Teslas Unfall und die großen Hürden der Branche
23. April 2021Zwar war der Autopilot wohl ausgeschaltet. Dennoch wird nach demTod von zwei Passagieren in einem fahrerlosen Teslahat wieder einmal die Aufmerksamkeit auf einen Markt gelenkt, der dafür berüchtigt ist, zu viel zu versprechen und zu wenig zu liefern. Vor fünf oder sechs Jahren hatte jedes Unternehmen - vom damaligen Newcomer Uber bis zum Oldtimer Ford - versprochen, in den 2020ern selbstfahrende Fahrzeuge auf die Straße zu schicken. Die Fristen sind bereits verstrichen. Wohl auch deshalb sind die Unternehmen etwas bescheidener bei ihren Ambitionen geworden.
Wann kommt der Durchbruch?
Der Markt für diese Technologie ist so komplex wie die Fahrzeuge selbst. Es gibt viele miteinander verknüpfte Teile, die sich alle in einem anderen Entwicklungsstadium befinden. Das macht es schwierig zu sagen, ob und wann selbstfahrende Fahrzeuge endlich den Durchbruch schaffen. Die Technologien für Langstrecken-Lkw, leichte Privatfahrzeuge, Taxis und andere Formen des öffentlichen Nahverkehrs erfordern unterschiedliche Ansätze. Und bisher sind nur wenige selbstfahrende Autos auf den Straßen unterwegs. Deshalb laufen auch noch wenige Daten bei den Unternehmen ein. Auch das bremst den Fortschritt der Branche.
"Die Funktionalität, die Software und die Algorithmen, die benötigt werden, basieren alle auf Daten. Und die Datenbasis wird mit der Zeit wachsen", sagte Alexander Petrofski, Strategiechef von Volvo Cars, gegenüber Bloomberg. "Leider gibt es dafür keinen Schalter, aber wir sehen ein Szenario, indem wir nach und nach mehr Informationen aus mehr Regionen bekommen." Das Debüt seiner autonomen Fahrzeuge hat der schwedische Automobilhersteller allerdings auf 2022 verschoben.
Ähnlich komplex sind die Zulassungsbestimmungen. Die Vorschriften, unter welchen Bedingungen ein autonomes Fahrzeug auf öffentlichen Straßen fahren darf, variieren nicht nur nach Fahrzeugtyp, sondern auch von Land zu Land. Und das oft auch auf nationaler und regionaler Ebene.
Wer hat die Nase vorn?
Die Branche hat mittlerweile jeden gepackt: von alten Autogiganten wie Ford und Volkswagen bis hin zu kleinen Robotik-Startups in Israel und den USA. Allein im US-Bundesstaat Kalifornien haben derzeit über 50 Unternehmen eine Lizenz, autonome Fahrzeuge mit einem Sicherheitsfahrer auf der Straße zu testen. Experten gehen davon aus, dass sich der Markt mit anhaltendem Fortschritt zunehmend konsolidiert.
Das Google-eigene Unternehmen Waymo wird von vielen beim Thema autonomes Fahren als am weitesten fortgeschritten angesehen. Seit Oktober 2020 betreibt es eine vollständig fahrerlose kommerzielle Taxiflotte in Phoenix, Arizona. Aber das Unternehmen ist noch Jahre davon entfernt, profitabel zu werden. Im Jahr 2018 kündigte es Pläne an, seine Taxiflotte auf "bis zu" 82.000 Fahrzeuge auszuweiten. Heute zählt der Verbund einige Hundert Autos - wohl ein Zeichen, dass da etwas nicht nach Plan gelaufen ist.
Auch andere Unternehmen verfolgen auch die Strategie von Waymo und kooperieren mit lokalen Taxidiensten. Die Unterstützung der großen Autobauer könnte ihnen einen Vorteil verschaffen, wenn es darum gehen wird, ihr Geschäftsmodell schnell auszubauen. Cruise wird dabei unterstützt von General Motors und Honda, Argo von Ford und Volkswagen und Motional von Hyundai - sie verfolgen alle das Modell einer Taxiflotte.
Fällt Tesla zurück?
Elon Musk's Tesla verkauft seine Autos direkt an die Verbraucher. Der dort eingebaute Autopilot ermöglicht laut Tesla-Homepage ″schon heute autonomes Fahren″. Dadurch verfügt das Unternehmen jetzt bereits über eine Fülle Daten aus der realen Welt. Wirklich bekannt ist der Autopilot aber vor allem für Todesfälle.
"Tesla fällt hinter andere Autohersteller wie GM und Ford zurück, die bei Modellen mit Fahrerassistenzsystemen eine Technologie einsetzen, die sicherstellt, dass der Fahrer auf die Straße schaut", sagte Jake Fisher, Experte der Autotests von Consumer Reports, gegenüber Reuters nach dem jüngsten Unfall.
Um Google Konkurrenz zu machen, stieg auch Amazon im vergangenen Jahr in das Rennen um selbstfahrende Autos ein und erwarb das Startup Zoox. Im Dezember kaufte das Tech-Startup Aurora die selbstfahrende Abteilung von Uber, nachdem das Unternehmen das unprofitable Projekt abgestoßen hatte. Der ehemalige Uber-CEO Travis Kalanick hatte früher vorausgesagt, dass die menschlichen Fahrer des Unternehmens bis 2018 weitestgehend durch automatisierte Fahrzeuge ersetzt werden würden.
"Im Rennen um die Kommerzialisierung des autonomen Fahrens werden es viele Spieler nicht über die Ziellinie schaffen", sagte Aurora-CEO Chris Urmson im Dezember gegenüber Forbes und meinte, das Unternehmen habe eine Chance, einer der Gewinner zu sein.
Auch in China nehmen etliche Unternehmen am Rennen teil: Namen wie AutoX, WeRide, Pony.ai, Baidu und Didi Chuxing arbeiten an selbstfahrenden Autos. Im Dezember durften einige von ihnen zum ersten Mal in China auf die Straße - allerdings nur unter Testbedingungen, was darauf hindeutet, dass der Markt in China noch nicht besonders weit fortgeschritten ist.
Das Problem mit der Energie-Effizienz
Noch fordern auch die Entwicklungen im Bereich E-Mobilität die Entwickler von autonomen Autos heraus. Um selbstständig zu navigieren, setzen viele selbstfahrende Fahrzeuge auf Lidar-Sensorik - kurz für Light Detection and Ranging. Dabei handelt es sich um einen Sensor auf dem Dach des Fahrzeugs, der Laserwellen aussendet und so die Entfernung zu umliegenden Objekten ermittelt. Die Position der Sensoren erhöht den Windwiderstand der Fahrzeuge und das beeinflusst den Energieverbrauch.
Einige wenige Unternehmen, darunter auch Tesla, haben die Lidar-Sensorik durch billigere Kameratechnologie ersetzt. Hier sind die Kameras hinter den Autofenstern. Das Energieproblem lässt sich hier umgehen - allerdings gelten sie sie als weniger genau. Viele in der Branche gehen aber auch davon aus, dass das Thema Energie schon bald bewältigt werden kann. Dadurch könnten die Fahrzeuge dann auch voll und ganz auf den E-Mobiliätszug aufspringen. Bei Schätzung, wann die autonomen Autos zu großen Stückzahlen auf die Straßen kommen, sollte man aber dennoch vorsichtig sein.
Aus dem Englischen adaptiert von Nicolas Martin.