Bauhaus Imaginista-Ausstellung in Berlin
15. März 2019Gebäude von Walter Gropius und Mies van der Rohe in den USA oder die weiße Stadt in Tel Aviv: Das sind die bekannten Spuren, die die Kunstschule "Bauhaus" in der Welt hinterlassen hat. In der Ausstellung "Bauhaus Imaginista" sucht man diese Spuren vergeblich und das ist Absicht. "Wir haben von Anfang an gesagt, wir gehen nicht diese ausgetretenen Pfade und bedienen das, was man als Exilgeschichte schon kennt", erklärt Kuratorin Marion von Osten. Und ihr englischer Partner im Kuratorenteam, Grant Watson, ergänzt: "Wir haben unser Augenmerk eher auf Praktiken wie Weben und Keramik gerichtet. Das sind noch unbekanntere Bauhauspfade."
Abseits der üblichen Bauhausrezeption
Beim Rundgang durch die Berliner Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt wird das schnell offensichtlich. In großen Bahnen hängen gewebte und geknüpfte Stoffe von der Decke, in Vitrinen lachen den Besucher lustige Gesichter auf Keramikgefäßen an. Ist das Bauhauskunst oder Kunsthandwerk amerikanischer Ureinwohner? Die Grenzen verschwimmen. Japanische Papierkunst sieht fast genauso aus, wie Arbeiten aus einem Film über Materialstudien aus einem Kurs von Bauhausmeister Johannes Itten.
Manifeste zu Architektur, Gesellschaft und Pädagogik liegen aus, aber sie stammen nicht nur aus Weimar oder Dessau, den Lehrorten des Bauhauses, sondern auch aus China, Japan, Indien oder Marokko. Spannend sind die Geschichten, die Marion von Osten und Grant Watson von ihren Reisen und Begegnungen erzählen. Mit drei thematisch verschiedenen Ausstellungskapiteln, zahlreichen Vorträgen und Workshops waren sie mit Bauhaus Imaginista bereits auf vier Kontinenten unterwegs: von Russland bis Japan, von den USA bis nach Brasilien und von Marokko bis Nigeria. Alle Kapitel sind jetzt im Berliner Haus der Kulturen der Welt in einer Gesamtschau zu sehen. Ein viertes Kapitel über das immaterielle Bauhaus, das experimentelle Spiel mit Raum, Licht und Klang, ist in Berlin hinzugekommen.
Bauhaus-Pädagogik statt Bauhaus-Design
Bei ihren Recherchen im Vorfeld hatten Marion von Osten und Grant Watson entdeckt, dass sich Kuratoren und Wissenschaftler aus anderen Ländern nicht nur für die bekannten Bauhaus-Bauten und Designobjekte interessieren. "In Japan habe ich von den Kollegen noch einmal etwas über die Bauhauspädagogik gelernt. Ich wusste gar nicht, wie wichtig die an anderen Orten war", sagt Marion von Osten im DW-Gespräch.
Auch in Indien gab es pädagogische Strömungen, die der Kunstschule Bauhaus nahe standen. Vorbild waren die offenen Bauhaus-Vorkurse, bei denen sich die Studierenden ausprobieren konnten, bevor sie eine konkrete handwerklich-künstlerische Richtung einschlugen. Das Konzept wurde in Indien durch das Fach "Umgebungskunde" ergänzt: "Als ich in den 90ern das 'National Design Institute' in Nordindien besuchte, war ich erstaunt, dass jeder Student auf‘s Land musste", erzählt Grant Watson. "Sie gingen nicht in ein Studio für Design, nein, sie gingen in die Dörfer, um mit Kunsthandwerkern zu arbeiten. Da gibt es wie im Bauhaus die Parallele, Kunst und Handwerk zu verbinden."
Die Bauhäusler standen in engem Kontakt zu anderen avantgardistischen Bewegungen. Sie suchten in der Welt neue künstlerische und geistige Anregungen. Es kamen auch Studierende aus anderen Kontinenten in den 20er Jahren ans Bauhaus in Weimar und Dessau. Sie teilten ihre Werte und künstlerischen Vorstellungen. Zurück in der Heimat versuchten sie, Ideen aus dem Bauhaus zu verwirklichen.
Bauhaus-Ideen im Postkolonialismus
In Auftragsarbeiten haben verschiedene internationale Künstler für Bauhaus Imaginista diese Wechselwirkungen des Bauhauses künstlerisch ausgedrückt und dabei unter anderem die Wege von Bauhausschülern in die Welt verfolgt. So hat der israelische Architekt Zwi Efrat viele Jahre über den Bauhausschüler und Architekten Arieh Sharon geforscht. Für die Nigerianer hat Sharon 1962 den Ile-Ife Campus in Lagos entworfen, mit luftigen, großzügigen Gebäudekomplexen, die dem tropischen Klima bis heute Stand gehalten haben. Die ganze Geschichte erzählt Zwi Efrat in seinem Film.
"Das hängt mit der postkolonialen Ära in Afrika zusammen", erläutert Zwi Efrat. 1960 endete das britische Mandat und Nigeria erlangte die Unabhängigkeit. Arieh Sharon hatte Erfahrungen mit dem Campus-Bau. In Israel war er ein Nationalarchitekt. "Israel hatte bereits 1948 seine Unabhängigkeit erlangt und war für die Nigerianer ein Vorbild. Ein Land, dass unabhängig war und sich mit heroischen nationalen Gebäuden positionierte."
Bis heute, so erzählt Zwi Efrat, seien die Nigerianer stolz auf dieses Gebäude, das nicht nur ein Zeichen der Unabhängigkeit sei, sondern auch klimatische Vorzüge biete. Etwa durch kühle überdachte Räume, die den Unterricht im Freien erlauben.
Warum der globale Blick wichtig ist
Das Forschungsprojekt "Bauhaus Imaginista", das in der Berliner Ausstellung mündete, entstand in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut, dem Haus der Kulturen der Welt und der Bauhauskooperation Weimar Dessau Berlin, sowie mit vielen Institutionen und Forschern weltweit. Gerade letztere haben dazu beigetragen, die Bauhausrezeption aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Ein Blickwinkel, dem auch das Bauhaus Dessau bei seinen "Global Modernism Studies" nachgeht. Die Forscher und Mitarbeiter aus Dessau standen bei den Recherchen zu "Bauhaus Imaginista" deshalb beratend zur Seite.
"Wir wollen das Verständnis vom Bauhaus nicht nur aus Deutschland heraus entwickeln und auch nicht nur aus der westlichen Perspektive heraus", sagt Claudia Perren, Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau. "Der Blick auf das Bauhaus soll aus vielen Perspektiven aus aller Welt entwickelt werden." Ziel sei kein homogenes Bild vom Bauhaus, sondern ein Bild der Vielfältigkeit.
Innovation durch Vielfalt
In der Ausstellung ist diese Vielfältigkeit überall zu spüren. Doch ohne die Geschichten und Erläuterungen der Kuratoren und ihrem Team, fühlt man sich etwas verloren zwischen Monitoren mit flackernden Farbspielen und Videoinstallationen (Artikelbild), zwischen Stellwänden mit unzähligen Zeichnungen, Fotos und Texten, die vom Bauhaus bis zum Punk die verschiedensten gesellschaftlichen Phänomene und Bewegungen aufgreifen.
Daneben die Tongefäße mit den lachenden Gesichtern, die übrigens die Keramikerin Marguerite Wildenheim gefertigt hat. Sie war Schülerin in der keramischen Werkstatt am Bauhaus. Die textilen "freien" Knüpfarbeiten aus den 60er Jahren stammen von der Amerikanerin Lenore Tawney, die in den 1940er Jahren am "New Bauhaus" in Chicago studiert hatte.
Wer welche Ideen in der Avantgarde aus welchen Kulturen zuerst aufgegriffen hat, bleibt dabei offen. "Das ist am Ende auch für uns das Überraschende, dass man gar nicht mehr sagen kann, wer von wem gelernt hat", meint Kuratorin Marion von Osten. "Von der Vorstellung, dass das Bauhaus die Idee entwickelt habe, die dann nach außen fortgetragen wurde, müssen wir uns nach diesem Forschungsprojekt tatsächlich verabschieden". Der Perspektivwechsel sei dabei auch für unsere eigene Gesellschaft wichtig, meint von Osten. "Wir müssen verstehen, dass wir Weltgesellschaften sind, Migrationsgesellschaften. Nur als solche haben wir vielfältige Innovationen und Veränderungen. Das Bauhaus war in der Welt und hat deshalb in der Welt auch Resonanz gefunden."
Die Ausstellung Bauhaus Imaginista ist im Berliner Haus der Kulturen der Welt vom 15. März bis zum 10. Juni 2019 zu sehen.