Athen - betont europafreundlich
9. Juli 2019"Weniger Steuern, mehr Investitionen" hat Kyriakos Mitsotakis im Wahlkampf versprochen. Spätestens im August will der konservative Hoffnungsträger liefern und ein neues Steuergesetz dem Parlament vorlegen. Seine Anhänger freuen sich auf Steuerkürzungen. Sind die Regierenden in Athen wieder einmal in Spendierlaune - wie damals, vor der Schuldenkrise? "Bestimmt nicht" glaubt der konservative EU-Abgeordnete Jorgos Kyrtsos. Böse Überraschungen seien das Letzte, was man von Mitsotakis erwarten soll, versichert er. Der neue Premier wolle zunächst die Staatsausgaben kürzen und erst in einem zweiten Schritt Möglichkeiten für Wohltaten ausloten, sagt Kyrtsos der DW.
Griechenland wurde im August 2018 aus dem Rettungsprogramm der internationalen Kreditgeber entlassen und bleibt trotzdem an der kurzen Leine. "Verschärfte Überwachung" lautet das Konzept. Soll heißen: Auch wenn keine neuen Kredite fließen, werden die Staatsfinanzen alle drei Monate von der EU-Kommission überprüft. Damit soll sichergestellt werden, dass zugesagte Reformen auch stattfinden. Näheres bespricht der Chef des Euro-Rettungsfonds ESM Klaus Regling mit dem neuen Premier nächste Woche in Athen. Laut griechischen Medienberichten wird Mitsotakis Ende August in Berlin zu einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet. "Er wird schrittweise vorgehen, Ergebnisse liefern und erst dann die EU-Partner um finanzpolitischen Spielraum bitten", glaubt Europapolitiker Kyrtsos. Überstürzte Entscheidungen wie in Italien werde es mit Mitsotakis nicht geben. Für ein behutsames Vorgehen spreche nicht zuletzt die Tatsache, dass ein ruhiges Gemüt wie Christos Staikouras neuer Finanzminister wird, meint Kyrtsos.
Kaum neue Töne gegenüber der Türkei
Auch der neue Außenminister Nikos Dendias bekommt viel zu tun. Der 60-Jährige gilt als "verbindlich im Ton, aber hart in der Sache" und scheut nicht vor schwierigen Entscheidungen zurück. Als Justizminister war er einst Initiator des Strafverfahrens gegen die Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte". Nun stehen die schwierigen Beziehungen mit der Türkei auf der Tagesordnung - zu einem Zeitpunkt, wo sich Athen und Ankara um Erdgasvorkommen in zyprischen Gewässern streiten. "Die Spannungen zwischen beiden Ländern werden wohl weitergehen" sagt Thanos Dokos, Leiter des Athener Think Tanks ELIAMEP, der DW. Auch nach dem Regierungswechsel würden die Griechen ihre Energie-Allianz mit Zypern, Ägypten und Israel im östlichen Mittelmeer pflegen und wenn möglich sogar erweitern. Mit Jordanien gäbe es schon eine Annäherung.
Über die Energie-Allianz besteht jedenfalls Einigkeit zwischen den politischen Parteien in Athen. Mitbegründet wurde das Projekt vom einstigen sozialistischen Premier Jorgos Papandreou, sein konservativer Nachfolger Antonis Samaras und Linkspolitiker Alexis Tsipras haben auch ihren Beitrag dazu geleistet. Nun sei Mitsotakis an der Reihe, meint Politikwissenschaftler Dokos. Dass es zu einer offenen Auseinandersetzung in der Ägäis kommt, glaubt er nicht. "Etwas anderes würde natürlich gelten, falls die Türkei die griechischen Inseln, etwa Kastellorizo (drei Kilometer vor der türkischen Küste entfernt), im Visier hätte", sagt er. Beim anstehenden Besuch von Kyriakos Mitsotakis auf Zypern wird man vielleicht mehr erfahren. Der genaue Termin steht noch nicht fest. "Die erste Auslandsreise führt einen griechischen Ministerpräsidenten traditionell nach Zypern", gibt Dokos zu bedenken.
"Nord-Mazedonien" wohl nicht in Frage gestellt
Für Kopfschütteln sorgte in vielen europäischen Hauptstädten die Kritik der griechischen Konservativen am Mazedonien-Abkommen der Regierung Tsipras. Mit der Umbenennung in Nord-Mazedonien hatten Griechenland und sein nördlicher Nachbar ihren langjährigen Namensstreit beigelegt und den Weg für den NATO-Beitritt des jungen Balkanstaates freigemacht. Zu Oppositionszeiten wagte Mitsotakis einen Spagat und lehnte das Abkommen ab - allerdings mit dem Hinweis, ihm bliebe keine andere Wahl, als die internationalen Verpflichtungen Griechenlands zu erfüllen, sollte er an die Regierung kommen. Was nun?
"Aus innenpolitischen Gründen war Mitsotakis gezwungen, lauter aufzutreten", glaubt ELIAMEP-Chef Thanos Dokos. Nun werde er das Abkommen respektieren - dabei aber peinlich genau achten, dass auch die nördlichen Nachbarn dies tun. Insgesamt glaubt Dokos, der neue Premier wolle sich stärker in die EU einbringen: "Große Umwälzungen sind nicht zu erwarten, aber ich glaube dass Griechenland unter Mitsotakis eine aktivere Rolle einnimmt - auch und gerade in der aktuellen Debatte um eine gemeinsame Sicherheitspolitik in Europa".