"Miteinander" gegen Lukaschenko
1. September 2020Die neue politische Kraft solle den Menschen, die Veränderungen in Belarus wollten, eine Heimat geben, sagte Maria Kolesnikowa (Artikelbild) in einer Videobotschaft. Die Partei werde "Wmestje" heißen; die Registrierungsunterlagen würden "sehr bald" eingereicht, kündigte die führende Oppositionelle an. "Wmestje" bedeutet auf Deutsch "Miteinander" oder "Gemeinsam".
Der "Wmestje"-Partei gehe es darum, Verantwortung zu übernehmen für den Aufbau einer neuen Gesellschaft, so Kolesnikowa in der Aufzeichnung. Sie sei nötig, um auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren. Ziel sei es, die politische, soziale und wirtschaftliche Krise im Land zu beenden. "Gemeinsam wissen wir, wie wir aus dieser Krise herauskommen."
Zurück nach Minsk
Kolesnikowa hat viele Jahre von Stuttgart aus internationale Kulturprojekte gemanagt und lebt seit einigen Monaten wieder dauerhaft in der belarussischen Hauptstadt Minsk. Sie gilt als eines der wichtigsten Gesichter in der Bürgerbewegung gegen den umstrittenen Staatschef Alexander Lukaschenko (66). Die 38-Jährige arbeitet für Ex-Bankenchef Viktor Babariko, der im August für das Präsidentenamt kandidieren wollte. Lukaschenko ließ ihn aber vor der Wahl verhaften, das Strafverfahren gilt als politisch motiviert.
Im Wahlkampf hatte Kolesnikowa eng mit der Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja zusammengearbeitet. Die Opposition erkennt den offiziell verkündeten Wahlsieg Lukaschenkos nicht an und wirft dem Regierungslager Manipulationen vor. Tichanowskaja war anschließend nach Litauen ins Exil gegangen.
Mit einem landesweiten Streik will die Opposition den Druck auf Lukaschenko weiter erhöhen. An diesem Dienstag solle niemand zur Arbeit gehen, hieß es in einer Ankündigung. "Wir laden alle ein, Solidarität zu zeigen und die Arbeit einzustellen."
Koordinierungsrat im Visier
Am Montag war in Belarus auch die Regierungskritikerin Lilia Wlassowa festgenommen worden. Die 67-jährige Juristin ist Mitglied des von der Opposition ins Leben gerufenen Koordinierungsrates. Gegen den Rat wurden strafrechtliche Ermittlungen wegen "Bedrohung der nationalen Sicherheit" eingeleitet. Immer wieder sind ihre Mitglieder, darunter Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, Ziel von Polizeiaktionen.
Der von seinen Gegnern als "letzter Diktator Europas" bezeichnete Lukaschenko räumte ein, dass das "autoritäre System" in Belarus auf ihn zugeschnitten sei. Er sei aber zu "Veränderungen" bereit. Konkret gehe es um eine Änderung der Verfassung, die von der Gesellschaft getragen werden solle. Staatsmedien in Minsk verbreiteten daraufhin Eilmeldungen mit der Überschrift: "Lukaschenko für Reformen".
wa/rk (rtr, dpa, afp)