infrage kommt - also Land, das frei von Ansprüchen dritter Parteien ist", so Neumann.

Der Prozess wird verschleppt 

In einem ersten Urteil 2013 wird die ugandische Regierung freigesprochen. Grundbesitzer Kayiwa soll zwar 11 Millionen Euro an Entschädigungen zahlen - dazu kommt es aber erst einmal nicht, weil er Berufung einlegt. Inzwischen ist er verstorben, und die Kläger versuchen, ihre Ansprüche bei der ugandischen Regierung geltend zu machen.

Eine Hand hält den Grundbuchauszug ins Bild, im Hintergrund stehen einige Menschen
Immer noch ein Beweismittel: ein Grundbuchauszug im Zusammenhang mit dem EntschädigungsprozessBild: Simone Schlindwein

Mit Hilfe der deutschen Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Information and Action Network) beschweren sich die Bauern 2015 beim UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR). Seitdem waren sowohl auf deutscher als auch auf ugandischer Seite zahlreiche hochrangige Politiker involviert. Es wurde versucht, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. 

Erst 2017, auch auf Druck der deutschen Regierung hin, legen Vertreter des ugandischen Präsidenten den Klägern ein Angebot für einen Vergleich vor. Alle weiteren Anhörungen verzögerten sich aufgrund der Corona-Pandemie

Eine Einigung - und ein weiterer Prozess

Im April 2021 kam dann die finale Einigung zustande - mit einer Entschädigung von weniger als einer Million Euro, statt der ursprünglich geforderten 30 Millionen Euro. "Ich erinnere mich, wie der Richter damals darauf bestanden hatte, dass diese Leute umgehend bezahlt werden sollten", sagt Francis Katabalva, der als Anwalt vertriebene Familien seit 22 Jahren begleitet. "Leider ist auch das bis heute nicht geschehen." Auf Anfrage bei Ugandas Finanzministerium, warum dies nicht geschehen sei, antwortet der Pressesprecher nicht. 

Eine alte Frau steht mit ihren zwei Söhnen und einem Enkel vor ihrem kleinen Haus
Scola Namuyanja (Mitte) kämpft weiter für eine angemessene EntschädigungBild: Simone Schlindwein

143 Betroffenen, darunter auch Scola Namuyanja, war dies nicht genug. Sie bestehen darauf, ihr Land zurückzubekommen. Ihre Klage wurde 2022 an das Hohe Gericht in Mubende überstellt - mit der Auflage, den Prozess ganz neu aufzurollen. 

Im Mai dieses Jahres war eine Delegation des deutschen Bundestags zu Besuch, hat sich die Geschichte der ugandischen Bauern angehört. Diese haben den Abgeordneten aus Berlin eine Petition überreicht, um den politischen Druck zu erhöhen. Zwar kann das neue deutsche Lieferkettengesetz nicht rückwirkend angewandt werden, mit dem höher in der Lieferkette angesiedelte Unternehmen wie Neumann bei Menschenrechtsverstößen in die Pflicht genommen werden könnten. Dennoch will Namuyanja nicht aufgeben: "Ich fordere bis heute, dass Neumann uns entschädigt und die Plantage nicht erweitert, um mir nicht auch noch dieses Land wegzunehmen."