Griechische Beamte
3. Mai 2013Seit 1911 wird die Unkündbarkeit von Beamten in der griechischen Verfassung garantiert - und das aus gutem Grund: Bis dahin galten sie als wehrlose Opfer von Parteieninteressen, und jeder neu gewählte Regierungschef hielt es für sein gutes Recht, Staatsbedienstete zu entlassen, um die eigenen Parteifreunde mit lukrativen Posten versorgen zu können.
In den vergangenen Jahrzehnten scheint man ins andere Extrem verfallen zu sein: Selbst bei schweren Pflichtverletzungen gelten Beamte als praktisch unkündbar. Zu welch absurden Ergebnissen dies führen kann, enthüllte neulich die Athener Zeitung "Ethnos" in einem Exklusivbericht über den Polizisten Epaminondas Korkoneas, der 2008 in Athen einen 15-Jährigen auf offener Straße mit einem Schuss tötete und deshalb eine lebenslange Haftstrafe verbüßt. Obwohl er längst im Gefängnis sitzt, bekommt der Beamte heute noch 30 Prozent seines Gehalts auf sein Konto überwiesen, und er sei kein Einzelfall, kritisiert das Blatt.
Beamtengehälter - auch im Gefängnis
Wie konnte das passieren? "Eine Aufhebung des Beamtenverhältnisses und der auf ihm beruhenden Gehaltsberechtigung darf nur der Disziplinarrat der Polizei aussprechen", erklärt die Journalistin Maria Psará, die den Fall ins Rollen brachte. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass der Anwalt von Korkoneas eine Beratung in dieser Angelegenheit immer zu verhindern wusste durch diverse Verfahrentricks, etwa weil er gerade abwesend war oder um Aufschub bat, oder weil irgendetwas dazwischen kam. Erst nachdem die Sache öffentlich wurde, sei der Disziplinarrat zu einer ordentlichen Sitzung zusammengekommen, berichtet die Athener Journalistin.
In den vergangenen Tagen werden immer mehr ähnlich gelagerte Fälle ans Licht gebracht: Da ist die Rede von zwei Stadträten, die den Bürgermeister der nordgriechischen Stadt Pagaion ermordet haben und obwohl sie heute im Gefängnis sitzen, dennoch die Hälfte ihres Gehalts beziehen. Oder vom ehemaligen Finanzdirektor der Stadt Thessaloniki, der 25 Prozent seines Gehalts bekommt, obwohl er eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Veruntreuung verbüßt.
Genauso viele Neueinstellungen wie Entlassungen?
Damit soll jetzt Schluss sein, verspricht die Drei-Parteien-Regierung unter Führung des Konservativen-Chefs Antonis Samaras. 1500 Staatsdiener, die sich strafbar gemacht haben, sollen schleunigst ihr Amt verlieren. Zudem sollen weitere 13.500 Beamte bis Ende 2014 entlassen werden, weil deren Planstelle im Zuge einer Umstrukturierung der Behörden wegfällt. Diese Entscheidung dürfte auch der aus EU, IWF und EZB bestehenden Troika gefallen, die seit Jahren auf eine Verschlankung des Staatsapparates pocht.
Für neue Fragen sorgte unterdessen die Ankündigung des Innenministers, im öffentlichen Dienst seien nicht nur 15.000 Entlassungen, sondern auch genauso viele Neueinstellungen geplant. Der Politik-Analyst und ehemalige Regierungssprecher Dimitris Tsiodras hat folgende Erklärung: Die Entlassung von Staatsbediensteten werde nicht als Sparmaßnahme, sondern als erster Schritt einer umfassenden Verwaltungsreform verstanden. Es gehe also nicht darum, durch 15.000 Entlassungen 300 Millionen Euro zu sparen - Ziel sei es vor allem, unqualifizerte Staatsdiener durch leistungsfähige oder jüngere Kollegen zu ersetzen, meint der Politik-Analyst.
Das Problem im Staatsapparat sei nicht die Beamtenzahl an sich, vielmehr die Tatsache, dass viele Beamte ihren Job nicht nach Befähigung und fachlicher Leistung, sondern durch Beziehungen und Parteiseilschaften bekommen hätten.
Verständnis für Arbeitsunwillige
Bis vor wenigen Jahren wusste die Regierung gar nicht, wie viele Menschen für den Staat arbeiten. Erst im Sommer 2010 ließ der damalige Finanzminister Giorgos Papakonstantinou alle Staatsdiener registrieren und kam auf insgesamt 768.000 - die Kommunalangestellten nicht mitgerechnet. Mittlerweile soll die Zahl der griechischen Beamten auf Druck der Troika auf 644.000 reduziert worden sein.
Für Dimitris Tsiodras ist diese Zahl nicht so erschreckend hoch, wie gemeinhin bemängelt wird. "Sie entspricht immerhin fast dem Durchschnitt der OECD-Länder", sagt er. Nun müsse es vor allem darum gehen, eine leistungsfähige Verwaltung zu schaffen, die Griechenland zurück auf den Wachstumspfad führt. Wie schwierig dieses Unterfangen ist, weiß der ehemalige Regierungssprecher allerdings aus eigener Erfahrung.
"Wir haben oft erleben müssen, dass der Staatsapparat sich gegen jegliche Reform sträubt. Wir haben überall die Angst vor Neuem gespürt", erinnert sich Tsiodras. Es gäbe eine Mentalität der Gleichmacherei, die bestimme, dass sowohl fleißige als auch arbeitsunwillige Menschen gleich belohnt und gefördert werden. Jetzt versuche man, das zu ändern, erläutert der Politik-Analyst.
Troika macht Druck
Ob ein Generationswechsel im öffentlichen Dienst die Wende bringt, bleibt abzuwarten. Die Journalistin Maria Psará ist da jedenfalls skeptisch. Zu groß scheint ihr die Gefahr, dass ein neues System entsteht, in dem Staatsdiener zum Spielball von Parteiinteressen und Machtkonstellationen verkommen.
Es sei ja legitim, dass Beamte, die sich strafbar machen oder einem Disziplinarverfahren ausgesetzt würden, mit Konsequenzen rechnen müssen, sagt die Journalistin. "Aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht ins andere Extrem verfallen. Stellen Sie sich vor, unschuldige Menschen würden aufgrund falscher Behauptungen in Disziplinarverfahren verwickelt und bräuchten viele Jahre, bis sie Gerechtigkeit erfahren und ihren Ruf wieder herstellen. Das kann auch nicht gewollt sein vom Gesetzgeber."
Aus Sicht der Troika drängt die Zeit: Die Zusage zur Entlassung von 15.000 Beamten bis Ende 2014 gilt als Voraussetzung für die Auszahlung einer weiteren Kredittranche in Gesamthöhe von 8,8 Milliarden Euro bis Mitte Mai.