Berlin setzt Zeichen zum Unabhängigkeitstag der Ukraine
Veröffentlicht 24. August 2023Zuletzt aktualisiert 24. August 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Bundespräsident Steinmeier eröffnet Konzert des Ukrainian Freedom Orchestra in Berlin
- Scholz und Baerbock bekräftigen ihre Unterstützung
- Keine größeren Feierlichkeiten in Kiew
- Selenskyj weist Kritik an Aufstellung der ukrainischen Armee zurück
- Norwegen will F-16-Kampfjets liefern
- Deutscher wegen Verstoß gegen Russland-Sanktionen verhaftet
Am Unabhängigkeitstag der Ukraine haben sich Menschen in Berlin zum Zeichen der Unterstützung für das von Russland angegriffene Land versammelt. Bei einer Demonstration vor dem Brandenburger Tor war eine große blau-gelbe Flagge zu sehen. Mit mehreren Aktionen in Berlins Mitte - teils nicht weit entfernt von der russischen Botschaft - gedachten die Menschen der Opfer des Krieges.
Bundespräsident Frank Walter Steinmeier eröffnete am Abend ein Konzert des Ukrainian Freedom Orchestra am Schloss Schönhausen in Berlin. Olena Selenska, die Ehefrau des ukrainischen Ministerpräsidenten, war ebenfalls anwesend. Das Orchester setzt sich aus geflüchteten Musikerinnen und Musikern ebenso zusammen wie aus ukrainischen Mitgliedern anderer europäischer Orchester.
"Sie kämpfen einen musikalischen Kampf für Frieden und Freiheit in der Ukraine, und senden mit ihrer Musik eine Botschaft des Mutes, der Hoffnung und der Zuversicht", sagte der Bundespräsident vor Beginn des Konzerts. Auch wenn an diesem ukrainischen Unabhängigkeitstag angesichts Russlands Aggressionskrieg kaum jemandem zum Feiern zumute sein dürfte, sei der Tag eine Gelegenheit, "die Freiheit und Unabhängigkeit der Ukraine zu würdigen", so Steinmeier. Und weiter sagte der Bundespräsident: "Ich kann Ihnen versichern, und ich hoffe, Sie spüren es heute auch, dass die Menschen in Deutschland in diesem Kampf für die Freiheit mit ihrer Solidarität, ja Bewunderung zur Seite stehen."
Scholz und Baerbock bekräftigen die Unterstützung Deutschlands
Zuvor hatten auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) der Ukraine den Beistand Deutschlands zugesichert. Scholz richtete sich im Onlinedienst X (vormals Twitter) direkt an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: "Wir stehen an Ihrer Seite", teilte Scholz in einem Beitrag auf Englisch mit. "Heute feiern Sie die Unabhängigkeit und Freiheit Ihrer Nation. Das sind genau die Werte, die Ihr ganzes Land in Ihrem tapferen Kampf gegen die brutale russische Aggression verteidigt. Wir bewundern Ihren Mut und Ihre Stärke."
Baerbock (Grüne) äußerte sich ebenfalls bei X. Seit eineinhalb Jahren lasse Putin Bomben auf ukrainische Städte und Bomben hageln, schrieb sie. Jeder Kriegstag sei eine "Verpflichtung an uns, alles dafür zu tun, dass die Ukraine so wie wir wieder in Frieden leben kann".
Keine größere Unabhängigkeitsfeiern in Kiew
Für den Jahrestag der 1991 erfolgten ukrainischen Unabhängigkeitserklärung von der Sowjetunion verbot der Bürgermeister der Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, angesichts der anhaltenden Gefahr russischer Luftangriffe größere Feierlichkeiten. Auf dem im Kiewer Zentrum gelegenen Chreschtschatyk-Boulevard wurden anlässlich des Feiertags die Wracks russischer Panzer aufgereiht.
Im vergangenen Jahr hatte Russland die Ukraine am Unabhängigkeitstag mit einer Angriffswelle überzogen. Das Innenministerium in Kiew meldete damals an einem Tag 58 Angriffe in neun Regionen des Landes. Bei einem Angriff auf den Bahnhof im zentralukrainischen Tschaplyne wurden damals nach ukrainischen Angaben 25 Menschen getötet. Russland hatte die Invasion der Ukraine am 24. Februar 2022 gestartet, auf den Tag genau ein halbes Jahr vor dem Unabhängigkeitstag.
Selenskyj ruft Ukrainer zur Einheit auf
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zum 32. Unabhängigkeitstag des Landes an die Einheit der Ukrainer im Kampf gegen die russischen Angreifer appelliert. "Im großen Krieg gibt es keine kleinen Dinge. Nichts ist unwichtig. Niemand ist unwichtig. Das betrifft sowohl die Menschen, als auch die Taten und Worte", hob der Staatschef in einer Videobotschaft hervor.
Dabei dankte Selenskyj insbesondere Soldaten, Rüstungsarbeitern, Elektrikern, Journalisten, Minenräumern, Lehrern, Medizinern und Sportlern für ihren Einsatz und erinnerte an die gebrachten Opfer.
Andrij Jermak in der DW
Für Andrij Jermak, einen der wichtigsten Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, hat die Ukraine einen wichtigen Moment erreicht. "Denn ich habe den Eindruck, dass wir dem Sieg nahe sind", sagte der 51-Jährige der Deutschen Welle. "Niemand weiß, wie lange es dauern wird, aber wir haben bereits einen weiten Weg zurückgelegt."
Er verweist dabei auf den Beginn der russischen Invasion: "Wir sollten nicht vergessen, dass uns ursprünglich drei Tage, dann einige Monate gegeben wurden. Und jetzt sind es anderthalb Jahre", hob Jermak hervor. "Und wir sind nicht nur mit der Verteidigung befasst, sondern wir befreien auch unser Territorium."
Selenskyj weist Kritik zurück
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ausländische Kritik an einer angeblich falschen Verteilung der Armee zur Abwehr der russischen Invasion zurückgewiesen. "Weiß ein Experte, wie viele Menschen, wie viele Besatzer sich im Osten aufhalten? Ungefähr 200.000!", sagte Selenskyj bei einer Pressekonferenz in Kiew.
Die russische Armee warte nur darauf, dass die Ukraine den Schutz einiger Frontabschnitte vernachlässige. Die Russen würden dann im Osten sofort vorstoßen. "Wir werden Charkiw, den Donbass, Pawlohrad oder Dnipro nicht aufgeben. Und das ist auch gut so", sagte der Präsident.
Er reagierte damit auf einen Bericht der "New York Times". Darin äußerten nicht genannte US-Militärs und andere Experten die Auffassung, die Ukraine konzentriere zu wenige Einheiten im Süden. Deshalb stocke der erhoffte Vormarsch in Richtung Asowsches Meer. Sie rieten der Militärführung in Kiew, die Taktik zu ändern.
Die derzeitige Front im Osten und Süden der Ukraine ist etwa 800 Kilometer lang. Daneben muss die ukrainische Armee weitere Grenzabschnitte zu Russland verteidigen, zum Beispiel bei Charkiw und Sumy, und die lange Grenze zu Belarus bewachen.
Norwegen will F-16-Kampfjets liefern
Nach Dänemark und den Niederlanden will nun auch Norwegen F-16-Kampfjets an die Ukraine liefern. Regierungschef Jonas Gahr bestätigte entsprechende Medienberichte bei einem Überraschungsbesuch in Kiew anlässlich des ukrainischen Unabhängigkeitstages. Zu "gegebener Zeit" würden weitere Einzelheiten über die Anzahl der Kampfjets und den Zeitrahmen der Lieferung mitgeteilt, erklärte Gahr.
Neben der Lieferung der F-16-Kampfjets sagte Norwegen der Ukraine zudem die Unterstützung mit Iris-T-Flugabwehrsystemen, Minenräumgeräten sowie ein Hilfspaket in Höhe von 1,5 Milliarden Norwegischen Kronen (130 Millionen Euro) zum Kauf von Gas und Strom für den Winter zu.
EU-Militärausschuss zweifelt an militärischen Möglichkeiten der Ukraine
Militärexperten der Europäischen Union zeigen sich skeptisch, ob die Ukraine alle von Russland besetzten Gebiete befreien kann. "Es bleibt fraglich, ob die volle Souveränität der Ukraine mit den zur Verfügung stehenden Mitteln wiederhergestellt werden kann", sagte der Vorsitzende des Militärausschusses der EU, Robert Brieger, der Zeitung "Die Welt".
Die seit Juni laufende Gegenoffensive der Ukraine habe noch nicht Raum gewonnen. "Ich wäre auch vorsichtig, einen Durchbruch der ukrainischen Streitkräfte durch die russischen Verteidigungslinien zu erwarten. Die Zahl der Brigaden, die Kiew bei der Offensive zur Verfügung stehen, ist überschaubar. Andererseits hatte Russland über Monate Zeit, dicht gestaffelte und gut abgesicherte Verteidigungslinien aufzubauen."
Der Militärausschusses ist das höchste militärische Gremium der EU. Ihm gehören die Generalstabschefs der 27 Mitgliedstaaten an.
Russischer Raketenangriff auf Dnipro
In der zentralukrainischen Stadt Dnipro sind nach Angaben des Gouverneurs der Region sieben Menschen durch einen russischen Raketenangriff verletzt worden. Drei Männer und vier Frauen seien verletzt worden, teilte Serhij Lisak mit.
Deutscher wegen Verstoß gegen Russland-Sanktionen festgesetzt
Wegen Verstößen gegen die EU-Sanktionen auf Ausfuhren nach Russland ist ein deutscher Geschäftsmann verhaftet worden. Wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, wurde Ulli S. bei seiner Ankunft am Flughafen Frankfurt von Beamten des Zollfahndungsamts Stuttgart festgesetzt. Der Beschuldigte war demnach seit dem 10. August auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls in Frankreich inhaftiert und von dort zur Strafverfolgung nach Deutschland überstellt worden. Ihm wird vorgeworfen, in mehreren Fällen gewerbsmäßig gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen zu haben.
Den Angaben zufolge war Ulli S. Geschäftsführer eines Unternehmens in Baden-Württemberg, das Werkzeugmaschinen herstellte und vertrieb. Er habe dabei "langjährige Geschäftsbeziehungen zu russischen Waffenproduzenten" gepflegt. Im Frühjahr 2015 - nachdem die EU-Sanktionen gegen Russland wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 vollzogen waren - habe er mit einem russischen Waffenproduzenten drei Verträge über die Lieferung von sechs Werkzeugmaschinen samt Zubehör geschlossen, die zur Produktion von Scharfschützengewehren benötigt worden seien.
Den EU-Sanktionen zufolge ist nicht nur die Lieferung von Rüstungsgütern an Russland, sondern auch die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck ("dual use") untersagt. Ulli S. wurde den Angaben zufolge dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihm den Haftbefehl eröffnet und in Vollzug gesetzt hat.
cw/uh/se/AR/ww/wa (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.