Bewegender Abschied
15. November 2009Eine für diesen Ort völlig ungewohnte Stille lag am Sonntag (15.11.2009) über dem Fußball-Stadion von Hannover 96, in dem die Trauerfeier für Robert Enke stattfand. Dort wurde im Mittelkreis des Spielfelds der von weißen Blumensträußen und Kränzen umgebene Sarg aufgebahrt. Am Fußende lag ein weißes Herz aus Blumen. Um kurz vor 10.00 Uhr betrat die Witwe Teresa Enke begleitet von einer Freundin das Spielfeld und stellte sich an den Sarg. Die Gäste im Stadion erhoben sich und applaudierten.
Viele Fans von Enkes Heimmannschaft Hannover 96 kamen in schwarzer Kleidung und mit Schals ihres Clubs in die Arena. Die Zeremonie mit Reden des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und von DFB-Präsident Theo Zwanziger begann um 11.00 Uhr. Auch die komplette deutsche Nationalmannschaft, Vertreter zahlreicher Fußball-Verbände, Bundesligisten sowie ausländischer Vereine und Spieler nahmen an einer der größten öffentlichen Trauerfeiern Deutschlands teil.
Mahnrufe und Würdigungen
DFB-Präsident Zwanziger appellierte in seiner Rede an die Menschlichkeit und den Blick über den Sport hinaus. "Denkt nicht nur an den Schein. Denkt auch an das, was in den Menschen ist, an Zweifel und Schwäche", sagte er. Alle seien aufgerufen, nach der Trauer das Leben in Maß und Balance mit Fairplay und Respekt zu gestalten.
Der Präsident von Hannover 96, Martin Kind, würdigte den verstorbenen Nationaltorwart als herausragende Persönlichkeit. In einer bewegenden und sehr persönlichen Rede sagte Kind: "Robert, du warst Nummer Eins im echten Sinne des Wortes." Der Vereinspräsident beklagte die Ohnmacht, die so hilflos mache: "Die marternde Frage geht allen durch den Kopf: Warum ist es so gekommen?" Auch er könne keine Antwort geben.
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff forderte ein Umdenken in der Gesellschaft als Konsequenz aus dem Selbstmord Enkes. "Die Welt ist nicht im Lot", sagte Wulff. Nicht nur im Leistungssport, sondern auch in anderen Berufen sei der Leistungsdruck extrem. Und wer nicht funktioniere, werde schnell zum Versager abgestempelt. "Wir brauchen doch keine fehlerfreien Roboter. Wir brauchen Menschen mit Ecken und Kanten und mit allen ihren Schwächen und ihren wunderbaren Eigenschaften", sagte der Politiker, der Enke als großartigen Menschen und überragenden Sportler würdigte.
Hannover trauert
In vielen Gaststätten in Hannovers Innenstadt deuteten Bilder von Enke und Fan-Devotionalien von Hannover 96 auf den traurigen Anlass hin. Aus Lautsprechern waren an unterschiedlichen Orten Lieder wie "Candle in the wind" (Elton John), "Time to say goodbye" (Andrea Bocelli) und "Abschiednehmen" (Xavier Naidoo) zu hören. Vor der Geschäftstelle der 96er brannten wie schon in den vergangenen Tagen Hunderte von Kerzen im Gedenken an den Verstorbenen.
Robert Enke hatte sich am Dienstag (10.11.2009) nach jahrelangen Depressionen das Leben genommen. Am Sonntagnachmittag wurde Robert Enke im engsten Familienkreis auf dem Friedhof seines Heimatortes Empede nahe Hannover bestattet. Dort fand er neben seiner 2006 im Alter von nur zwei Jahren verstorbenen Tochter Lara die letzte Ruhe.
Enkes Vater sieht Ursache für Depression im Leistungssport
Nach Ansicht von Robert Enkes Vater haben Ängste die Depression seines Sohnes ausgelöst. "Ich bin der Meinung, dass das keine von innen entstandene, angelegte Krankheit gewesen sein kann, sondern eine, die aus den Lebensumständen heraus entstanden ist", sagte Dirk Enke, selbst promovierter Psychotherapeut aus Jena, dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Sein Vater geht davon aus, dass die Angst sich bereits im Jugendalter entwickelt habe und nicht erst 2003, als Enke zuerst den FC Barcelona, danach Fenerbahce Istanbul verließ und den Tiefpunkt seiner Karriere erlebte.
In einem Zeitungsinterview sagte Kind, er glaub auch nach dem Tod von Enke nicht an ein Umdenken im Profi-Fußball. "Bei Robert hätte es, nach all dem, was ich erfahren habe, nicht viel anders laufen können", sagte Kind dem Nachrichtenmagazin "Focus". Dieser Sport sei sehr leistungsorientiert, und das führe dazu, dass er "Spieler hervorbringt, die sich ausschließlich an Leistungen messen". Das lasse sich nur schwer ändern. Die Profi-Fußballer hätten das verinnerlicht.
Autor: Martin Schrader / Andreas Ziemons (dpa/ap/sid)
Redaktion: Hajo Felten