Aus für Neonazi-Netzwerk "Altermedia"
27. Januar 2016Bei den Betreibern der rechtsextremen Internetplattform "Altermedia-Deutschland.info" besteht nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Gegen zwei der Macher, Jutta V. und Ralph Thomas K., liegen Haftbefehle vor. Auch weitere Beschuldigte wurden festgenommen. Der Verfassungsschutz habe ermittelt, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Den Betreibern wird Volksverhetzung vorgeworfen. Nach ihrem Willen habe die Internetseite massenhaft und systematisch rechtsextremes und nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet. Autoren der Inhalte und Kommentatoren hätten offen antisemitische und rassistische Positionen vertreten.
"Üble Gewalt- und Mordaufrufe", zum Beispiel gegen Politiker oder Journalisten, sollen dort veröffentlicht worden sein. "Selbst Teilen der NPD-Anhänger waren diese Texte zu heftig", erläuterte Rechtsextremismus-Experte Toralf Staud dem Evangelischen Pressedienst. "Sie war ein Themenmonitor. Die Autoren haben wichtige Themen der Szene gesetzt. Außerdem haben sie den Tonfall beeinflusst, in dem in der Szene über bestimmte Themen gesprochen wurde." Im Kommentarbereich hätten die Anhänger häufig überraschend offen diskutiert. Dort seien üble Beschimpfungen zu lesen gewesen, so Staud: "Interessant war, dass man in den Beiträgen Szene-Interna erfahren konnte."
Internet ist kein rechtsfreier Raum
"'Altermedia' ist seit Jahren eines der wichtigsten Internetportale in der rechtsextremen Szene", erklärt Rechtsextremismus-Experte und Buchautor Andreas Speit. Die Plattform besteht seit Ende der 90-er Jahre unter "Störtebeker.net". Die deutsche Website "Altermedia Deutschland" ist 2003 online gegangen. International gibt es verschiedene Ableger, etwa in den USA oder Spanien, der Server steht in Russland.
2011 ist schon einmal gegen "Altermedia" vorgegangen worden. Axel Möller wurde als redaktionell verantwortlicher Betreiber der Seite zu einer Geldstrafe von 3000 Euro und zusammen mit Mitautoren der Seite zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Weil es nach dem Prozess gesamtgesellschaftlichen Druck gegeben hat, wurde anschließend die in den USA registrierte URL abgeschaltet. "Es gab damals eine große Diskussion, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei", erinnert sich Speit. Doch der Prozess von 2011 hatte Symbolcharakter. "Das Besondere an den damaligen Ermittlungen war, dass deutlich gemacht wurde: Man kann nicht im Internet hetzen und glauben, man wird nicht verfolgt, weil der Server vielleicht im Ausland liegt."
Doch wenige Monate später gingen die Betreiber Jutta V. und Ralph Thomas K. mit ihren Ko-Autoren unter dem gleichen Namen online. "Allerdings hat das Portal in der Szene an Bedeutung verloren, weil die Betreiber vorsichtiger geworden sind. Das heißt aber nicht, dass sie heute in ihrer Ausrichtung weniger radikal sind", so der Rechtsextremismus-Experte Speit. "Es ist noch heute ein bedeutendes Netzwerk der Szene." Alle Vorsicht hat nichts genutzt. 2012 landete die Seite wegen stark jugendgefährdender Inhalte auf dem deutschen Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die erneut in den USA angesiedelte neue Domäne wurde vom amerikanischen Hoster gesperrt, nachdem auch die Initiative jugendschutz.net den Druck erhöht hatte.
Soziale Netzwerke als Propaganda-Medium
"Gerade in den letzten Jahren boomen Webseiten, die gegen die Flüchtlings- und Asylpolitik sind, auch in den sozialen Netzwerken, gegen diese Politik", sagt Speit. Das Internet ist zum zentralen Propaganda-Medium der gesamten rechte Szene geworden. Es ist für die interne Kommunikation und die Vorbereitung von Aktionen wichtig. Gerade für den direkten Austausch gewinnen soziale Netzwerken an Bedeutung. "Auf Plattformen wie "Altermedia" verbinden sich Szenemitglieder untereinander. Durch soziale Medien besteht eher der Versuch, aus der Szene heraus über die Szenegrenze hinweg zu wirken. Dort versuchen sie in die Mitte der Gesellschaft zu gelangen."
Die deutschen Ermittler baten zudem die russischen Behörden, den Server des Portals in Russland abzuschalten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière verbot am selben Tag den Betreiberverein nach § 10 des Vereinsgesetzes. Er erklärte, das Portal fördere und ermögliche "die Verbreitung übelster rassistischer und fremdenfeindlicher Kommentare und Beiträge, in denen Straftaten gegen Ausländer verteidigt, zu Straftaten aufgefordert und Taten des Nationalsozialismus gerechtfertigt werden". Dies sei nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar.