Bauhaus global: Wie sich eine Utopie verbreitet hat
7. Januar 2019"Wie sie sich vor ihnen in den Staub warfen! Welche Huldigungen!" schrieb der amerikanische Schriftsteller und Journalist Tom Wolfe über die Ankunft der Bauhaus-Pioniere in den USA. "Weiße Götter" nannte er sie in seiner berühmten Polemik "From Bauhaus to our house" (Mit dem Bauhaus leben) aus dem Jahr 1981. Walter Gropius, den Chefideologen, taufte er den "Silberprinzen". Der kam 1937, nach einem kurzen Zwischenstopp in London, nach New York. Auf Druck der Nationalsozialisten war das Bauhaus in Dessau 1932 und 1933 in Berlin geschlossen worden. In den Vereinigten Staaten rollte man den Stilpionieren aus Deutschland den roten Teppich aus. Gropius, Chef-Utopist des Bauhaus, wurde umgehend zum Professor an der Harvard-Universität berufen und übernahm ein Jahr später die Leitung des Architekturdepartments am "Graduate Centre for Design", dem Graduierten-Kolleg für Gestaltung. Seinen Assistenten brachte er gleich mit aus Deutschland: Marcel Breuer, der nicht nur mit seinen berühmten Freischwingern auftrumpfte, sondern 1966 auch das Whitney Museum of American Art in New York bauen sollte. Die Amerikaner nennen es auch "The Breuer-Building", das Breuer-Gebäude.
Internationale Stars der Avantgarde
Die Emigranten aus Deutschland - sie waren schon Stars, noch bevor sie die Neue Welt überhaupt erreichten. Bereits 1929 hielt Alfred Barr, einer der Mitbegründer des Museum of Modern Art in New York, eine frenetische Rede auf das Bauhaus. Er wollte die Ideen des Bauhaus' in die amerikanische Kultur holen. Alfred Barr war zuvor bereits in Europa gewesen, um sich ein eigenes Bild von dem neuen Baustil zu machen. Überzeugt davon, die neue Bewegung in der Architektur, die seit den frühen 1920er Jahren zu beobachten war, sei etwas Wichtiges, unternahm der Direktor des MoMa gemeinsam mit dem Architekturhistoriker Henry-Russell Hitchcock und dem Architekten Philip Johnson 1930 und 1931 mehrere Reisen nach Europa, um das Phänomen zu untersuchen. Sie kamen zu dem Schluss, dass "dieser zeitgenössische Stil, der auf der ganzen Welt existiert, einheitlich und einschließlich, also nicht fragmentarisch oder widersprüchlich wie so vieles aus der ersten Generation moderner Architekten ist", wie es in einem Katalog heißt, der parallel zur ersten Ausstellung des International Style 1932 in New York erschien.
In diesem Buch definieren Hitchcock und Johnson die Einheitlichkeit dieses weltumspannenden Bauens durch drei Kriterien: die Betonung reiner Volumen, modulare Regelmäßigkeit und die Vermeidung aufgesetzter Dekorationen. "So setzt sich der gegenwärtige Stil von den Stilen der Vergangenheit ab", schrieben sie. Auch Farbe sei verpönt, stattdessen kämen "natürliche Fassadenmaterialien und die Töne der Metallprofile" zum Einsatz.
Mit Arbeiten von Architekten aus 29 Ländern, maßstabsgetreuen Modellen und 1 x 2 Meter großen Fotografien präsentierte die Ausstellung "Modern Architecture. The International Style" im New Yorker MoMA ein regelrechtes Who is Who des Bauhaus: Mies van der Rohe, Le Corbusier, Walter Gropius, aber auch Architekten und Bauten aus Ländern wie Mexiko, Niederlande oder Ungarn wurden vorgestellt. Ohne die MoMA-Ausstellung von 1932 wäre es für die Bauhaus-Exilanten sicher nicht so einfach gewesen, so mühelos in den USA Erfolg zu haben.
Viel Werbung für das Bauhaus
Barr, Hitchcock und Johnson waren die Ersten, die den Stil des Neuen Bauens so kategorisch identifiziert und definiert haben. Und die einen passenden, universellen Namen dafür gefunden haben. So fanden die Bauhaus-Exilanten schnell eine neue Heimat in den USA: Berühmte Schüler wie Andreas Feininger, Herbert Bayer und Xanti Schawinsky durften sogar im amerikanischen Pavillon auf der Weltausstellung 1939 in New York ausstellen und die USA repräsentieren.
Für ihren Ruhm hatten Gropius und seine Mitstreiter selbst gesorgt. Sie betrieben eine wahre Propaganda-Maschinerie: gaben Radiointerviews, schrieben Manifeste, publizierten jede Menge Texte über ihre Visionen. Erste Zeugnisse ihres Neuen Bauens hinterließen Gropius und Breuer in Lincoln, Massachusetts, wo sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft kleine Villen mit Flachdach und Fensterband errichteten. Beide "Meisterhäuser im amerikanischen Stil" sollten Musterbeispiele für potentielle Kunden sein. Die standen in den 1950er Jahren prompt Schlange: Gropius baute das Pan American World Airlines Building in New York sowie zahllose andere Bürohochhäuser.
Nicht nur in New York, sondern auch in anderen Städten der USA setzte sich die Bauhaus-Idee überraschend schnell durch.
New Bauhaus in Chicago
In Chicago entstand unter der Leitung von Laszlo Moholy-Nagy 1937 das "New Bauhaus", das neue Bauhaus. Genau wie das Vorbild in Dessau etablierte der Ungar dort eine Synthese der Künste: Es gab auch einen Vorkurs - getreu dem Bauhausprogramm in Dessau -, der die Schüler auf das neue Lernen einstimmen sollte und in dem zeichnerische Grundlagen vermittelt wurden. Neben einem festen Mitarbeiterstamm vermittelten Gastdozenten der Universität von Chicago die notwendigen Grundlagen der Physik, Biologie und Philosophie. Schon nach einem Jahr musste das New Bauhaus aus finanziellen Gründen wieder geschlossen werden.
Besser erging es dem Maler Josef Albers. Er emigrierte schon 1933 mit seiner Frau Anni in die USA und bekam einen Ruf an das Black Mountain College in North Carolina. Zu seinen berühmtesten Schülern gehörten der Pop-Art-Künstler Robert Rauschenberg, Willem de Kooning oder Kenneth Noland. Seine Frau Anni Albers entwarf Webmuster für die Industrie und verkaufte ihre handgewebten abstrakten Wandbilder an zahlungskräftige Privatkunden.
Traum vom Wolkenkratzer
Ludwig Mies van der Rohe, einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts und dritter Bauhausdirektor in Dessau, kam 1938 als Leiter ans Armour Institute of Technology in Chicago. Dort hielt er die Bauhaus-Ideen weiter am Leben: seine Schüler lernten, weniger ergebnisorientiert zu arbeiten. In seinem "Visual Traning"-Kurs sollten sie ein Verständnis für Materialität und Struktur lernen. Schon früh interessierte sich Mies van der Rohe für Hochhäuser und beteiligte sich bereits 1920/1921 am ersten Wettbewerb für einen Wolkenkratzer. Einen Höhepunkt bildete die Errichtung des Lake Shore Towers in Chicago - eine Konstruktion aus Glasfassade und Stahltragwerk. Damit realisierte er sich einen Traum, den er in Deutschland so nie hätte verwirklichen können. Mehr noch: schon kurze Zeit später galt Mies van der Rohes Architektur als Inbegriff der modernen Architektur in den USA. Tom Wolfe hatte dafür indes nur Spott übrig: Mies van der Rohes Bauten seien nichts als "Schachteln aus Glas und Stahl".