"Man vermasselt wohl nicht den Badeurlaub des Volkes", konterte mal der sozialistische Ministerpräsident Griechenlands Andreas Papandreou in den achtziger Jahren, als seine Berater ihn zu vorgezogenen Wahlen mitten im Sommer bewegen wollten. Der heutige linke Premier Alexis Tsipras hat sich über diese alte politische Weisheit hinweggesetzt und Neuwahlen während der Hauptferienzeit anberaumt.
Über 40 Prozent der Griechen blieben der Urne fern, Tsipras und seine Regierungspartei SYRIZA wurden abgewählt. Den Sieg mit einem deutlichen Vorsprung der Stimmen und eine parlamentarische Mehrheit hat heute der Kandidat der konservativen Nea Dimokratia, Kyriakos Mitsotakis (Artikelbild oben), errungen.
Der Regierungswechsel in Griechenland ist aber nicht ausschließlich der sommerlichen Hitze zuzuschreiben. Die Wähler des krisengeschüttelten Landes sind inzwischen desillusioniert und wissen wohl, dass eine Rückkehr in die Vorkrisenzeit unmöglich ist. Tsipras wurde 2015 von einer Mehrheit der Griechen gewählt, weil er angekündigt hatte, die Sparprogramme für das bankrotte Land zu "zerreißen" und den Finanzmärkten seinen Willen zu diktieren. Stattdessen und nach drei Urnengängen innerhalb eines Jahres, hat er ein drittes Rettungspaket mit den internationalen Geldgebern des Landes vereinbart und die Sparpolitik seiner Vorgänger fortgesetzt. Aus der linken Revolution wurde eine sozialdemokratische Handhabung der Krise.
Die zurückhaltende Erholung der Wirtschaft hat nicht gereicht
Immerhin war die Regierung Tsipras die langlebigste seit dem Jahr 2010, als Griechenland seine Partner um Hilfe gebeten hat, weil es sich nicht mehr in den Märkten refinanzieren konnte. Während der Regierungszeit von SYRIZA ist Griechenland zu einem schwachen Wachstum zurückgekehrt und das dritte und letzte Rettungsprogramm wurde im Sommer 2018 erwartungsgemäß beendet. Athen kann sich wieder refinanzieren, hat ein kleines Finanzpolster aufgebaut und profitiert von den Einnahmen des boomenden Tourismus.
Kyriakos Mitsotakis, ein eher moderater Politiker, übernimmt mit anderen Worten kein Land am Rande des Abgrunds. Trotzdem sind die Erwartungen an den Spross einer alten politischen Dynastie enorm. Griechenland steht immer noch unter der erhöhten Aufsicht seiner Geldgeber und bräuchte ein viel stärkeres Wachstum, um die vereinbarten Überschüsse der nächsten Jahre zu erreichen. Die Arbeitslosigkeit ist von 26 Prozent auf 18 Prozent gesunken, bleibt aber die höchste in der EU. Das Land braucht dringend die Investitionen, die die linke SYRIZA wegen ihrer ursprünglichen Aversion gegen den Privatsektor nicht voranzutreiben vermochte. Die Nea Dimokratia - als eine der Parteien, die die Hauptverantwortung für die griechische Krise tragen - muss sich jetzt als verantwortungsbewusste Kraft beweisen.
Deswegen wird sie auch nicht an der größten Errungenschaft von Tsipras rütteln, dem Abkommen mit Nordmazedonien zur Beilegung des jahrzehntelangen, anachronistischen Streits über den Namen des Nachbarlandes. Mitsotakis hat das Abkommen mehrmals kritisiert und angekündigt, Teile davon verhandeln zu wollen. Er wird es wohl nicht tun, da er mit einer Prise mehr Patriotismus als nötig "ethnisch gesinnte" Wähler verlocken, die internationale Gemeinschaft aber nur abschrecken kann.