Berlin fordert Solidarität
7. September 2015Die Bundesregierung lässt offen, wie lange die Ausnahmen für in Ungarn gestrandete Flüchtlinge zur Einreise nach Deutschland noch gelten sollen. Allerdings betonte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin, bei der Entscheidung Deutschlands und Österreichs am Wochenende sei es um eine "humanitäre Notsituation" gegangen, da die Situation für Tausende Flüchtlinge in Ungarn ein unerträgliches Ausmaß angenommen habe. "Es ist also ein Ausnahmefall, in dem wurde rasch entschieden", sagte Seibert.
"Solidarische, faire Verteilung"
Dies ändere aber nichts daran, dass sich jeder EU-Staat - so auch Ungarn - an die gemeinsamen Verpflichtungen halten müsse, sagte Seibert. Hierzu gehört in erster Linie das Dublin-Abkommen, wonach Flüchtling in dem Land ein Asylverfahren durchlaufen müssen, wo sie erstmals in die EU gelangt sind. Damit bekräftige Seibert noch einmal die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie drängt auf ein größeres Engagement der anderen EU-Staaten "Wir brauchen eine Kraftanstrengung der Europäischen Union", sagte Merkel. "Wir sind ein Europa der Werte, das sein Gesicht zeigen muss." Sie sei zuversichtlich, dass eine Einigung auf europäischer Ebene möglich sei. Notwendig sei eine "solidarische und faire Verteilung der Flüchtlinge".
EU-Kommission präsentiert Verteil-Plan
Die EU-Kommission will in dieser Woche die Verteilung weiterer Flüchtlinge über die EU-Staaten vorschlagen. Im Mai hatte sie bereits Pläne für die Verteilung von 40.000 Menschen aus Italien und Griechenland vorgelegt, worauf sich die EU-Staaten aber bisher nicht einigen konnten. Nun sollen weitere 120.000 aus Italien, Griechenland und Ungarn verteilt werden. Großbritannien, Irland und Dänemark müssen aufgrund von Ausnahmeklauseln nicht an dem System teilnehmen. Nach dem Plan soll Deutschland rund 31.000 weitere Flüchtlinge aufnehmen, Frankreich rund 24.000.
Hollande warnt vor Rückkehr der Grenzen in Europa
Frankreichs Präsident Francois Hollande sagte, sein Land sei bereit, die 24.000 zusätzlichen Flüchtlinge aufzunehmen und werde weitere 100.000 Menschen in den nächsten zwei Jahren willkommen heißen. Zugleich warnte Hollande vor einem Ende des Schengener Abkommens zum freien Reiseverkehr, falls die EU-Länder sich nicht auf eine verbindliche Verteilung von Flüchtlingen verständigen. Ohne eine gemeinsame europäische Politik "gäbe es einen deutlichen Andrang und zweifellos das Ende von Schengen, die Rückkehr nationaler Grenzen", sagte Hollande.
Tausende weitere Flüchtlinge in München erwartet
Unterdessen rechneten die deutschen Behörden damit, dass bis zum Nachmittag etwa 2.500 weitere Flüchtlinge in Bayern eintreffen würden. Die österreichische Bahn plant nach eigenen Angaben drei Sonderzüge Richtung Deutschland, die jeweils Platz für mehrere Hundert Menschen böten. Am Wochenende waren etwa 20.000 Flüchtlinge in München eingetroffen.
cr/wl (dpa, rtr)