Bangen um Frieden in Mali
3. März 2015Der Norden Malis könnte vor einem wichtigen Schritt in Richtung Befriedung stehen: Ein von Rebellen und malischer Regierung ausgehandeltes Abkommen liegt seit Sonntag auf dem Tisch. Es kam unter Vermittlung Algeriens und vieler weiterer internationaler Akteure zustande. Bamako hat bereits zugestimmt. Die wichtigsten Rebellengruppen aber wollen erst die Zustimmung ihrer Basis einholen. Gibt die grünes Licht, soll der Vertrag Ende März offiziell unterschrieben werden. Vermittler Algerien hätte seinen ehrgeizigen Zeitplan, innerhalb von acht Monaten zu einer Übereinkunft zu kommen, erfolgreich durchgezogen.
Der Norden Malis, der sich seit zwei Jahren einen blutigen Konflikt mit der Zentralregierung mit Tausenden Toten und Vertreibungen liefert, könnte allmählich zur Ruhe kommen. Frankreich, das im Januar 2013 mit der Operation "Serval" unter UN-Mandat die Islamisten aus der Region weitgehend vertrieben und Druck auf die Verhandlungspartner ausgeübt hatte, bezeichnete das Abkommen als "exzellente Nachricht".
Rebellen geben sich zuversichtlich
Soweit der Plan - doch die Lage ist vertrackt. Zwar gab sich einer der Sprecher im Gespräch mit der DW zuversichtlich. "Für uns ist das Abkommen sehr wichtig. Wir erklären das nun den Leuten vor Ort. Es ist ein wirklicher Kompromiss und markiert den Beginn eines Prozesses, der voran kommt", sagte Mohamed Ousmane Ag Mohamedoun, Sprecher des Verbunds der Rebellengruppen. Deren wichtigsten Mitglieder, die Nationale Bewegung zur Befreiung des Azawad (MNLA) und die arabische Bewegung des Awazad (MMA), haben nun eine schwierige Aufgabe vor sich.
Denn "die Basis" ist eine heterogene Gruppe aus verschiedenen Ethnien und Akteuren. In den Augen einiger Tuareg-Stämme und bewaffneter Gruppen kommen die Vertreter mit leeren Händen nach Hause: Ihre wichtigste Forderung nach weitgehender Autonomie oder einer föderalen Struktur mussten sie im Laufe der Verhandlungen aufgeben.
Immerhin: Statt von der Zentralregierung bestimmter Gouverneure soll die Bevölkerung künftig eigene Regionalräte wählen können. Zudem soll der Norden stärker in den nationalen Institutionen, der Armee, der Verwaltung vertreten sein. Geld soll in die wirtschaftliche Entwicklung des Azawad fließen. Erstmals gesteht die malische Regierung im Abkommen zu, dass es so etwas wie Azawad gibt. Allerdings ist in dem 30 Seiten starken Dokument nur am Rande vage von einer "sozial-kulturellen Realität" die Rede, die Teil "des malischen Einheitsstaates und dessen territorialer Integrität" sei.
Jugend ohne Perspektive
Dass die Rebellen die Mehrheit ihrer bewaffneten Mitglieder vom Abkommen überzeugen könnten, sei extrem schwierig, sagt Paul Melly von der Denkfabrik Chatham House in London im gegenüber der DW. "Es gibt dort viele junge bewaffnete Männer, die keine Jobs haben. Es gibt kaum reguläre Arbeitsmöglichkeiten", so Melly. Im äußersten Norden lebten viele Rebellen vom Drogen- und Waffenschmuggel über Algerien. Dieses lukrative Geschäft wäre gefährdet, wenn die Zentralregierung wieder Kontrolle über das Gebiet bekäme.
Zudem hätten frühere Entwicklungspläne der Zentralregierung zu keiner Verbesserung der Lebenssituation geführt, die Menschen seien frustriert. Bereits kurz nach Bekanntwerden des Abkommens kam es in der Provinzhauptstadt Kidal zu Protesten. Viele Demonstranten bezeichneten das Abkommen als "Maskerade von Algier".
Letztendlich rechnet Analyst Melly dennoch mit einer Unterschrift der Rebellen - nicht zuletzt dank neuer Machtoptionen durch die geplanten lokalen Regionalversammlungen. "Das ist ein wichtiges Symbol und bietet der traditionellen politische Elite im Norden eine Chance", so Melly. Ein weiteres überzeugendes Argument für die Akzeptanz des Abkommens im Norden sieht er überdies in einem wichtigen Zugeständnis beider Seiten: Eine Kommission soll die Kriegsverbrechen von malischer Armee und Rebellengruppen in dem blutigen Konflikt der vergangenen Jahre untersuchen.
Zersplitterung der bewaffneten Gruppen
Die Rebellenvertreter befänden sich in einer schwierigen Position, sagt auch Rinaldo Depagne von der International Crisis Group im Gespräch mit der DW. "Entweder sie unterschreiben und stellen sich damit gegen einen Großteil der Bevölkerung. Oder sie unterschreiben nicht und werden von der internationalen Gemeinschaft für das Scheitern des Abkommens verantwortlich gemacht." Damit würden sie außerdem den wichtigsten regionalen Akteur Algerien verprellen.
Depagne fürchtet zudem eine weitere Fragmentierung und Radikalisierung von bewaffneten Gruppen, die das Abkommen nicht mittrügen. "Dabei erhofft man sich von dem derzeitigen Vertrag doch gerade, dass er auch die Geschlossenheit der unterschiedlichen Gruppen herbeiführt", so Depagne.
Mitarbeit: Yaya Konaté, Fréjus Quenum