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Autobauer wollen Diesel umrüsten

28. Juni 2017

Wegen drohender Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in deutschen Städten will sich Bayern mit seiner Autoindustrie zum Vorreiter im Kampf gegen Abgase aufschwingen. BMW, Audi und MAN sind mit von der Partie.

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Bild: picture-alliance/dpa/Jan Woitas

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schnürte am Mittwoch in München mit den Chefs der bayerischen Hersteller BMW, Audi und MAN ein Maßnahmenpaket, das auf die Nachrüstung von Autos, modernste Dieseltechnologie sowie auf die Förderung alternativer Antriebe und des öffentlichen Nahverkehrs setzt. Es gelte, "pauschale Fahrverbote in Innenstädten zu vermeiden", sagte Seehofer. Mit der Verpflichtung von BMW und Audi, die Nachrüstkosten von Diesel-Pkw mit der Abgasnorm Euro 5 anteilig zu übernehmen, preschen die Bayern vor - eine bundesweite Lösung, die auch andere Hersteller einbezieht, steht noch aus.

Mit dem Maßnahmenpaket wollen die Autobauer in Bayern nach Regierungsangaben den Ruf der umstrittenen Dieseltechnologie aufpolieren, von der die bayerische Autobranche besonders abhängig ist. Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner sprach von einer "vertrauensbildenden Maßnahme". Allerdings sind im Verhältnis nur wenige Fahrzeuge betroffen: BMW hat in Deutschland nach eigenen Angaben knapp 700.000 Euro-5-Diesel im Markt und geht davon aus, dass bei rund 50 Prozent dieser Flotte das Upgrade technisch möglich ist. Bundesweit fahren rund 15 Millionen Dieselautos, davon entsprechen etwa 39 Prozent der Euro-5-Norm. Für die Nachrüst-Software setzen Experten einen zweistelligen Millionenbetrag für die Autobranche an. Hinzu kämen rund 300 Euro pro Auto an Werkstattkosten - wer die übernimmt, sei noch ungeklärt, räumte Aigner ein. Dies könne nur in einer deutschlandweiten Vereinbarung mit dem Bund und anderen PkW-Herstellern geregelt werden. Aigner strebt für Autobesitzer eine kostenlose Nachrüstung an.

ADAC rät vorerst vom Kauf von Dieselautos ab

Das durch den Abgasskandal bei Volkswagen ohnehin ramponierte Image der Selbstzünder wurde durch die Diskussion über Fahrverbote noch mehr beschädigt. Die Verkaufzahlen sind im Sinkflug, private und gewerbliche Autobesitzer sind verunsichert. Der ADAC streute Salz in die Wunden der Autobranche, die zu den größten Arbeitgebern und Steuerzahlern in Deutschland zählt: Der mächtige Automobilclub riet Käufern, die Anschaffung eines Dieselfahrzeugs bis zum Herbst zu verschieben, wenn Neuwagen mit einer noch verbesserten Euro 6 Norm auf den Markt kommen. Die bayerische Staatsregierung will für diese moderneren Fahrzeuge befristete Kaufanreize vorschlagen, vor allem durch Änderungen bei der Pkw-Steuer. Die Umrüstung der Euro-5-Autos durch die Hersteller kann nach Ansicht der Bayern Vorbild für eine bundesweite oder europaweite Selbstverpflichtung sein.

In einer ungewöhnlichen Allianz hatten Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bereits am Dienstag ebenfalls eine Initiative ins Leben gerufen, um die Schadstoffbelastung in den Städten zu senken. Ein "Nationales Forum Diesel", an dem weitere Ministerien und die Autobranche beteiligt werden, soll eine Lösung zur Reduzierung der Diesel-Abgase finden, wie die beiden Ministerien in Berlin mitteilten. Allerdings soll die Branche nach Vorstellung der Bundesregierung noch mehr auf den Tisch legen.

Wie es in Regierungskreisen hieß, wird eine Nachrüstung nicht nur für Euro 5, sondern auch für die ältere Norm Euro 4 und die neueste Vorschrift Euro 6 für notwendig gehalten. Damit wären 80 Prozent aller Dieselautos abgedeckt.

Diesel-PKW drohen Verbote

Ins Rollen kam die Diskussion, nachdem die Deutsche Umwelthilfe in Gerichtsprozessen die Überschreitung von EU-Grenzwerten bei der Abgasbelastung in mehreren Städten thematisiert hatte. Kommunen gerieten unter Druck, in Bayerns Landeshauptstadt München sprach Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) von einem möglichen Fahrverbot. Seehofer, als CSU-Vorsitzender eine Schlüsselfigur der großen Koalition in Berlin, erklärte das Thema kurzerhand zur Chefsache. Die schwarz-grüne Landesregierung von Baden-Württemberg hat mit der Branche schon Gespräche geführt und dringt über eine Bundesratsinitiative darauf, dass der Bund eine bundesweite Lösung in Angriff nimmt.

LKW-Bauer MAN setz auf Elektrobusse und LKW

Welche Fahrzeuge genau modernisiert werden, entscheiden die Hersteller - sie sollen dann Kontakt mit den Autobesitzern aufnehmen. Die drei Vorstandschefs Harald Krüger (BMW), Rupert Stadler (Audi) und Joachim Drees (MAN) wollten an der Pressekonferenz nicht teilnehmen und ließen sich lediglich in einer Mitteilung zitieren. "Wir meinen, es gibt intelligentere Optionen als Fahrverbote", erklärte Krüger demnach. Drees sagte zu, Ende 2019 mit der Serienproduktion eines elektrischen Stadtbusses zu beginnen. Die Landesregierung will in Bayern unter anderem den öffentlichen Verkehr mit Bus und Bahn stärker fördern und ihre Zuschüsse für neue Elektro-Ladesäulen aufstocken. Auf Bundesebene fordert sie einen Steueranreiz für die Besitzer älterer Diesel mit Euro-3- und Euro-4-Motoren, um sie zum Wechsel auf ein Auto mit weniger Schadstoffausstoß zu motivieren.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) pocht auf ein Gesamtpaket, denn nur mit vielen anderen Maßnahmen wie besserer Verkehrssteuerung über grüne Wellen oder einer Erneuerung von Taxis und öffentlichen Verkehrsmittelflotten wäre die Luftqualität in den Städten so zu verbessern, dass die EU-Grenzwerte eingehalten werden. Ein VW-Sprecher erklärte, die Politik solle handeln. Eine lange Debatte entwerte die Produkte und schade auch den Diesel-Besitzern.

tko/kle (rtr, dpa)