Die Bayreuther Festspiele nach einer glanzlosen Saison
28. August 2016Die 105. Bayreuther Festspiele sind am 28. August so zu Ende gegangen, wie sie am 25. Juli begannen: mit einer Aufführung des "Parsifal". Die Inszenierung von Regisseur Uwe Eric Laufenberg, der Richard Wagners letztes - und rätselhaftestes - Werk auf die Bühne brachte, sorgte im Ausland für weitgehend positive Kritik. Die New York Times nannte die Inszenierung: "erhaben und provokativ (…) eine kühne Vision". Aus dem deutschsprachigen Sprachraum fielen die Urteile dagegen vorwiegend negativ aus. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hieß es: "Diese katastrophale, blauäugig dekorative Nicht-Auseinandersetzung mit diesem heiklen Stoff, an diesem auratischen Ort, ist ein Skandal."
Laufenberg hatte die Bühnenbilder mit vielen religiösen Motiven garniert und in seiner Deutung der Oper auf eine Überwindung der Weltreligionen angespielt. Mitte August setzte er sich dann mit den Kritikern in einem Artikel auf dem Onlineportal Nachtkritik.de auseinander. "Leider haben sich große Teile des etablierten Feuilletons in ein geschlossenes System begeben, das die unvoreingenommene Betrachtung eines Theater- oder Opernabends nicht mehr zulässt", schrieb er.
Bayreuth nicht in Feierlaune
Nach der Eröffnungsvorstellung hatte es jedoch ganze zehn Minuten Applaus gegeben. Vor allem für das starke Solisten-Ensemble und für den Dirigenten Hartmut Haenchen, der kurzfristig eingesprungen war, gab es Beifalls-Stürme.
Das Publikum hatte einen Flaschenhals an Gepäck und Karten-Kontrollen passieren müssen, ehe es zum Epizentrum des Wagner-Universums zugelassen wurde: dem vom Komponisten selbst entworfenen Festspielhaus. Die Außenfassade wirkt nach Renovierungsarbeiten zwar erneuert, doch es fehlte in diesem Jahr das Promi-Aufgebot, das sich sonst in Bayreuth blicken lässt. Auch der Staatsempfang fiel aus, um der Opfer von vier Terroranschlägen innerhalb einer Woche in Deutschland zu gedenken.
Die strengen Sicherheitsvorkehrungen wurden von den Besuchern begrüßt. Die Kontrollen würden jedoch auch in Zukunft ein Thema sein, sagte Festspiel-Geschäftsführer Holger von Berg: "Es wird weiterhin einen Zaun geben, und die Tore werden geschlossen sein."
Von Berg musste auch das einst Undenkbare erklären: In diesem Jahr wurden nicht alle Karten verkauft. Im Verlauf der fünfwöchigen Festspiele blieben bei 30 Aufführungen insgesamt knapp 40 Sitze leer.
Damit waren die Festspiele zwar eigentlich ausverkauft, doch nur so gut wie. Vorbei sind jedoch die Tage, als Menschen vor dem Kartenbüro kampierten, in der Hoffnung eine Karte zum exklusiven Event zu ergattern. Im Laufe des Jahres wurden Karten auf der Webseite der Bayreuther Festspiele immer wieder angeboten. Eine Auswirkung des Online-Verkaufsportals, so die Festspielesprecher, seien mehr Besucher aus dem Ausland.
Wagners Mythos verblasst?
Die künstlerische Leiterin Katharina Wagner, eine Urenkelin des Komponisten, hielt sich in diesem Jahr bei öffentlichen Auftritten weitgehend zurück, beteiligte sich jedoch aktiv bei den Liveübertragungen der Aufführungen.
Die mediale Verbreitung der Wagner-Festspiele war diesmal tatsächlich breitflächiger als je zuvor: Alle sieben Aufführungen der Premierenwoche: - "Parsifal," "Tristan und Isolde," "Der fliegende Holländer" und der Vieropern-Zyklus "Der Ring des Nibelungen" - wurden in rund 100 Kinos in Deutschland und im Ausland live übertragen, außerdem liefen sie im Fernsehen in Deutschland, England und Japan.
So erreichen die Festspiele inzwischen ein Publikum, das um ein Vielfaches größer ist als das in Bayreuth vor Ort. Damit wird Richard Wagners ursprüngliche Idee eines demokratischen, für Jedermann offenen Festivals annähernd verwirklicht. Glanz und Mythos dieser Festspiele liegen allerdings auch in deren Exklusivität begründet. Sind die Bayreuther Festspiele nur noch ein Medienevent unter vielen? Es scheint zumindest möglich.
Bayreuth-Publikum wünscht sich relevantere Inszenierungen
Beobachter klagen, dass wenig auf dem Spielplan bliebe, was das Publikum wirklich beschäftigt oder erregt. Im vierten Jahrgang bietet die Inszenierung der "Ring"-Tetralogie durch Frank Castorf weiterhin beeindruckende Szenen und viele Regiegags, aber trotzdem eine uninspirierte Personenregie. Dafür gab der 77-jährige Marek Janowski einen gelungen Einstand als Dirigent der Produktion.
Zum Abschluss der Saison gaben die Festspiele Einzelheiten der Planung bekannt: Hartmut Haenchen wird 2017 wieder als Dirigent bei "Parsifal" engagiert, außerdem wird ein zweitägiges Symposium zum Thema "Wagner im Nationalsozialismus" stattfinden. 2018 steht "Lohengrin" auf dem Spielplan, der bekannte deutsche Künstler Neo Rauch wird Bühnenbildner bei der von Regisseur Alvis Hermanis inszenierten Produktion sein. 2019 schließlich wird es unter dem Regisseur Tobias Kratzer eine "Tannhäuser"-Neuinszenierung geben.
Die Antwort auf spannendere Fragen liegt in der Zukunft: Wie wird im kommenden Jahr die Inszenierung von "Die Meistersinger aus Nürnberg" durch den australischen Regisseur Barrie Kosky ausfallen? Und: Wird sie oder wird sie es nicht? "Sie" ist in diesem Fall die russische Diva Anna Netrebko, die vielleicht in der Oper "Lohengrin" 2018 auftreten wird. Das vom Publikum heiß ersehnte Debüt wurde allerdings noch nicht bestätigt. Und das zweite große Rätsel lautet: Wenn sie es nicht übernimmt, wer dann? Bei dieser Frage geht es darum, wer die Regie bei der Neuinszenierung des "Ring" im Jahr 2020 übernehmen wird. Dass Katharina Wagner die Aufgabe übernimmt, hat sie bereits ausgeschlossen.