Bad Saarow Filmfestival: Zwischen Trauma und Zuversicht
31. August 2023Grasgrün und tiefblau ist die Umgebung des idyllischen Örtchens am Scharmützelsee, auf einer Halbinsel in der Kulturscheune von Gut Eibenhof findet das Internationale FILM OHNE GRENZEN Festival statt. Die Natur: malerisch und friedvoll. Die Filmauswahl: ein Kontrastprogramm. An vier Tagen (31.8.-3.9.2023) werden Filme präsentiert, die das ungefilterte Leben und den Kampf um Glück und Würde zeigen. Und dennoch steckt in den meisten Filmen etwas ganz Wichtiges, etwas, das sie vereint: Zuversicht.
So auch das diesjährige Motto des Filmfests: "Der Begriff Zuversicht deutet darauf hin, dass der Mensch die Möglichkeit der Mitgestaltung hat. Wir zeigen keine leichten Stoffe - Lebensformen, die aufgrund von ideologischen Gegebenheiten sehr schwierig sein können. Aber wir zeigen auch, dass Menschen zuversichtlich bleiben. Zuversicht zeigen bedeutet auch eine innere Haltung zu einer Sache zu haben. Hoffen, Beten, Bangen ist passiv und wir wollten den Raum für Mitgestaltung betonen", sagt Susanne Suermondt, Gründerin und Leiterin, und zitiert Wolfgang Kohlhaase: "Filme können die Welt nicht ändern, aber sie sichtbarer machen“. Susanne Suermondt hat mit ihren Festivalpartnerinnen Tanya Berndsen und Yvonne Borrmann das Festival zu einer Größe in der deutschen Festivallandschaft gemacht, nationale und internationale Gäste versammeln sich hier einmal jährlich Anfang September.
Asmaas Weg
Auch Asmaa wird hier erwartet. In dem Dokumentarfilm der mexikanischen Regisseurin Alejandra Alcala "The Neighborhood Storyteller" wird Asmaas Leben im Zaatari Flüchtlingslager in Jordanien geschildert. Asmaa hat eine Mission: Sie will jungen syrischen Mädchendas Lesen beibringen, die Welt durch Bücher öffnen. Mit Verständnis, Respekt und stoischer Geduld versucht sie, die Väter der Mädchen im Flüchtlingslager zu überzeugen, ihre Töchter zu ihrem Lesezirkel gehen zu lassen. Und sie schafft es: Die Mädchen versammeln sich regelmäßig in Asmaas provisorischem Zuhause, wo sie in andere Welten eintauchen. Sie sprechen über ihre Kindheit, den Verlust von Heimat und Familie. Viele der Kinder sind traumatisiert, blicken nicht in die Zukunft. Es ist Asmaa, die die Mädchen stärken will, ihnen etwas Zuversicht gibt - im tristen Alltag im Flüchtlingscamp.
"In Zeiten wie diesen ist Zuversicht etwas, das wir alle anstreben müssen. Und das hat mich Asmaa gelehrt", so Alejandra Alcala, die Regisseurin des Dokumentarfilms. "Manchmal fühle ich mich so machtlos, hilflos, als ob ich nichts ändern kann - aber dann hat sie mir gezeigt, dass auch kleine Handlungen etwas bewirken und in unserer Community was ändern können. Das hab ich von Asmaa gelernt und ich hoffe, dass die Menschen, die diesen Film schauen, auch diesen Eindruck kriegen."
Gesellschaftliche Normen als Glückshindernis
Die Auswahl der Filme in Bad Saarow ist vielfältig und international: Der pakistanische Film "Joyland" des Regisseurs Saim Sadiq gibt Einblicke in eine stark patriarchal-traditionelle Gesellschaft, die jedweden Drang nach Selbstentfaltung und Freiheit erstickt. Haider, ein junger Mann, lebt mit seiner Frau und der gesamten Familie seines Bruders auf engstem Raum. Nach langer Arbeitslosigkeit findet er einen Job als Tänzer in der Show der Transfrau Biba. Haider entwickelt Gefühle für Biba - und ist zerrissen zwischen gesellschaftlichen Konventionen und der individuellen Freiheit. Während der Film weltweit von Kritikern und Fans gefeiert wird, sorgt er in seiner Heimat für Kontroversen: Die pakistanische Regierung verbot zunächst die Vorführung, später wurde das Verbot aufgehoben, aber die Filmemacher durften den Film in vielen Teilen des Landes, auch in der Provinz Punjab, immer noch nicht zeigen.
Kinder im Fokus
Gleich mehrere Filme beschäftigen sich mit Kindern, denen das natürlichste der Welt genommen wurde - die Kindheit. Kolya wächst in einem Heim in der Ostukraine auf - der Regisseur Simon Lereng Wilmont begleitet die Heimkinder und die Sozialarbeiter in Lyssytschansk im Norden der Oblast Luhansk, deren Alltag von Armut und Krieg, den Russland seit 2014 führt, geprägt ist. Die Dreharbeiten enden vor der Großoffensive Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022. Inzwischen gibt es diesen Zufluchtsort nicht mehr: Die Kinder mussten unter Bombenhagel evakuiert werden und ein weiteres Mal ihre Heimat und Familie verlassen.
Der Film "Vom Leben überholt" erzählt von einem rätselhaften Resignations-Syndrom, das Kinder in einen komaähnlichen Zustand versetzt. Das Phänomen wurde in den 2000er-Jahren bei Flüchtlingskindern in Schweden beobachtet. Dieser Zustand kann Monate oder sogar Jahre andauern. Der Film begleitet drei geflüchtete Familien, deren Kinder an dem Syndrom erkrankt sind. Die Kinder hören auf zu essen, zu gehen, zu sprechen und flüchten sich in den Schlaf. Die Unsicherheiten und Traumata, die diese Kinder in ihrem frühen Leben schon erlitten haben, sind einige der Ursachen für dieses Syndrom. Der Film zeigt das Leid der Eltern, die nach dem Verlust der Heimat nun auch den Kontakt zu den Kinden verlieren. Doch einige Kinder kehren wieder "zurück" aus diesem Zustand - es gibt also Hoffnung, wenn die Welt bloß mehr für Kinder da wäre.
Trotz der Schwere und Nachdenklichkeit der Filme tragen viele eine positive und hoffnungsvolle Botschaft in sich und wecken damit nicht nur Reflexion sondern auch Zuversicht bei den Zuschauern.
Vom 31. August bis zum 3. September findet das 11. Internationale Filmfestival Bad Saarow am Scharmützelsee statt.