Trump im "Höllenloch"
25. Mai 2017Eine ganze Kolonne riesiger gepanzerter Limousinen fährt in den Hof des Brüsseler Ratsgebäude ein, während der Gastgeber, EU-Ratspräsident Donald Tusk, sichtlich nervös auf und ab geht. Sicherheitsleute sehen sich noch mal um, öffnen die Autotür. Donald Trump steigt schwungvoll aus und geht ernsten Blicks auf Tusk zu und schüttelt ihm die Hand. Beide Donalds gehen über den langen roten Teppich im Ratsgebäude, halten Smalltalk, aber ohne sich dabei anzusehen. Lächeln und langer Händedruck vor den Flaggen, wie sonst bei Besuchern üblich, entfällt. Erst im Inneren stellen sich Trump, Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker später zu einem kleinen Gruppenbild auf, aber auch da sind die Mienen angespannt.
Dieser Besuch war von Anfang an mit negativen Erwartungen aufgeladen. Donald Trump fand die Brexit-Entscheidung der Briten "großartig", hat sich selbst "Mr Brexit" genannt. Umgekehrt haben auch europäische Politiker ihrer Abneigung gegen Trump freien Lauf gelassen. Und fast zehntausend Demonstranten in Brüssel haben dem Präsidenten bereits am Mittwoch zugerufen: "Trump not welcome".
Die EU und Donald Trump - größere Gegensätze sind kaum denkbar. Das gilt auch für das Mittagessen Trumps mit dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Macron hatte sich mit einem entschieden europafreundlichen Programm gegen die Rechtsaußenpolitikerin und Trump-Anhängerin Marine Le Pen durchgesetzt. Mit seinem Wahlsieg verbinden die EU-Vertreter eine Hoffnung: Dass der allgemeine Rechtsschwenk in Europa, der seine Inspiration auch durch Trump bekam, seinen Höhepunkt überschritten habe.
Zwei Welten prallen aufeinander
Unter diesen Umständen grenzt es an ein Wunder, dass Trump den Spitzenvertretern der Europäischen Union überhaupt einen Besuch abstattete. Der war allerdings auch sehr kurz und ohne anschließende gemeinsame Pressekonferenz. Eine Stunde hatten Trump, Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker für einen Schnelldurchgang durch die wichtigsten Probleme der Weltpolitik. Mehr als Symbolik konnte das nicht sein.
Beim vielleicht drängendsten Thema, dem Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, besteht sogar noch eine gewisse Einigkeit, auch wenn Trump fast ausschließlich auf die militärische Karte setzt. Nach den Anschlag in Manchester hat er gesagt: "Wenn man so etwas sieht, merkt man, wie wichtig es ist, diesen Kampf zu gewinnen. Und wir werden ihn gewinnen." Doch der Kampf im militärischen Sinne ist eher das Thema der NATO, dem nächsten Termin Trumps in Brüssel.
Die EU-Vertreter können nicht viele Gemeinsamkeiten mit dem US-amerikanischen Präsidenten erkennen. Unter den Streitpunkten ist ein wichtiger der Klimaschutz. Die Europäer befürchten, dass Trump aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten wird; Trump hatte mehrfach Bemerkungen in diese Richtung gemacht. Trotzdem hofft die EU, dass er es sich doch noch anders überlegt. Dasselbe gilt für die Handelspolitik, bei der sich Trump sehr viel mehr abschotten will als sein Vorgänger.
Doch egal zu welchem Thema, Trump erscheint im Gegensatz zu seinen ersten Wochen im Weißen Haus ein wenig milder. Während dieser ersten Auslandsreise als Präsident sind seine sonst üblichen heftigen Tweets versiegt und haben eher staatstragenden Äußerungen Platz gemacht. Nach seinem Treffen mit Trump sagte auch der belgische Ministerpräsident Charles Michel: "Es gibt den Willen, eine starke Achse zwischen Europa und den USA zu erhalten."
Tusk: "Werte zuerst"
Gemeinsames Interesse, das ist auch das, woran die EU-Vertreter bei Trump appellieren. Tusk hatte getwittert, er wolle Trump überzeugen, die "freie Welt" müsse zusammenarbeiten, "um eine nach-westliche Weltordnung zu verhindern". Nach seiner Unterredung mit dem US-Präsidenten zog Tusk dann kurz Bilanz: Beim Thema Terrorismus und dem Ukraine-Konflikt liege man grundsätzlich auf einer Linie, nicht jedoch bei Klima und Handel. Er, Tusk, habe nicht nur die gemeinsamen Interessen, sondern auch gemeinsame westliche Werte betont - "Werte und Grundsätze zuerst", sagte Tusk in Anlehnung an Trumps Motto "Amerika zuerst".
Als EU-Hauptstadt ist das "Höllenloch" Brüssel wohl wie keine andere europäische Stadt den Besuch hoher ausländischer Staatsgäste gewohnt. Doch das Sicherheitsaufgebot beim Besuch des höchst unbeliebten und umstrittenen Donald Trump, noch dazu wenige Tage nach dem Anschlag in Manchester, ist ohne Beispiel. Es wimmelt von schwer bewaffneten Polizisten, zahlreiche Straßen und U-Bahnhöfe sind abgesperrt. Wäre an diesem Donnerstag nicht ein Feiertag, die Verkehrssituation wäre noch schlimmer, Brüssel wäre - jedenfalls verkehrstechnisch - ein Höllenloch.