Außenminister Gabriel besucht Flüchtlingslager
9. August 2017Als die Rebellen kamen, nahm Susan Keji ihre einjährige Tochter und floh. Nur raus aus ihrer Heimatstadt Yei im Südsudan, nur weg aus Afrikas wohl schlimmstem Bürgerkrieg. "Sie haben meinen Vater und meine Mutter getötet", erzählt die 22-Jährige mit leiser Stimme, während ihre dunklen Augen einen unsichtbaren Punkt auf der roten Erde suchen.
Gemeinsam mit ihrer Tante schaffte es Susan Keji nach Uganda. Seit April 2016 ist das Flüchtlingslager Rhino Camp im Norden des Landes ihr Zuhause. Rund 91.000 Flüchtlinge leben hier. Neben ihrer strohbedeckten Rundhütte hat die junge Frau ein kleines Feld angelegt, auf dem sie Kassava anpflanzt. "Es ist schön, dass wir hier Essen kriegen. Aber Wasser ist ein großes Problem", sagt Susan Keji. "Auch unsere Schulen und Krankenhäuser sind nicht gut."
Vorbildliche Flüchtlingspolitik
Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel steht nur wenige Meter von ihrem Feld entfernt. Den sonst obligatorischen Anzug hat er gegen Outdoor-Hose und Hemd getauscht. "Dass ein Land wie Uganda, das selber arm ist, seine Grenzen für Menschen öffnet, die vor dem Bürgerkrieg fliehen, ist wirklich beeindruckend", lobt der Minister.
Ugandas Flüchtlingspolitik gilt weltweit als vorbildlich. Wie Susan Keji bekommen Flüchtlinge in Uganda vom Staat ein Stück Land, um etwas anbauen zu können. Sie können sich eine Arbeit suchen, zur Schule gehen und sich im Land frei bewegen. Doch Uganda kommt an seine Grenzen: Bald werden eine Million südsudanesische Flüchtlinge im Land leben. Rechnet man Geflüchtete aus Kongo oder Burundi dazu, leben jetzt schon fast 1,3 Millionen hier.
"Diese Menschen müssen ernährt werden, sie brauchen medizinische Hilfe und müssen geschützt werden", sagt Ugandas Flüchtlingsminister Francis Ecweru. Natürlich wolle man weiter Flüchtlinge aufnehmen. Wenn sein Land aber nicht die erforderlichen Hilfen dafür bekäme wäre das "katastrophal". "Die internationale Gemeinschaft ist gegenüber Uganda in der Pflicht", sagt Ecweru.
Nicht genug Klassenzimmer, nicht genug Essen
Sigmar Gabriel erlebt bei seinem Camp-Besuch ganz praktisch, wie Uganda an seine Grenzen stößt. Zum Beispiel in der örtlichen Schule: In einem Klassenzimmer drängen sich rund 200 Kinder auf wackligen Holzbänken dicht an dicht. "Wenn man in der letzten Reihe sitzt, hört man kaum, was der Lehrer vorne sagt", klagt der Klassensprecher. Teilweise werden drei Klassen gleichzeitig in einem Raum unterrichtet, erzählt der Schulleiter. Für mehr Klassenzimmer fehlt aber das Geld. In anderen Schulen sind Bäume das einzige Dach, das die Kinder haben.
Vor der Schule verschenkt der Minister Fußbälle an einige Kinder. Dem UN-Flüchtlingshilfswerk wäre Geld wohl lieber. 624 Millionen Euro bräuchten die Vereinten Nationen, um allein die südsudanesischen Flüchtlinge in Uganda zu versorgen. Doch nur rund 30 Prozent dieser Summe haben die UN bisher erhalten. Kommt das Geld nicht, könnte es eng werden. Bis September sind die Lebensmittelhilfen für die Menschen in den Flüchtlingslagern noch gesichert. Doch was danach kommt, weiß auch die stellvertretende Landesdirektorin des UN-Flüchtlingshilfswerks, Kemlin Furley, nicht.
"Keine guten Zukunftsaussichten"
"Es gibt jetzt schon Spannungen. Die Regierungspolitik gegenüber Flüchtlingen ist sehr großzügig und die Bevölkerung ist sehr gastfreundlich", sagt Kemlin Furley vom UNHCR im DW-Interview. Aber es gebe Grenzen: "Wenn der Druck auf die Schulen, auf die Krankenhäuser zu hoch wird, dann sind das keine guten Zukunftsaussichten".
Auch dem deutschen Minister ist das bewusst: "Wir versuchen hier zu helfen, wir haben unsere humanitäre Hilfe deutlich ausgebaut", sagt er den mitreisenden Journalisten. "Aber gleichzeitig sehen wir hier, es ist noch nicht genug."
90 Millionen Euro humanitäre Hilfe gibt Deutschland dieses Jahr für die Südsudan-Krise. Davon fließen 14 Millionen Euro nach Uganda. Deutschland werde in den nächsten Jahren sicher noch mehr tun, verspricht Gabriel. Konkrete Zusagen macht er nicht. Ugandas Regierung, die UN und die Flüchtlinge im Rhino-Camp müssen warten und hoffen, dass die nötigen Gelder aus dem Ausland irgendwann kommen.