Belgien schützt Euro-Transporte
16. November 2001Am 1. Januar 2002 werden die zwölf Länder der Eurozone ihre nationalen Währungen durch den Euro ersetzen. Die Vorbereitungen für diesen Wechsel sind schon lange im Gang. Seit mehr als zwei Jahren bringen Sicherheitsfirmen frisch geprägte und gedruckte Euros in spezielle Lager. Richtig los geht es aber erst seit September, wenn das neue Geld zu den Banken gebracht wird. Was die Logistik angeht,
ist das die größte Herausforderung in der Geschichte des Geldes. Und eine Aufgabe, deren Sicherheitsanforderungen auf dem ganzen Kontinent für Kopfschmerzen sorgt.
Auch an diesem Tag verläßt wieder eine LKW-Ladung Bargeld die Brüsseler Lagerhallen der Sicherheitsfirma Brinks Ziegler. Doch die Tage werden länger, und die Ladungen schwerer. Geldtransport- Firmen wie Brinks sind so etwas wie die Speerspitze der Einheitswährung. Sie decken nicht nur die Nachfrage nach den bisherigen zwölf nationalen Währungen ab, sondern kümmern sich jetzt zusätzlich um die Verteilung von 14 Milliarden Euroscheinen und 50 Milliarden Euromünzen.
Dominique Pieters ist Marketingmanager bei Brinks Ziegler in Belgien: "Die Banken brauchen Euros, um die Bevölkerung mit der Währung zu versorgen. Der Handel braucht Euros, um die Bevölkerung zu versorgen. Und dann, in der dritten Stufe, müssen wir selbst die Bevölkerung mit Euros versorgen. Wir müssen sicherstellen, dass am 1. Januar 2002 jeder Mensch mit Euros versorgt ist."
Dazu gehören die Bewohner jeder griechischen Insel ebenso wie der Weihnachtsmann in seiner Grotte im finnischen Lapland. Und doch ist dieses enorme Unterfangen nur ein Teil der gesamten Aktion. Denn außerdem müssen die Scheine und Münzen der alten Währungen eingesammelt und zu den zwölf Zentralbanken der Eurozone zurückgebracht werden. Schließlich sollen Lira, Francs und Mark ab Februar fast vollständig aus dem Verkehr gezogen sein.
Das Sicherheitsrisiko bereitet dabei einige Kopfschmerzen, besonders in Belgien, das momentan die EU-Präsidentschaft inne hat. Denn dort muß die Polizei nicht nur sämtliche Währungstransporte begleiten, sondern auch für die Sicherheit der Staatschefs bei zwei größeren EU-Gipfeln sorgen - eine Aufgabe, die angesichts der zu erwartenden Masse von Gipfel-Demonstranten nicht leichter wird. Els Cleemput ist Sprecherin der belgischen Polizei:"Wir haben eigentlich gedacht, daß die Fußball Europameisterschaft
2000 zu einem Sicherheitsrisiko werden könnte, doch da ist nichts passiert. Jetzt haben wir aber gesehen, was während der Gipfeltreffen in Genua und Göteborg geschehen ist. Die Situation bereitet uns große Kopfschmerzen und könnte sogar zu einer richtigen Grippe werden."
In den letzten Jahren gab es bereits mehrere spektakuläre Überfälle auf belgische Geldtransporter, bei denen Sicherheitspersonal und Passanten verletzt und sogar getötet wurden. Zur Abschreckung werden jetzt spezielle Geldkoffer eingeführt, die Banknoten automatisch einfärben, wenn sich Diebe an ihnen zu schaffen machen. Außerdem werden seit 1998 alle Geldtransporte von gleich zwei gepanzerten Polizeiwagen eskortiert. Wird die Polizei hier zum Euro-Ritter in strahlender Rüstung? Polizeisprecherin Els Cleemput: "Ganz und gar nicht. Wir schützen nicht den Euro, wir schützen nicht das Geld. Wir schützen die Fahrer und das Begleitpersonal der Geldtransporter und die Bürger drumherum."
Auch bei den Geldtransport-Firmen selbst führt die Währungs- umstellung zu Veränderungen. Zusätzliche Transporter wurden angeschafft - eine Investition, die normalerweise in die Erneuerung der Fuhrparks von 100.000 Geldtransportern in den kommenden drei Jahren geflossen wäre. Zusätzliches Personal mußte ebenfalls eingestellt werden, hinzu kommen die Kosten für die zweimonatige Ausbildung der neuen Geldkuriere, sagt Dominique Pieters:"Unsere Leute tragen Waffen, also brauchen sie einen Waffenschein. Das dauert noch ein paar Monate zusätzlich. Es ist daher sehr schwierig, zum richtigen Zeitpunkt ausreichend Personal zur Verfügung zu haben."
Was die Einnahmen betrifft, so ist die Währungsumstellung für diie Geldtransport-Firmen ein einmaliger Glücksfall. Gleichzeitig ist das Risiko eines Überfalls für die Geldfahrer um einiges höher als gewöhnlich. Die Euroscheine sind im Moment nämlich ganz besonders begehrt. Am ersten Januar wird kaum ein Europäer in der Lage sein, Original und Fälschung auseinanderzuhalten. Und das bedeutet, daß Geldfälscher vor der Währungsumstellung bereit sind, weitaus mehr für einen Euroschein zu bezahlen, als der eigentlich wert ist.