Bachmut, die umkämpfte Stadt
4. April 2023Was ist bisher passiert?
Vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine lebten rund 70.000 Menschen in Bachmut. Die Kämpfe dort haben im vergangenen Spätsommer begonnen. Seitdem belagern russischen Truppen die Stadt, die in einem von Kiew kontrollierten Teil der Oblast Donezk, in der ostukrainischen Industrieregion Donbass, liegt.
Im Laufe des mittlerweile neun Monate andauernden Grabenkriegs - der bisher längsten Belagerung im gut einjährigen Ukraine-Krieg - haben beide Seiten herbe Verluste hinnehmen müssen. Tausende Soldaten starben. Die Frontlinien haben sich dagegen wenig verschoben.
Anfang Januar reklamierte der Chef der russischen Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, die völlige Einnahme der Kleinstadt Soledar in der Nähe von Bachmut. Rund zwei Wochen später bestätigte auch das ukrainische Militär, es habe sich aus Soledar zurückgezogen. Die Einnahme der Stadt ist ein Punktsieg für Russland, dessen Truppen somit näher an Bachmut heranrücken konnten.
Zuletzt behauptete Wagner-Chef Prigoschin in einem Video, die russische Flagge sei auf dem Gebäude von Bachmuts Stadtverwaltung gehisst worden und die strategisch wichtigste Stadt im Gebiet Donezk somit im juristischen Sinne erobert.
Kiew weist die Behauptungen der angeblichen Eroberung jedoch als Falschinformation zurück – und auch das russische Verteidigungsministerium bestätigte bislang keine Einnahme. Der Kampf um Bachmut geht demnach weiter.
Die Angaben der Kriegsparteien sind unabhängig kaum zu überprüfen. Klar ist aber: Die Stadt ist inzwischen weitgehend zerstört. Nur noch 3000 der ehemals gut 70.000 Bewohner sollen noch dort ausharren.
Welchen Stellenwert hat Bachmut für die Ukraine?
Die russischen Truppen belagern, die ukrainischen halten stand - so geht es mittlerweile seit neun Monaten, weshalb Bachmut fast automatisch eine hohe symbolische Bedeutung im Ukraine-Krieg zukommt. Auch ist die ukrainische Gegenoffensive im Herbst ins Stocken geraten, der letzte große territoriale Erfolg war die Befreiung des westlichen Teils der Region und der Stadt Cherson selbst im November.
Strategisch ist die Stadt im Donbass wichtig, weil sie an der Fernstraße E40 zwischen der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw und dem russischen Rostow-am-Don liegt. Bachmut würde der russischen Armee den Weg zu westlich gelegenen Städten eröffnen, etwa Slowjansk oder Kramatorsk, einem wichtigen Industrie- und Verwaltungszentrum im Gebiet Donezk. Die von Russland geplante vollständige Eroberung des Donezker Gebiets würde näherrücken.
Wie könnte es weitergehen?
Bislang scheinen weder Russland noch die Ukraine willens, die zu einem Großteil in Trümmern liegende Kleinstadt aufzugeben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mehrfach erklärt, in Bachmut standzuhalten. Dazu haben sich Militäranalysten kritisch geäußert. Demnach könnte es sinnvoller sein, sich auf eine neue Verteidigungslinie zurückzuziehen. Ansonsten würden Reservisten sterben, die in Gegenoffensiven benötigt würden, so etwa der ukrainische Analyst Oleh Schdanow.
Der Militärhistoriker Roman Ponomarenko erklärte gegenüber Medien: "Wenn wir Bachmut einfach aufgeben und unsere Truppen und Ausrüstung zurückziehen, kann nichts Schlimmes passieren. Wenn sie den Ring schließen, werden wir Männer und Ausrüstung verlieren."
Ralph Thiele, ehemaliger Mitarbeiter im Private Office des NATO-Oberbefehlshabers, sagte der DW Anfang März, er schätze die Chancen der Ukrainer im Kampf um Bachmut als geringer ein. Sie seien weitgehend umzingelt und den Russen bei Bachmut militärisch unterlegen.