Maaßen befürchtet "Steppenbrand"
25. Februar 2015Zur Einstimmung auf den prominenten Gast erinnert der Moderator an die jüngsten Attentate in Paris und Kopenhagen. Das könne jederzeit auch in Berlin, Hamburg oder München passieren, warnt er. Dann tritt Hans-Georg Maaßen ans Rednerpult des 18. Europäischen Polizeikongresses in Berlin. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) spricht ausführlich über "Internationale Krisen und ihre Folgen für die Sicherheit". Beruhigend klingt es nicht, was er den etwa 400 Zuhörern aus dem In- und Ausland zu berichten hat.
Man stelle fest, "dass es immer mehr Buschfeuer gibt", sagt Maaßen. Und dann zählt er die die Länder auf: Syrien, Irak, Libyen, Mali, Nigeria, Somalia, Jemen. Zum Teil kämen sie in den Medien kaum mehr vor, seien auf dem Weg zu "failed states", also Ländern ohne funktionierende staatliche Strukturen. Inzwischen müsse man sich auch um den Libanon und Jordanien Sorgen machen, "ob sie dem Ansturm des Islamismus standhalten können". Maaßen sieht die Gefahr, "dass aus den Buschfeuern ein Steppenbrand wird".
Gotteskrieger, die mit Kriegswaffen hantieren
Am meisten sorgt sich der BfV-Chef Maaßen um Menschen, "die Konflikte mit nach Deutschland nehmen und hier austragen". So gäbe es hierzulande inzwischen rund 7000 Salafisten. Sie seien ein "Nährboden" für radikale Dschihadisten und Terroristen. Damit wachse die Gefahr, dass junge Leute in Deutschland und Europa "hier Anschläge begehen könnten". Dabei denkt Maaßen vor allem an Gotteskrieger, die aus Deutschland in die Bürgerkriegsgebiete Syriens und im Irak reisen. Mehr als 600 sollen es seinen Ausführungen zufolge inzwischen sein. Von ihnen seien 200 zurückgekehrt, und etwa 70 ums Leben gekommen, zehn bei Selbstmord-Attentaten.
In ganz Europa gäbe es etwa 4000 freiwillige Kriegsteilnehmer. Sie kehrten brutalisiert zurück und hätten gelernt, mit Kriegswaffen umzugehen. Dass habe sich bei den tödlichen Anschlägen in Paris und Kopenhagen gezeigt. Und es stelle eine Herausforderung für Polizeibeamte dar, erläutert Maaßen. Dieses Gefahrenpotenzial rund um die Uhr zu überwachen, sei unmöglich. Auch deshalb appelliert er an die gesamtgesellschaftliche Verantwortung beim Umgang mit möglichen Gewalttätern. Neben seiner Behörde und anderen Sicherheitsdiensten sieht der Verfassungsschutz-Chef Jugendeinrichtungen, aber auch Justizvollzugsanstalten in der Pflicht. In diesem Zusammenhang erinnert Maaßen daran, dass sich der Attentäter von Kopenhagen im Gefängnis radikalisiert habe.
Früher kam die Gefahr aus dem Osten
Angesichts so vieler Gefahren aus unterschiedlichsten Richtungen und Motiven muss Deutschlands ranghöchster Verfassungsschützer fast schon wehmütig an vergangene Zeiten denken. Während des klassischen Ost-West-Konflikts reichte der Blick seiner Behörde "bis Ost-Berlin, vielleicht bis Moskau". Diese Perspektive sei erstmals 1972 durch das palästinensische Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München verschoben worden. Und dann kam der "Schub" nach dem 11. September 2001 mit den Terror-Anschlägen in den USA. Die gute alte Zeit, die "bipolare Welt" gebe es nicht mehr, sagt Maaßen mit beinahe bedauerndem Unterton.
Früher seien Terroristen von Al Kaida "nie aus den Höhlen Waziristans herausgekommen", heute gäbe es einen Konkurrenzkampf zwischen Al Kaida und dem "Islamischen Staat" (IS) um die Mobilisierung für den Dschihad. Ihr gemeinsamer Feind sei der Westen. Der Krieg solle in die Städte getragen werden. Am besten mit Kämpfern, die in den Zielländern aufgewachsen sind. Im Abwehrkampf hätte Maaßen gerne einen Partner an der Seite, auf den er noch vor wenigen Jahren gebaut hat: Russland. Doch durch die Entwicklung in der Ukraine habe eine gegenseitige "Entfremdung" stattgefunden. Stattdessen beobachtet der Verfassungsschutz "alte KGB-Methoden": Desinformation und Einflussnahme, vor allem in osteuropäischen Staaten.
Drinnen spricht der Frontex-Direktor, draußen wird protestiert
Und noch aus einer ganz anderen Ecke wittern deutsche und europäische Sicherheitsbehörden zunehmende Gefahren: an den Außengrenzen der EU. Im Zuge der Flüchtlingsströme insbesondere aus Syrien und Afrika rechnet die "Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union" (kurz: Frontex) mit höheren Risiken durch eingeschleuste Terroristen. Eine "Vermischung von Migrantengruppen mit foreign fighters", befürchtet Klaus Rösler.
Der Deutsche mit Arbeitsplatz in Warschau leitet seit 2008 die Frontex-Einsätze. Vehement wehrt er sich auf dem Europäischen Polizeikongress gegen Vorwürfe, seine Agentur sei für den Tod notleidender Bootsflüchtlinge verantwortlich. Stattdessen verweist Rösler auf gemeinsame Rettungsaktionen mit internationalen Organisationen, darunter das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Mehr als 23.000 Menschen seien gerettet worden. Während Rösler im Berliner Congress-Centrum diese und andere Zahlen nennt, protestieren draußen etwa 50 Aktivisten gegen die europäische Flüchtlingspolitik. Mit blauer und roter Kreide haben sie in großen Buchstaben ihre Sicht auf die Gehwege geschrieben: Frontex und Polizei = Mord und Rassismus.