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Bis zu 700 tote Flüchtlinge befürchtet

19. April 2015

Schon wieder ein tragisches Unglück im Mittelmeer: Südlich der italienischen Insel Lampedusa kenterte nach Medienberichten ein Boot mit Flüchtlingen. Es wird befürchtet, dass fast 700 Migranten ertranken.

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Ein Rettungsring auf einem Patrouillenschiff bei der Operation Triton der Grenzschutzagentur Frontex (Foto: DW, Bernd Riegert)
Bild: DW/B. Riegert

Die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet, dass das Boot in der Nacht zum Sonntag knapp außerhalb libyscher Gewässer 120 Meilen südlich der italienischen Insel Lampedusa gekentert sei. Etwa 700 Menschen würden vermisst, sagte Carlotta Sami, Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, dem italienischen Fernsehsender RAInews24. 28 Überlebende konnten von einem Handelsschiff aufgenommen werden, das die Rettungskräfte alarmierte. Diese sind auf dem Weg zum Unglücksort südlich von Lampedusa, wie die Zeitung "Times of Malta" meldet.

Das Unglück soll sich gegen Mitternacht ereignet haben. Unbestätigten Berichten zufolge kippte das Boot um, als die Insassen auf eine Seite drängten, weil sich ein Handelsschiff näherte. Mit Hubschraubern, Booten der italienischen Küstenwache und mit Hilfe von Frachtern wird südlich der Insel Lampedusa nach Überlebenden gesucht. Wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtet, sind bislang 24 Leichen geborgen worden.

Papst drängt zum Eingreifen

Papst Franziskus forderte die internationale Gemeinschaft angesichts der erneuten Flüchtlingstragödie zu einem entschiedenen Eingreifen auf. "Ich appelliere sorgenvoll, dass die internationale Gemeinschaft mit Entschlossenheit und Schnelligkeit handelt, um zu verhindern, dass sich ähnliche Tragödien wiederholen", sagte der Argentinier nach dem wöchentlichen Regina-Coeli-Gebet auf dem Petersplatz in Rom. Er drückte seinen "tiefen Schmerz" aus und versicherte, für die Opfer und ihre Angehörigen zu beten. "Es sind Männer und Frauen wie wir, unsere Brüder, die ein besseres Leben suchen, hungrig, verfolgt, verletzt, erschöpft, Opfer von Kriegen", ergänzte der 78-Jährige.

Der französische Staatspräsident Francois Hollande schlug nach dem Unglück ein Treffen der EU-Außen- und Innenminister vor. Zudem sprach er sich für eine intensivere Überwachung des Meeres aus.

Flüchtlingsdramen häufen sich

Nach dem jüngsten Schiffsunglück befürchtet das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) die schlimmste Flüchtlingskatastrophe der jüngeren Vergangenheit in der Region. Sollte sich die Bilanz bestätigen, würde sie das Ausmaß der Katastrophe von Lampedusa 2013 noch übertreffen, sagte ein UNHCR-Sprecher in Genf. Im Oktober 2013 waren vor der italienischen Mittelmeerinsel mindestens 366 vor allem aus Somalia und Eritrea stammende Flüchtlinge ertrunken, als ihr Boot Feuer fing und kenterte.

Erst Anfang der Woche war ein voll besetztes Boot mit Migranten auf der Fahrt von Libyen nach Italien gekentert. Dabei sollen Hunderte Menschen ertrunken sein. Die Hilfsorganisation Save the Children geht nach Berichten von Überlebenden von bis zu 400 Toten aus.

Triton statt Mare Nostrum

Italien hatte im vergangenen Jahr seine großangelegte Such- und Rettungsmission, Mare Nostrum, beendet. Diese war 2013 nach der Tragödie vor Lampedusa ins Leben gerufen worden. Mare Nostrum wurde ersetzt durch die Triton benannte Grenzkontrollmission der Europäischen Union. Im Gegensatz zu Mare Nostrum hat Triton keinen konkreten Such- und Rettungsauftrag. Die Kritik daran von Menschenrechtsorganisationen und Politikern nimmt mit jedem Bootsunglück zu.

Infografik: Das Mittelmeer ist tödlichste Flüchtlingsroute der Welt (Grafik: DW)

Die italienische Küstenwache brachte am Wochenende weitere Migranten in Sicherheit. Wiederholt kamen Boote mit Flüchtlingen an den italienischen Küsten an. Allein in der vergangenen Woche sollen es etwa 11.000 Menschen gewesen sein. Seit Anfang des Jahres sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk mehr als 900 Menschen bei der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer ums Leben gekommen. Im vergangenen Jahr erreichte die Zahl der Bootsflüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa gelangten, mit rund 219.000 nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks einen Höchststand. 3.500 Menschen kamen im Jahr 2014 bei der gefährlichen Passage nach Europa ums Leben.

kle/fab (dpa, afpe, rtre, epd)