Baerbock begrüßt mögliche NATO-Erweiterung
15. Mai 2022Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Schweden und Finnland eine rasche Aufnahme in die NATO in Aussicht gestellt. Am Rande des informellen NATO-Außenministertreffens in Berlin erklärte die Grünen-Politikerin, Deutschland sei dazu bereit, einen Beitritt der beiden Länder in das Verteidigungsbündnis "sehr, sehr schnell" zu ratifizieren. Die Bundesregierung habe dazu bereits Gespräche mit "allen demokratischen Parteien" geführt.
Laut Baerbock haben auch zahlreiche andere NATO-Staaten einen schnellen Ratifizierungsprozess zugesagt. Eine "Hängepartie" nach einem Beitrittsantrag Finnlands und Schwedens dürfe es nicht geben, sagte sie.
"Die NATO ist ein Bündnis, was auf Verteidigung setzt, das wird es auch immer bleiben", sagte Baerbock. "Aber es ist auch ein Bündnis der offenen Türen und deswegen heißen wir Finnland und Schweden, wenn sich ihre Parlamente, wenn sich ihre Gesellschaften dafür entscheiden, herzlich willkommen." Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bescheinigte sie, mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine Schweden und Finnland in die NATO "hineingepusht" zu haben.
Offiziell: Finnland und Schweden möchten NATO-Mitglied werden
Unterdessen kündigten Finnlands Präsident Sauli Niinisto und Premierministerin Sanna Marin an, dass das nordische Land einen Antrag auf Mitgliedschaft in der NATO stellen will. Damit wird der Weg für eine Erweiterung des 30 Mitglieder zählenden westlichen Militärbündnisses geebnet. Dies gaben die beiden auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Präsidentenpalast in Helsinki bekannt. Niinistö und Marin sprachen von einem "historischen Tag". Das finnische Parlament muss dem Schritt noch zustimmen, eine Mehrheit gilt als sicher.
In Schweden haben sich erwartungsgemäß an diesem Sonntag die regierenden Sozialdemokraten ebenfalls für einen Beitritt des Landes zur Nato ausgesprochen. Damit ebnen sie den Weg für das Aufnahmegesuch, mit dem das skandinavische Land sich von seiner
jahrzehntelangen Neutralität verabschieden würde. Weite Teile der Opposition haben bereits ihre Zustimmung zum Nato-Aufnahmeantrag signalisiert.
Türkei sieht Neuaufnahme kritisch
Die Türkei hat ihre Bedenken gegen eine Aufnahme Finnlands und Schwedens in die NATO bekräftigt, zugleich aber Gesprächsbereitschaft signalisiert. Sein Land sei immer für eine "Politik der offenen Tür" gewesen, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu zum Auftakt des Treffens in Berlin. Finnland und Schweden unterstützten aber "Terrororganisationen" wie die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Kurdenmiliz YPG in Syrien, sagte Cavusoglu.
Bereits am Freitag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gesagt, skandinavische Länder seien geradezu "Gasthäuser für Terrororganisationen". Die Türkei beschuldigt seit langem die nordischen Länder, extremistische kurdische Gruppen sowie Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen zu beherbergen.
Baerbock äußerte sich irritiert über die Positionierung der Türkei. Ihrer Ansicht nach müsste jedes demokratische Land erfreut sein, wenn Demokratien mit starken Verteidigungsfähigkeiten das gemeinsame Bündnis stärker machten.
Asselborn: Wiedergeburt der NATO dank Putin
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn rief die Türkei in Berlin auf, ihren Widerstand gegen eine mögliche Aufnahme von Schweden und Finnland aufzugeben. "Wenn beide Länder das wollen, und das scheint ja in diese Richtung zu gehen, dann darf keines der 30 Länder sich dagegenstellen", sagte er mit Blick auf die Mitgliedsstaaten. Asselborn betonte: "Die NATO entwickelt sich vom Hirntod 2019 zu einer Wiedergeburt 2022 - dank Putin."
Der Minister spielte damit auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an. Dieser hatte das Verteidigungsbündnis mehrfach öffentlich als "hirntot" bezeichnet und bis zum Ukraine-Krieg keinen Zweifel daran gelassen, dass er langfristig eher auf den Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion als auf eine Stärkung der NATO setzt.
Putin droht Helsinki
In Moskau stoßen die Erweiterungspläne derweil erwartungsgemäß auf Ablehnung. Der russische Präsident Wladimir Putin drohte Finnland für den Fall eines Beitritts zur Militärallianz mit Konsequenzen. In einem Telefonat mit seinem Amtskollegen Sauli Niinistö bezeichnete er die Pläne als Fehler. Von Russland gehe keine Bedrohung für das Nachbarland aus, betonte Putin nach Kremlangaben bei dem Gespräch. Die Abkehr Finnlands von der traditionellen Neutralität werde zu einer Verschlechterung der bislang guten nachbarschaftlichen Beziehungen führen.
Finnlands Außenminister Pekka Haavisto und dessen schwedische Amtskollegin Ann Linde nehmen als Gäste an den NATO-Beratungen in Berlin teil. Finnland und das benachbarte Schweden sind enge Partner der Allianz, gehören ihr aber nicht an. Der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine hatte in beiden Ländern eine intensive Debatte über die Sicherheitspolitik ausgelöst. Sie stehen nun kurz davor, den offiziellen Aufnahmeantrag zu stellen.
Haavisto sagte in Berlin: "Ich bin mir sicher, dass wir für diese Sache eine Lösung finden werden." Er könne allerdings nicht versprechen, dass alles in einer Nacht gelöst werden könne. Zu den Vorwürfen der Türkei sagte der Finne, der Kampf gegen den Terrorismus sei ein sehr wichtiges Thema für sein Land. Als einen Beleg nannte er unter anderem Finnlands Beteiligung an der internationalen Koalition gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS).
Breite Unterstützung
Norwegens Außenministerin Anniken Huitfeldt sprach mit Blick auf die Beitrittsabsichten von Finnland und Schweden von einem "historischen Moment". Griechenland unterstützt die Pläne der beiden nordischen Staaten ebenfalls. Zuversichtlich äußert sich auch die Slowakei. Sein Land sei bereit, eine Mitgliedschaft beider Länder zu befürworten, betonte Außenminister Ivan Korcok. Er plädierte zudem für weitere Militärhilfe für die Ukraine. Auf die Frage, wie lange Verbündeten die Ukraine unterstützen könnten, sagt er: "Bis sie gewinnt." Russland habe den Krieg bereits politisch verloren.
kle/wa/djo/ack (dpa, afp)